Oktober: mehr von Spirit Halloween

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Manchmal gab es auch ruhige Momente, in denen ich friedvoll einer Arbeit nachgehen konnte ohne viel mit Kunden in Kontakt zu treten. Da kniete ich dann mit meiner knallvioletten Schürze, sprich, unserer Arbeitsuniform, am Boden und sortierte ein Regal um. Mit Metallstäben in der Hand und einem Haufen Kostümen neben mir auf dem Flur blickte ich zu der Person auf, die vorsichtig fragte: „Entschuldigung, aber... arbeiten Sie hier?"

Das ist, was ich nach der fünfhundertsten dieser Frage gerne geantwortet hätte: „Warte Mal. Sie haben ja Recht, ich arbeite hier gar nicht! Ich sollte nach Hause gehen und dort mein Hobby, das Regalesortieren, ausüben."

Das ist, was meine Freundin geantwortet hat: „Oh nein, das ist mein Style. Lila Schürzen sind der neuste Trend, sollten Sie auch mal ausprobieren." Der Gesichtsausdruck des Kunden war unbezahlbar!

Manchmal begegnete man diesen Menschen, die in den Fluren hockten und sich oder ihrem Kind hastig Kostüme überzogen. Das war ein so peinlicher und niveauloser Anblick, dass ich manchmal lieber weitergelaufen wäre und sie ignoriert hätte (was ich natürlich nie getan habe...) Sobald ich mich überwinden konnte auf einen solchen Kunden zuzugehen, sagte ich meist: „Hallo. Wir haben Umkleidekabinen."
Doch diese Information schien den meisten recht egal zu sein. „ okay, danke", war oft die Reaktion und dann zog er sich oder sein Kind weiter um.
Um uns beiden den unangenehmen Moment zu ersparen, in dem ich ihn auffordere eine Umkleidekabine aufzusuchen, wiederholte ich die Information einfach noch einmal. „Wir haben Umkleidekabinen... Direkt dort hinten..." Die Reaktionen fielen unterschiedlich aus.

Eines Tages stand ich an der Kasse und beobachtet die folgende Situation:

Eine ältere Frau mit buntem, wallendem Poncho fuhr in ihrem Rollstuhl in den Laden hinein. Sie kam an der Kasse zum Stehen und fragte nach unserer Chefin. Soweit nichts Ungewöhnliches.
Ihr Anliegen war, dass sie ihr Geld zurück haben wollte für etwas, das sie bei uns gekauft hatte, das aber nicht beschädigt war. Zuerst war daher unklar, wo das Problem lag.
Doch dann stellte sich heraus, dass die Kundin verärgert war. Der Artikel, den sie bei uns gekauft hatte, erfüllte seinen Zweck nicht. Die Vodoopuppe, die sie uns entgegenstreckte, funktionierte nicht! Und auf der Verpackung habe auch nicht draufgestanden, dass dies keine echte Vodoopuppe sei! So ein Versäumnis! Meine Chefin musste ihr mehrfach versichern, dass keine unserer Vodoopuppen echt seien und darum keine funktionieren werde, egal, welche sie kaufe.

Ein andermal kam ich gerade vom hinteren Teil des Ladens vor an die Kasse und das erste, das ich sah, waren zwei große, breitschultrige Männer, die ohne T-Shirt dastanden „Was ist denn hier los?" Ich war etwas perplex, ich gebe es zu. Vor allem, weil meine Chefin an der Kasse stand und nett mit den Männern plauderte anstatt sie aufzufordern sich anzuziehen. Wie sich herausstellte wollten sie nur die eben gekauften Kostüme sofort anziehen. Und brachten wohl nicht die Geduld auf dafür kurz zu den Umkleidekabinen zu gehen. Sie hatten es wohl eilig in ihr Wikingerkostüm zu schlüpfen.

Es kam oft vor, dass ich zur Arbeit an der Kasse eingeteilt wurde. Das hieß zumeist nicht ausschließlich das Bedienen der Kasse, sondern auch den Strichcode bestimmter Artikel kontrollieren, US-amerikanische Preise in kanadische umwandeln und so weiter. Eines ruhigen Abends trat ein Kunde an die Kasse. Es war ein junger, dunkelhaariger Mann in schickem schwarzem Mantel. „Entschuldigung, habt ihr Skelettmasken?", fragte er höflich.

Ich zeigt ihm den Ort. Später bediente ich ihn auch an der Kasse und wie gesagt, es war nicht viel los, darum begann ich ein wenig Small Talk zu betreiben.
Ich muss erklären, dass ich kurz zuvor an der Kasse die Strichcodes knallbunter, glitzernder Katzenmützen mit verbundenem Schal und Pfoten an den Enden kontrolliert habe. Ein absolut niedlicher Kinderartikel. Ein Haufen davon besaß einen beschädigten Code, sodass wir sie nicht mehr verkaufen konnten und weil sie so weich waren, wickelte ich mir einen davon um den Hals. Außerdem trug ich Mickey Mouse Ohren. Und eine schillernde Meerjungfrauen-Leggins. Ein möglicherweise leicht verrückter Anblick. Mehr oder weniger... Dies war also mein Outfit während unserem Gespräch (bitte vergiss die knallviolette Arbeitsschürze in deinen Gedanken nicht).

Genau so sah ich immer noch aus als der junge asiatischaussehende Mann eine Stunde später wiederkam, um einen kleinen, unbedeutenden Artikel zu kaufen. Und mich an der Kasse abermals in ein Gespräch verwickelte. Und sich langsam, aber stetig eine Menschenschlange hinter ihm zu bilden begann. Was mir persönlich langsam, aber stetig immer unangenehmer wurde. Unser Gespräch war wirklich nett. Wir sprachen über das Reisen und Erfahrungenmachen. Der Zeitpunkt dafür war nur denkbar schlecht. Das schien auch er endlich zu bemerken, darum brach er die Kommunikation ab und gab mir seine Handynummer. Mir war die Situation so peinlich, dass ich einfach nur noch schnellstmöglich aus ihr herauskommen wollte. Meine Chefin, die die gesamte Zeit neben mir gestanden hatte, wäre fast in ein lautes Lachen ausgebrochen, als er schließlich zur Tür hinaus ging. „Na, hast du eine Nummer abgesahnt? ", fragte sie mich breit grinsend. „Ich habe zwischendurch darüber nachgedacht, ob ich dich retten müsste." Was soll ich dazu sagen? Ich habe eben schon immer an die absolut anziehende Wirkung von Glitzer geglaubt!

Und dann nach einer längeren Pause, sodass man diese Sparte Mensch schon wieder vergessen hatte und ihr Anliegen einen kalt von hinten erwischte: „Hallo Entschuldigung, verkaufen Sie Tierkostüme?"

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