Fackellauf A

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[ Dieses Kapitel ist das Anschlusskapitel an Entscheidungsmöglichkeit A]

Handlungspfad: 🌙 (erreicht durch Wahlmöglichkeit A)

Kopfschüttelnd sah ich den anderen nach, mittlerweile hatten sie eh einen viel zu großen Vorsprung.
Was solls.
Dann rannte ich in die entgegengesetzte Richtung hinter dem Privatschüler her.
William war flink und in dem unbekannten Gelände fiel es mir zunehmend schwer, ihn nicht aus den Augen zu verlieren. Wenn er den Abstand vergrößerte, verschmolz er in der dunklen Kleidung völlig mit der sich herabsenkenden Dunkelheit, da brachte mir meine Fackel nicht viel. Schwer atmend versuchte ich also, irgendwie Schritt zu halten und mich nicht zu wundern, warum wir in die aus meiner Sicht falsche Richtung liefen. Der Turm lag im Westen, da war ich mir sicher und wir rannten geradewegs Richtung Norden.
Als ich darüber nachdachte, hatte ich wohl einen Moment nicht aufgepasst, dann als ich wieder nach vorne sah, konnte ich den Privatschüler nirgendwo erblicken. 
"William !", rief ich daher in die Dunkelheit hinein, eine Hand neben die Lippen gelegt, um lauter zu sprechen. Immer noch vor Nässe zitternd blieb ich stehen und drehte mich ratlos im Kreis, die Sommerhitze war verschwunden und einer frischen Nacht gewichen.
Gerade hatte ich aufgeben wollen, da erschien seine schlanke Gestalt wieder direkt vor mir, als sei er aus dem Erdboden emporgestiegen.
"Ich heiße Sherlock, verdammt !", stieß er nur zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor und ohne mir eine weitere Erklärung zu liefern, stieß er mich unsanft etwas nach vorne, woraufhin ich stolpernd ins Leere trat.
"Willst du mich umbringen oder was ?", brüllte ich ihn an, als ich mit dem nassen Schuh auf einer Leitersprosse abrutschte und es mit der freien Hand gerade so schaffte, mich festzuhalten, bis ich mein Gleichgewicht wiederfand.
Doch William, oder besser gesagt Sherlock, drängte mich nur zur Eile und folgte mir die Leiter nach unten, als ich mich vorsichtig daran machte, die eingerosteten Metallsprossen nach unten zu klettern.
Wo zur Hölle gehen wir hin ?! Ein Turm liegt doch über der Erde, nicht darunter !

Kaum hatten meine Füße den Boden berührt, da sprang der Dunkelhaarige an mir vorbei in die Kanalisation, die uns mit einem bestialischen Gestank begrüßte. Zwar war es hier unten tatsächlich heller, als auf dem Schulgelände, denn dort waren die Beleuchtungsanlagen aufgrund der Ferien ausgeschalten, wärend sie hier unten einwandfrei die abgerundeten Tunnelwände beleuchteten.
Ich hätte lieber nicht gesehen, was sich hier alles herumtreibt.
Angeekelt sah ich auf den Boden, der von einem nassen Film dreckigen Wassers überzogen war, doch dann gab ich mir einen Ruck und rannte Sherlock hinterher, die Fackel fest in der Hand.
Komm schon, John. Du bist doch kein Weichei !
Allerdings schien der Privatschüler nach ein paar Metern zu bemerken, wie unangenehm mir die Reise in dieses Tunnelsystem war, da ich mir mit der freien Hand Nase und Mund zuhielt und nur langsam folgte, wohingegen er selbst sich hier unten bewegte, als mache es ihm rein gar nichts aus.
"Hast du der Ansage nicht zugehört, Watson ? Wir haben euch reingelegt, alle miteinander !", rief er lachend aus, ohne seinen Schritt zu verlangsamen :" Es gibt kein Sommerfeuer ! Es hat noch nie eines gegeben !"
Verwirrt legte ich wieder einen Zahn zu und ließ meine Hand sinken :"Aber... der Turm ?"
Auflachend bog Sherlock ab, dann blieb er vor einer weiteren rostigen Leiter stehen, die in die Dunkelheit führte.

