Alexander

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Sehr geehrter Mr. Bane,

ich würde lügen, wenn ich behaupten würde, Sie haben mich nicht mit Ihrer Antwort überrascht, denn das haben Sie. Ehrlich gesagt, habe ich nicht damit gerechnet, von Ihnen zu lesen, umso mehr freue ich mich über ihre schnelle Antwort.

Noch mehr freut es mich, dass Sie bereit sind, meine Fragen zu beantworten und ich verstehe natürlich auch, dass ich Ihnen dabei etwas entgegen kommen muss.
Lange habe ich überlegt, was genau Sie von mir wissen wollen, was es wert ist, darüber zu schreiben. Ich nehme an, Sie wollen keinen Lebenslauf mit uninteressanten Fakten, aber dennoch ist es nur höflich, Ihnen zumindest einige Eckdaten zu nennen, in der Hoffnung, Sie nicht damit zu langweilen.

Mein Name ist Ihnen bereits bekannt, allerdings habe ich nicht erwähnt, dass eigentlich jeder mich Alec nennt. Es wäre mir mehr als Recht, wenn Sie mich in Ihrem nächsten Brief so ansprechen würden.

Ich bin vergangenen Monat sechsundzwanzig Jahre alt geworden, wobei mir auffällt, dass Sie niemals öffentlich angegeben haben, wie alt Sie sind lieber Mr. Bane und ich gebe zu, neugierig zu sein.
Wie ich Ihnen bereits mitgeteilt habe, beschäftige ich mich sehr viel mit Literatur und eben diese habe ich studiert und ich bin gerade dabei, meinen eigenen kleinen Buchladen zu eröffnen. Ihre Werke haben selbstverständlich einen Platz in meinen Regalen, privat, wie geschäftlich.

Scheinbar steckt ein kleiner Romantiker in mir, denn mein Traum war es von jeher einen Laden zu haben, der gemütlich ist und dazu einlädt, auf den Sesseln Platz zu nehmen und mit einem guten Buch und einer Tasse Tee oder Kaffee zu verweilen. Ich wohne in einem verschlafenen Vorort von Chicago, mit einer übersichtlichen Anzahl von Einwohnern, allerdings ist das Touristenvorkommen, aufgrund der himmlischen Ruhe und des traumhaften Panoramas, relativ hoch. Immer wieder kehren Fremde bei uns ein, wohnen eine Weile in dem schönsten Bed and Breakfast, was Sie sich vorstellen können und manchmal kommt es vor, dass sich einer von Ihnen dazu entschließt, diesen Ort nicht mehr zu verlassen.

So ging es mir. Aufgewachsen bin ich im schnelllebigen und lauten New York und ich habe mich immer deplaziert dort gefühlt. Ich bin immer gerne gereist und plötzlich hat es mich in diesen kleinen Ort verschlagen, eigentlich  aber habe ich mich verfahren, habe die Stadt entdeckt und mich sofort verliebt. Es ist so persönlich hier, jeder kennt jeden und man ist freundlich zueinander.

Zu meinem Glück habe ich ein kleines Haus gefunden, mit Blick auf einen See, den ich nun jeden Morgen betrachten kann, bei einer Tasse Kaffee auf meiner Veranda.
Das Haus musste renoviert werden und da ich glücklicheres recht geschickt bin, habe ich das Meiste alleine geschafft.

Meine Familie hat mit großem Unverständnis reagiert und mir oft die Frage gestellt, warum ausgerechnet dieser Ort. Nun, die Antwort war immer die Gleiche: hier kann ich ich selbst sein und bin nicht nur einer von Tausenden. Hier begrüßt man sich mit Namen und wenn ich zum Essen einkehre in meinem Lieblingscafé, weiß die Besitzerin, was ich bevorzuge und niemanden stört es, wenn ich stundenlang mit einem guten Buch da sitze und einfach nur die Atmosphäre genieße.

Meine Schwester Isabelle hat mir die Frage gestellt, ob ich hier nicht einsam bin und ich musste sie sofort verneinen. Noch nie habe ich mich so zu Hause gefühlt, wie an diesem Ort und wenn sie mich manchmal besucht, kann ich sehen, wie sehr sie selbst die Ruhe genießt, auch wenn sie das niemals zugeben würde.

Ich hoffe, ich habe erstmal ihre Neugierde gestillt und würde nun meinerseits einige Fragen stellen.

Das, was mich seit Band eins beschäftigt, ist, was ist mit Carolines Mutter passiert? Sicher schreiben Sie darüber, dass diese verschwunden ist, als ihr Kind erst vier Jahre alt war, aber wo ist sie? Was bewegt einen Menschen sein Kind zurückzulassen, in der Obhut der grausamen Tante, die offensichtlich nicht erst mit dem Verschwinden ihrer Schwester so ein kalter Mensch wurde?

Zum Glück gibt es die Hausangestellte Helen, die Carolines Ersatzmutter ist und das Kind liebevoll aufzieht, aber warum hat eben diese nicht eine eigene Familie gegründet? Sie scheint ein toller Mensch zu sein, hat denn genau das nie ein Mann erkannt? Nicht mal, als Caroline schließlich erwachsen ist?

Ich hoffe, meine ersten Fragen werden von Ihren beantwortet und ich muss zugeben, schon jetzt kaum ihren Brief erwarten zu können. Bis dahin, mein lieber Mr. Bane.

Herzlichst Ihr
Alexander Lightwood

Written Letters  -Malec-Where stories live. Discover now