Magnus

1.1K 216 38
                                    

Alexander, mein lieber, besorgter Alexander,

ich raube Ihnen erneut den Schlaf. Das war gewiss nicht meine Intention, als ich Ihnen von den Briefen berichtet habe. Sie sollen sich keine Sorgen um mich machen, denn ich denke, dass ist nicht nötig. Wenngleich es einige Ereignisse in der letzten Zeit gab, die mich etwas irritiert zurück gelassen haben. Oft habe ich das Gefühl beobachtet zu werden und mein Telefon klingelt häufig, ohne das Jemand mit mir spricht. Schieben wir das auf meinen völlig verwirrten Verstand, der mich momentan im Griff hat.
Bitte, sorgen Sie sich nicht um mich. Versprechen Sie es.

Die Beschreibung Ihres Vaters klingt nicht so, als hätten Sie es in Ihrem Leben leicht gehabt. Sonderlich sympathisch ist er mir nicht, wenn ich mir dieses Urteil erlauben darf. Um so stolzer können Sie auf sich selbst sein, denn Sie haben sich nicht klein kriegen lassen, eher im Gegenteil. Auch wenn wir uns nicht kennen Alexander, ich bin stolz auf Sie.

Bedauerlicherweise sind mir Geschwister verwehrt geblieben, vielleicht war ich auch ein zu anstrengendes Kind und meine Eltern haben sich gegen ein weiteres entschieden.
Leider kann ich die beiden nicht mehr danach fragen. Wie bei Caroline hat meine Mutter mich im Alter von fünf Jahren verlassen, ohne eine Erklärung oder einen Abschied. Ich weiß nicht, wo sie sich heute aufhält oder ob sie noch lebt.

Mein Vater hat sich exzessiv in die Arbeit gestürzt, er war Broker an der Wall Street und ständig hat er ein Telefon am Ohr gehabt. Er verließ früh das Haus und kam erst spät wieder. Ich vermute, er wollte so wenig wie möglich mit seinem Sohn zu tun haben, denn jeder behauptet, ich sehe meiner Mutter ähnlich, manch einer sagt sogar, ich sei ihr wie aus dem Gesicht geschnitten. Beurteilen kann ich das leider nicht, sind doch die vagen Bilder von ihr in meinem Kopf eines Tages verblasst.

Mein Vater ist mir aus dem Weg gegangen und ich habe es dem Umstand einer speziell für mich angestellten Hausdame zu verdanken, dass ich der bin, der ich heute bin. Sie war es, die mir wichtige Werte des Lebens vermittelt hat und sie war es ebenso, die mich stets unterstützt hat. Wie Sie sehen, gibt es einige Parallelen zu Caroline und mir. Vielleicht ein Zufall, aber eigentlich schließe ich das aus.

Mein Vater starb vor zehn Jahren an einem Herzinfarkt mitten beim Verkauf einiger Aktien. Die Ärzte sagten, er habe wichtige Anzeichen einfach ignoriert, um weiter zu arbeiten. Da ich der einzige Erbe des großen Asmodeus Bane war, ging all sein Besitz an mich über und ich kann mit ruhigem Gewissen sagen, ich kann eine Weile aussetzen, was das Schreiben angeht.

Nicht, dass Sie mich falsch verstehen Alexander. Von jeher war es mir wichtig andere Menschen zu unterstützen und so fließt ein Großteil meines Vermögens in eine Stiftung für angehende Schriftsteller. Es ist schwer in diesem Bereich Fuß zu fassen und einige talentierte Autoren habe ich persönlich angeleitet. Gerade ich selbst weiß, wie es ist, nichts auf Papier bringen zu können und dass das Leben ohne ein regelmäßiges Einkommen mehr als schwer ist.

Sollte ich eine Antwort auf die Frage finden, ob es Jemanden gibt da draußen, der unseren Ansprüchen genügt, werden Sie der Erste sein, der es erfahren wird. Allerdings wird Jemand wie ich wohl niemals die Gelegenheit bekommen, hier heraus zu kommen, um Menschen kennen zu lernen und ihnen eine Chance zu geben.
Vielleicht sollte ich über Ihren Vorschlag nachdenken und eines Tages meine vier Wände verlassen und auf Reisen gehen. Es könnte befreiend sein, aber ich bin auch ein Mensch, der ängstlich in einer fremden Umgebung ist und schnell den Überblick verliert.

Ich hoffe, sehr bald wieder von Ihnen zu lesen.
Magnus

Written Letters  -Malec-Where stories live. Discover now