"Und ich dachte, du wärst klüger, nachdem du das Spiel gelöst hast, während alle anderen noch mindestens zwei Spielrunden gebraucht hätten !", stieß er aus und bevor ich etwas erwidern konnte, schob er nach:" Und jetzt kletter die verdammte Leiter hoch, stoß die Klappe auf und wirf deine Fackel endlich in den Brunnen !"
Oh.
Mit offenem Mund stand ich da und starrte Sherlock an, wie seine sturmgrauen Augen amüsiert aufblitzten und sich sein Brustkorb vom schnellen Laufen angestrengt unfassbar schnell hob und wieder senkte.
Ich wollte mich bedanken, irgendwas sagen, doch bevor ich dies tun konnte, hatte sich Sherlock gespielt vor mir verbeugt und dann war er verschwunden, ohne, dass ich gesehen hätte, wohin.
So alleine in der Kanalisation war mir das dann doch nicht geheuer und schnell tat ich so wie geheißen, stieß am Ende der Leiter angekommen die Klappe auf und kletterte nur wenige Meter vom Brunnen entfernt hinter einer hohen Hecke aus dem Tunnel.
Clever. So clever.
Kopfschüttelnd rannte ich um die Hecke herum und trat von der Seite auf den Weg, von der ich hätte kommen müssen, hätte William mich nicht durch den Untergrund geführt.
Sherlock. Sein Name ist Sherlock.

Plötzlich erklang erneut lautes Grölen, als ich auf dem Kiesweg erschien und zum Brunnen hetzte, wo zu meinem Erstaunen bereits vier Neulinge, darunter Lestrade, saßen und ihre Fackeln offenkundig losgeworden waren. Völlig erschöpft ließ ich meine ebenfalls in den tiefen Schacht hinunterfallen und sah der erlischenden Flamme so lange nach, bis sie mit einem lauten Zischen vom schwarz wirkenden Wasser verschlungen wurde.
"Nummer fünf angekommen.", wurde erneut ins Walkytalky gesprochen und dann trat ein älterer Junge auf mich zu, der eher als junger Erwachsener durchging und reichte mir mit einem zufriedenen Nicken die Hand:" Willkommen in Sherrinford."
Das 'Willkommen in der Hölle' jedoch blieb dieses Mal aus.

Als ich mich nur kraftlos nickend neben Lestrade auf dem Boden niederließ und schwer atmend die Arme hinter meinem Rücken abstützte, sah ich ihn fragend an und anscheinend schien er zu verstehen, was in mir vorging. "Natürlich gibt es kein Feuer. Diese Idioten brüllen seit Stunden ins Megafon, dass wir in der Hölle brennen sollen und denken tatsächlich, niemand würde merken, dass die Fackel dann nicht auf einen Turm muss, um das Höllenfeuer zu legen !", redete er kopfschüttelnd drauf los, doch ich blieb nur nach Luft ringend sitzen.
Ja. War total klar gewesen. Natürlich.
Für mich war es eher eine Verwunderung, dass überhaupt irgendjemand kapiert hatte, wie das ganze Spiel hier funktionierte. Denn ich war mir sicher, dass ich von alleine nie darauf gekommen wäre.
"Wer ist der ältere Kerl da ?", fragte ich dann, endlich zu Luft gekommen, als der junge Mann in dem dunklen Anzug einem weiteren Neuling die Hand schüttelte, nachdem dieser seine Fackel im Wasser versenkt hatte.
Erstaunt sah mich Lestrade von der Seite an, dann lachte er:" Der ? Den kennst du nicht ? Gott, wie bist du auf diese Schule gekommen ?!"
Etwas eingeschnappt sah ich zur Seite, das war immer noch ein wunder Punkt, doch Lestrade schien dies gar nicht zu bemerken, als er nachschob:" Das ist Mycroft. Er hat das Aufnahmeritual ins Leben gerufen, als er hier noch Schüler war."
"Mycroft ?", fragte ich dann interessiert nach, es war ein außergewöhnlicher Name.
Wie Sherlock.
"Ja, Mycroft. Mycroft Holmes.", lachte der Schwarzhaarige und als ich den jungen Mann das nächste Mal anblickte, bemerkte ich, dass er ebenso frech grinste, wie Sherlock es tat.

[ Das nächste zu lesende Kapitel trägt den Titel 'Eurus A' ]

Girlfriend ? Not really my areaWhere stories live. Discover now