Kleider machen Leute!

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Kapitel 8

Und wieder, da war dieser ungezügelte Ton in ihrer Stimme mit diesem Akzent! „Wie ihr meint, Master Kenway. Wie wäre es dann mit einer ersten Lektion? Denn ich weiß immer noch nicht, was ihr jetzt von mir erwartet?" Ich rollte mit den Augen, zu spät bemerkte ich, dass ich es nicht unbemerkt getan hatte. „Bringt mir einfach meine Bücher, Feder und Tinte!" brachte ich dann doch eher verlegen hervor.

Und schon wieder bekam ich diesen so eigentümlichen Akzent zu hören mit den Worten, wenn sie dieses Mal auch schwerer zu verstehen waren „Und wo finde ich die Schreibutensilien?"

Und ich parierte ihre Stichelei gekonnt! „Ihr findet alles unten in meinem Arbeitszimmer! Mrs. Wallace wird es euch zeigen!" Ihr Blick war einfach... wie soll ich es ausdrücken... bezaubernd, denn damit hatte sie nicht gerechnet und war endlich sprachlos! Aber ich musste es doch noch, nur ein einziges Mal, testen! „Ist noch etwas? Soll ich euch vielleicht eine Wegbeschreibung mitgeben?" Doch ich konnte mir ein breites Lächeln nicht verwehren.

Und auch Mrs. Masterson konnte schwer an sich halten, ich sah es einfach an ihrer Haltung. Aber es machte sie einfach immer mehr... ja... ich konnte es nicht benennen. Sympathisch? Sie hatte etwas, das andere Frauen, denen ich bisher begegnet bin oder auch vorgestellt wurde, dank Lady Melanie, nicht hatten. WAS es war, konnte ich nicht sagen!

Mit einem entspannten Ausdruck im Gesicht verließ sie mein Schlafzimmer. Doch mir fiel ein, dass meine Tagebücher, nicht alle, denn ich hielt die ältesten unter Verschluss, in meinem Schreibtisch lagen. Jetzt wäre es die Probe aufs Exempel, ob diese Frau sich unter Kontrolle hat oder mich doch versucht zu hintergehen! Es dauerte eine Weile bis Alexandra wieder in meinem Zimmer erschien, aber sie hatte alles, um was ich sie gebeten hatte, dabei und reichte es mir. Sie zündete noch die zusätzlichen Kerzen an. Aber ich konnte mir diese Stichelei nicht abgewöhnen. „Ich hoffe, ihr konntet eure Neugierde stillen?" ich dachte, wenn ich ihr mit einem Hauch des Adlerblickes in die Augen blickte, wüsste sie, was ich meinte.

Aber ich konnte wirklich spüren, dass sie meine Tagebücher nicht gelesen hatte, sondern nur in der Hand gehalten hatte. Ich weiß nicht warum, aber ich SAH es förmlich in ihren Augen. Denn es lag eine Ehrlichkeit darin, die ich vorher nicht gesehen hatte.

Trotzdem rutschte mir „Dann muss ich euch das wohl so glauben!" Aber ich sah sie plötzlich mit anderen Augen, im wahrsten Sinne des Wortes! Irgendetwas an diesem Abend war anders. Ich konnte es nicht deuten oder benennen. Als sie jedoch hinüber ins Ankleidezimmer ging, wurde ich stutzig und fragte, was sie denn vorhätte. Denn ich dachte, sie wollte sich schon zurück ziehen. Dafür war es definitiv zu früh und ... ich wollte ehrlich gesagt nicht ohne Gesellschaft hier liegen.

„Was denkt ihr, Master Kenway? Ich gehe meiner Arbeit nach, so wie ihr es vermutlich auch angedacht hattet!" Und wieder dieser zynische Unterton, welchen ich von meinen Angestellten nicht kannte. Sie hatte zu lernen, das stand fest. Für heute war es aber genug.

Mrs. Masterson hatte zwei meiner beschädigten Hemden in den Händen und fing an, diese zu flicken. Oder besser, sie sah sie staunend an. Täuschte ich mich, oder hatte sie einen ungläubigen Ausdruck in den Augen? Diese Kleidungsstücke waren keine Weltneuheit, soweit ich wusste! „Mrs. Masterson, ihr seht gerade aus, als hättet ihr zum aller ersten Mal ein Männerhemd in Händen!" äußerte ich meine Gedanken laut!

„Zumindest ist es eines, welches von sehr guter Qualität ist und so etwas habe ich tatsächlich so noch nie gesehen." Sie räusperte sich und ich nahm an, dass sie einfach in der Vergangenheit keine solche Ware in den Händen hielt.

„Ich lege schon wert auf ordentliche saubere Kleidung." erklärte ich Mrs. Masterson nicht ohne einen gewissen Stolz, denn nicht jeder konnte es sich leisten.

