if i had a heart

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Orientierungslos huschte ich durch die Ladentür, welche, zu meiner Bewunderung, von einem schwarzgekleideten Securityangestellen überwacht wurde. Ich lächelte nett, erhaschte aber nur ein kurzes Nicken seinerseits. "Seid ihr hier immer so grummelig?" Fragte ich leise, als ich an dem Franzosen vorbei ging.

Sie hatten es tatsächlich geschafft. Ich wollte es immer noch nicht wahrhaben, aber sie hatten es tatsächlich geschafft. Sie hatten es geschafft, mich nach Frankreich zu verfrachten. Wieso auch immer ich dem zugesagt hatte.

Ich seufzte, schüttelte langsam meinen Kopf und sah mich um. Französische Schrift, französische Schrift, englische Schrift, franzö- ich stoppte. Soccer. Da wollte ich hin. Ich beschloss also, meine Beine in die Hände zu nehmen und den Treppen eine Etage höher zu folgen. Schon stand ich, wer hätte es anders erwartet, in einem Paradies für alle Fußballfans.

Eine Eiskunstläuferin hatte hier wohl kaum etwas zu suchen.

Wieder seufzte ich, öffnete WhatsApp, um dem Bild, welches mir mein kleiner Bruder geschickt hatte, Aufmerksamkeit zu schenken. Darauf waren Fußballschuhe zu erkennen, die er sich sehnlichst zu Weihnachten wünschte. Ich lächelte nur bei dem Anblick, weil ich den kleinen Schwachkopf nach so kurzer Zeit doch vermisste. Andererseits holte mich die Realität ein, sobald ich vom Handy aufsah und die Tonnen an Fußballschuhen sah.

Ich pustete mir die Haarsträhne aus dem Gesicht, betrachtete dann einen weißen Kunstlederschuh, den ich eigentlich echt hässlich fand. Dann starrte ich auf das Bild, erkannte den Farbfehler, der mir unterlaufen war und widmete mich dann einem anderen. "Das kannst du mir nicht antun, Phips." Sagte ich leise, seufzte und schüttelte den Kopf. Ich hatte absolut gar keine Ahnung von diesem Sport und war es nicht sogar so, dass der Sportler seine Schuhe vorher anprobieren sollte?

Ich tat es jedenfalls mit meinen Schlittschuhen. Fußballer waren vielleicht anders, also zuckte ich erneut mit den Schultern und fand dann den perfekten Schuh. Er war jedenfalls für mich perfekt und ich wollte meinen Bruder in diesen Schuhen spielen sehen, also lächelte ich schief und hob den Schuh an, um ihn mir ganz genau anzusehen. "Perfekt." Lächelte ich, machte mich gerade daran, die passende Schuhgröße zu finden, als ich hinter mir einen Luftzug spürte.

"Die würde ich nicht nehmen."

Hatte es dieser Unbekannte gewagt, mir meinen perfekten Schuh auszureden?

Ich wollte mich eigentlich nicht umdrehen, um ihm nicht mehr Aufmerksamkeit zu schenken, als er durch diesen überaus unangebrachten Kommentar sowie so schon hatte. Ich überrollte also entsetzt meine Augen, drehte mich um und begann, mit dem Schuh vor seiner Nase rumzuwedeln. "Ich habe Sie aber nicht nach Ihrer Meinung gefragt." Ich riss mich echt zusammen, diesen Kauz auch noch zu Siezen, als mir auffiel wie verdammt komisch es doch sein musste, eine Frau in Frankreich auf Deutsch anzuschwatzen und dann auch noch damit Erfolg zu haben.

Der große, braunhaarige Mann, welcher eine Sonnenbrille trug und einen langen, schwarzen Regenmantel, lächelte frech und zuckte dann mit den Schultern. "Wenn du so helle Schuhe kaufst, bist du nur am putzen." Lächelte der Unbekannte, welcher mehr Fragen aufwarf, als ich sowie so schon hatte. Ich hatte echt keine Lust auf irgendeinen Smalltalk, weshalb ich mich einfach von ihm wegdrehte und den Schuh wieder auf seinen Platz stellte. Danach drehte ich mich, um meine Kopfhörer aus der Jackentasche zu kramen und den Sportladen schnellen Schrittes zu verlassen.

So viel zum Plan, den der Unbekannte durchkreuzte, indem er mir einen dunkelblauen Schuh vor die Nase hielt. "Der sitzt eigentlich echt super. Man sollte ihn bis nach oben schnüren, das ist etwas anstrengend und die Stollen tun auch nicht unbedingt lang ihren Zweck, aber wenn man nicht so oft spielt, dann ist er eigentlich echt perfekt." Er lächelte schief und ich lehnte den Schuh mit einer Handbewegung ab.

Der Große wanderte vom Passiv zum 'Du' zurück zum Passiv und dieses Geschwafel verwirrte mich mehr, als die Tatsache, dass er wusste, dass ich Deutsche war und scheinbar keine Ahnung von Fußballschuhen hatte. "Danke, aber ich verzichte auf Ihre Meinung." Lieb lächelte ich, nickte ab und verließ dann den Laden über die Rolltreppen.

"Komischer Kauz." Ich seufzte und freute mich auf meinen warmen Kakao, den ich mir nun im nächsten Starbucks besorgen wollte. Wenn ich einen finden würde. Ich war schließlich ziemlich verloren in Paris.

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