Magnus

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Mein lieber Alexander,

ich bin gerührt von Ihrer Angst um meine Sicherheit, dabei bin ich noch immer ein Unbekannter. Bitte machen Sie sich keine Sorgen um mich, solch einen Schund bekommt man als öffentliche Person immer mal wieder zu Gesicht. Ich glaube nicht, dass jemand ernsthaft nach meinem Leben trachtet. Sie können also beruhigt schlafen.

Sicher warten Sie sehr gespannt auf meine Reaktion zu Ihrer sexuellen Orientierung. Nun ja, mein Lieber, ich habe noch niemals Jemanden verurteilt für das, was er ist oder was er mag. In Ihrem Falle wäre das auch undenkbar. Zum Ersten haben Sie meine Sympathie auf ihrer Seite und zum Zweiten, würde ich mich damit selbst verraten und verkaufen, denn ich habe mich nie eindeutig auf ein Geschlecht festlegen können. Ja, Alexander, Sie lesen richtig. Ich bin weder dem weiblichen, noch dem männlichen Geschlecht abgeneigt, also dürfen Sie bei mir immer offen und ehrlich über Alles reden. Wäre es sehr vermessen, Sie zu fragen, wie Ihr aktueller Beziehungsstand ist?

Um es direkt vorweg zu nehmen. Ich bin Singel und das schon seit geraumer Zeit. Bisher hat Niemand meinen anscheinend zu hohen Ansprüchen genügt und auch wenn es vielleicht lächerlich erscheinen mag, lege ich neben einem guten Aussehen auch Wert auf ein gewisses Maß an Intelligenz. Humor, Tiefsinn und ein wenig Romantik schaden auch nicht, aber wo findet man so etwas schon?

Die Beschreibung Ihrer Familie klingt interessant und bringt mich zum Lächeln. Ich glaube, Sie haben sehr großes Glück mit ihren Geschwistern und auch wenn man Niemanden hat, haben Sie ihre Brüder und ihre Schwester stets an Ihrer Seite. Das ist unglaublich wertvoll und ich hoffe, Sie halten auf ewig zusammen.

Leider erwähnen Sie Ihre Eltern mit keinem Wort und ich wage es kaum nachzufragen, weil ich mir fast sicher bin, dass Sie sie mit Absicht verschwiegen haben. Trotzdem biete ich Ihnen an, mir von ihnen zu erzählen und sei es nur, damit Sie Ihre Wut oder Enttäuschung, oder was immer es auch sein mag, heraus lassen können. Wo funktioniert dieses besser, als bei einem Unbekannten, der Ihnen jederzeit sein offenes Ohr leiht und ein geduldiger Zuhörer ist?

Zurück zu Helen. Mein lieber Alexander, ich bin stolz auf Sie. Sie haben zwischen den Zeilen gelesen und das ist eine fantastische Gabe, die nicht Jedem zuteil wird. Sie haben ins Schwarze getroffen und begriffen, dass es in Band zwei eine versteckte Liebschaft zwischen Helen und Aline gibt, die, wie Sie richtig erkannt haben, natürlich absolut verboten war zu dieser Zeit. Eine meiner Überlegungen war, nach Beendigung der Trilogie einen Zusatzband heraus zu bringen, der sich nur um diese Liebe dreht, aber wie ich schon erwähnt habe, hat die Muse mich sang und klanglos verlassen.

Sicher fragen Sie sich, was jemand wie ich den ganzen Tag macht, wenn ihm der Lebensinhalt gestohlen wurde. Nun, diese Frage kann ich Ihnen beantworten.
Mein Tag gestaltet sich immer gleich. Ich  wache auf und bevor ich mich erheben kann, liege ich noch lange einfach da und warte auf eine Inspiration. Wenn ich dann enttäuscht feststelle, sie wird nicht kommen, stehe ich endlich auf und versuche das Gleiche noch einmal bei einer Tasse Kaffee.

Wie Sie vielleicht ahnen, ist mein Leben nicht sehr interessant und ich verbringe momentan viel Zeit damit, herum zu sitzen und nachzudenken. Gerade deswegen ersehne ich Ihre Briefe so sehr herbei, denn sie helfen mir aus meinem Dasein auszubrechen und sie lenken mich ab. Tatsächlich ist es der einzige Moment, wo ich mich nicht selbst verfluche, dass ich keine Worte mehr auf das Papier bringe. Ich danke Ihnen somit von Herzen Alexander.

In der Hoffnung bald von Ihnen zu lesen,
Ihr Magnus

Written Letters  -Malec-Where stories live. Discover now