„Das sieht man durchaus, Master Kenway. Wenn ich etwas fragen dürfte?" Was kam denn jetzt auf einmal, ich wappnete mich für das Schlimmste, sagte aber nur „Ja, immer raus damit?"

„Euer Gehrock, der blaue, den ihr die Tage anhattet. Aus was für einem Material ist dieser gemacht? Er ist unglaublich schwer! Aber sehr gut verarbeitet. Ihr habt ihn sicher nicht hier anfertigen lassen?" Wie kam Alexandra bitte jetzt auf meine offizielle Kleidung für Kämpfe zu sprechen? Und, was interessierte sie an dem Material. Es war einfach ein sehr fester Stoff, welcher an die Ornate der Assassinen angeglichen wurde... und plötzlich dämmerte es mir. Aber... Nein, das konnte nicht sein. Wir hatten ihr Hab und Gut durchsucht, es waren keinerlei Spuren der Assassinen zu finden gewesen. Dennoch war ich mit meiner Antwort vorsichtig.

„In der Tat, diesen habe ich im Ausland fertigen lassen. Genauer gesagt in Frankreich!" Denn ich hatte über Reginald einen Schneider ausgemacht, der sich darauf spezialisiert hatte.

„Die Franzosen verstehen ihr Handwerk, wenn es um das Ankleiden geht!" Immer noch ein wenig verträumt sah sie sich dieses Hemd an.

„Das stimmt. Aber, wie kommt ihr darauf? Es ist eine etwas ungewöhnliche Frage!"
Und wie immer hatte sie eine passende Erklärung parat!

„Als ich ihn in eurem Ankleidezimmer weg hängen wollte, ist mir dieser schwere Stoff aufgefallen und es ließ mir irgendwie keine Ruhe! Verzeiht meine Neugierde!" Ich musste aufgrund dieser doch plötzlich nicht mehr so losen Zunge lächeln!

Irgendwann fielen mir die Augen so langsam zu und ich sah, dass auch Mrs. Masterson ihr Gähnen nicht mehr unterdrücken konnte. Also entließ ich sie in ihre wohlverdiente Nachtruhe und mich selber auch.

Ein Gedanke blieb aber hängen. Sie hatte einen wunderschönen Mund und diese Augen waren etwas ungewöhnlich und strahlten etwas aus, was ich nicht benennen konnte. Sie ging mit den Worten, dass sie mir eine angenehme Nachtruhe wünsche hinüber und schloss leise die Tür.

Und ich saß in der Dunkelheit meines Schlafzimmers und wurde einfach nicht schlau aus dieser Frau!

Irgendwie wurde ich mitten in der Nacht wach und konnte nicht wieder einschlafen. Meine Kopfschmerzen hatten sich ein wenig verflüchtigt und ich fühlte mich etwas besser. Also stand ich auf, um an meinem Schreibtisch hier zu arbeiten. Doch ich kam nicht weit, der Schwindel überkam mich so plötzlich, dass ich hinfiel und mir schmerzhaft das Knie anschlug.

Mrs. Masterson war in einem Tempo bei mir, dass ich schon dachte, sie hätte darauf gewartet. Sie kniete neben mir und tadelte mich. „Master Kenway, was macht ihr denn? Ihr sollt noch nicht alleine aufstehen. Soll ich lieber nach eurem Kammerdiener rufen? Ich werde euch leider nicht alleine stützen können."

Ich versuchte zu erklären, dass ich mich besser fühlte und dachte ich könnte aufstehen. Ich lehnte mit dem Rücken an meinem Bett und Alexandra kniete vor mir und sah mich besorgt an. Als ich sicher war, wenigstens wieder ins Bett zu können, half sie mir auf und ich ließ mich auf die Bettkante sinken. Ich bat sie, mir das Wasser zu reichen. Denn mein Hals war wie ausgetrocknet.

„Hier, Master Kenway. Aber bitte in kleinen Schlücken! Nicht dass euch wieder schlecht wird." ermahnte sie mich. Ich musste dabei doch grinsen. Sie blieb neben mir sitzen, bis ich den Becher geleert hatte, nahm ihn mir ab und ich ließ mich wieder in die Kissen gleiten. Und dann sah ich nur, wie sie hastig die Bettdecke über mich legte mit einem hochroten Kopf, den ich in diesem halbdunkel schon fast leuchten sehen konnte! Ich sagte aber nichts, denn ich war wieder zu müde und schlief auch sofort wieder ein.

Ich wurde kurze Zeit später wieder wach, weil ich wieder den Eimer brauchte. Hörte das auch endlich einmal auf. Und wieder war Mrs. Masterson prompt zur Stelle, ich musste es ihr lassen. Durchhaltevermögen besaß sie, genau wie Geduld, so dachte ich zumindest. Irgendwann schlief ich wieder ein.

Die Tagebücher des Haytham E. Kenway - Die verlorenen Seiten - Part 1Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt