Ich weiß, was am besten für mich ist!

31 4 0
                                    

Kapitel 6

„Was glaubt ihr eigentlich, was ihr hier macht? Wie könnt ihr es wagen, so mit Master Kenway zu sprechen! Was ist in euch gefahren, zum Teufel noch eins!" er schrie diese Frau förmlich an, er war außer sich. Genau wie ich auch. Sie starrte aber weiterhin auf ihre Füße, ob nun aus Angst oder anderen Gründen, es war eigentlich egal. Mit brüchiger Stimme versuchte sie eine Erklärung, aber es kam nur ein „... ich weiß es nicht" aus ihrem Mund. Und wieder ertappte ich mich, trotz der Kopfschmerzen dabei, wie ich auf diesen Mund starrte. Es war Cormac, der sie jetzt wieder zurecht wies! „DAS ist keine akkurate Antwort auf meine Frage!" bellte er zurück. „Ihr solltet euch für euer Verhalten entschuldigen und lasst euch gesagt sein, euer Lohn für die nächste Woche ist ebenfalls damit gestrichen!" Ihrerseits stotterte sie nur noch, vermutlich war sie zu eingeschüchtert. Sie war eingekesselt von uns und hatte keine Chance hier einfach so zu entkommen.

Doch ich riss mich zusammen und als ich mich nur kurz bewegte durchzuckten mich wieder diese wahnsinnigen Schmerzen und ich verfiel in eine Wut auf mich und meinen Körper, welche ich aber an dieser Frau ausließ! „Mrs. Masterson, wenn ihr euch außerstande seht, euren Pflichten hundertprozentig nachzukommen, dann solltet ihr über eine Kündigung nachdenken!"

Ich konnte sprichwörtlich in ihrem Gesicht lesen, dass sie ihre Wut und ihren Hass gegen uns alle und vermutlich am meisten gegen mich, zügeln musste. Und es kam eine zögerliche Entschuldigung mit zusammen gebissenen Zähnen ... doch... Sie setzte ein ABER dahinter. In diesem Moment sah ich im wahrsten Sinne des Wortes Rot. Wie konnte dieses Weib es wagen, mir so eine Frechheit ins Gesicht zu sagen. Wobei, sie schaute eher durch mich hindurch! Und wieder versuchte sie eine Entschuldigung! „Sir, es ist mir nur herausgerutscht. Ich kann nur sagen, dass es mir aufrichtig leid tut. Es wird nicht wieder vorkommen."

Aufrichtig? Das war einfach nur gelogen! Ich ließ sie meinen Unmut über diese lapidare Entschuldigung spüren! „Aufrichtig sagt ihr! Das klingt, als wolltet ihr mich auf die Probe stellen. Aufrichtig ist an dieser Entschuldigung NICHTS. Das kann ich euch versichern!"

„Master Kenway, was soll ich denn sonst sagen, als das es mir leid tut? Was wollt ihr denn noch hören?" Das fragte sie nicht allen Ernstes jetzt auch noch? Für wie dumm hielt sie uns eigentlich. Aber es war Shay, der sich jetzt meldete. Und ich sah, dass er so allmählich seine Geduld verlor! „Wie wäre es, wenn ihr endlich einmal ehrlich wärt?" In der Hoffnung, dass dieses Weib jetzt endlich reden würde, sah ich sie an und bemerkte, dass der Ire sie genau wie ich auch musterte. Doch meine Kopfschmerzen ließen das nicht zu, denn ich spürte sofort diesen Brechreiz. Es war zum Verrückt werden!

„Master Cormac, ich war ehrlich! Was habe ich getan, dass ihr mich der Lüge bezichtigt? Ich sage die Wahrheit!" War das etwa eine ernst gemeinte Frage? Aber Shay klärte sie jetzt über den weiteren Verlauf auf.

„Das werden wir ja bald sehen. Bis dahin werdet ihr das Haus nicht mehr verlassen! Und euer Sohn wird mich auf der Morrigan begleiten, vielleicht kommt ihr dann zur Vernunft!" Entsetzen trat in ihre Augen und zum ersten Mal, seit sie dieses Zimmer wieder betreten hat, sah sie in totaler Panik von einem zum anderen. Ich war leider nicht fähig, sie aufzuhalten, aber ich sah, wie sie sich mit einem Male umdrehte und Charles zur Seite stieß und zur Tür hechtete. Doch Gott sei Dank war Shay so geistesgegenwärtig und hielt sie auf!

Master Cormac war geschickt, das musste ich ihm lassen. Er hatte den Arm von Mrs. Masterson so auf den Rücken gedreht, dass es für sie unmöglich war, sich zu bewegen. Ansonsten würde sie sich selber verletzen. So stand er dicht hinter ihr und ich hörte wie er ihr nur ein „Na na ... wohin so eilig? Wir sind hier noch nicht fertig!" zuraunte.

Auch Charles hatte sich wieder gefangen und funkelte Alex mit einem Zorn an, der schon unheimlich war, gleichzeitig sah ich aber noch etwas anderes in seinen Zügen, etwas was ich nicht deuten konnte!

Jetzt fing sie an zu stammeln und zu betteln, man möge sie loslassen. Shays Antwort war lediglich, dass er es erst tun würde, wenn sie den Mund aufmachte und sagte, was wir hören wollten.

„Ich habe nichts getan, verdammt. Ich lüge nicht, ich habe die Wahrheit gesagt. Und es tut mir wirklich leid, was ich vorhin gesagt habe!" Sie blieb wirklich standhaft! Charles mischte sich mit einer eher unpassenden und süffisanten Art ein. „Ihr habt ein ziemlich loses Mundwerk, Mrs. Masterson!"

Doch Shay lockerte den Griff und drehte die Frau herum. Ich hatte mich auf der Bettkante abgestützt und mich überkam wieder dieses überwältigende Schwindelgefühl. Doch ich riss mich jetzt zusammen, schlimmer konnte es nicht werden! Meinen nächsten Satz bereute ich ein wenig, denn er kam unfreundlicher über meine Lippen, als ich es wollte.

„Was sollen wir nur mit euch machen? Vielleicht noch eine Chance geben?" Charles und Cormac mussten dann doch lachen und es war nicht wirklich meine Absicht gewesen! Jetzt hatte ich es gesagt, also blieb ich standhaft! „Nein, ich denke, das Beste wäre es, wenn ihr euren Dienst in meinem Haushalt weiter verrichtet und endlich euren Pflichten vernünftig nachkommt. Da Master Cormac ja jetzt vermutlich ein paar Tage nicht anwesend sein wird, werdet ihr hier nicht gebraucht! Und ihr werdet mein Haus ebenfalls nicht ohne Erlaubnis und Begleitung verlassen! Und zwar solange, bis ich sicher sein kann, dass ihr wirklich die Wahrheit gesagt habt!"

Ein paar Mal sprach Shay Mrs. Masterson an, doch sie reagierte nicht, sondern starrte mich an! Plötzlich reagierte sie. „Wie... ihr meint.... jetzt sofort? Aber Master Kenw..." Aber ich ließ sie nicht zu Wort kommen, denn ich wollte in meine eigenen vier Wände und das so schnell wie möglich! Und so brach wieder mein Templer-Ich aus mir heraus! „Ich sagte bereits, ich kann sehr wohl für mich selber entscheiden! Und jetzt tut das, was man euch sagt und packt!"

Charles flüsterte ihr noch etwas ins Ohr, was ich aber leider nicht verstand, ihr Blick sagte aber alles. Als Master Cormac mit dem Zimmermädchen zum Packen unterwegs war, musste ich Lee bitten mir beim Einkleiden zu helfen. Es war mir einfach nicht möglich, länger als fünf Minuten zu stehen. Meine Beine gaben unter mir einfach nach und dieser Schwindel tat den Rest. Zuhause würde ich mich einfach hinlegen und eine Nacht schlafen, dann wäre alles wieder besser.

Doch Master Lee stellte sich in meinen Augen ungeschickter an, als ein Kleinkind beim Anziehen. Mehrmals wäre ich fast gestürzt, aber er konnte mich festhalten. Als ich dann Schweißgebadet endlich aus dem Zimmer kam und auf die Treppe zuhielt, dachte ich noch, dass es keine gute Idee wäre. Doch jetzt stand ich hier und wer wäre ich, wenn ich mir jetzt Schwächen eingestehen würde. Also riss ich mich wieder zusammen und schaffte es, meinen Atem unter Kontrolle zu bringen und dieses Schwindelgefühl zu unterdrücken. Ich sah dieser Frau die ganze Zeit in die Augen und konnte ihren amüsierten Gesichtsausdruck beinahe schon auf mir spüren!

Unverschämtes Frauenzimmer, aber ich würde sie ja für einige Tage unter meiner Kontrolle haben, dann würden wir ja sehen, wer das letzte Wort hat! Am Fuße der Treppe war ich heilfroh, dass nichts passiert ist und Charles führte mich an Master Cormac und Mrs. Masterson vorbei, welcher ich einen möglichst bösen Blick zuwarf.

Draußen vor der Kutsche weiß ich nur noch, dass ich grelle Blitze vor den Augen hatte und dann nichts mehr!

Ich wurde erst wieder in meinem eigenen Bett wach! Und zwar von zwei Frauenstimmen, die sich über meinen Gesundheitszustand unterhielten, ohne mich einzubeziehen. Und meine Haushälterin wollte doch tatsächlich über meinen Kopf hinweg bestimmen, WAS mit Mrs. Masterson passierte. Soweit kommt es noch. „Mrs. Masterson wird in dem Ankleidezimmer nebenan einquartiert, Mrs. Wallace! Doktor Ambrosch hat darauf bestanden, dass ich jemanden in meiner Nähe habe, gerade Nachts." Beide Damen sahen mich überrascht an, sie hatten wohl nicht damit gerechnet, dass ich so schnell wieder wach wurde.

Es war Mrs. Masterson die mich mit offenem Mund anstarrte und erwiderte: „Aber Master Kenway, ist das nicht etwas übertrieben. Ich werde doch sicher kein Zimmer beziehen, welches sich weit weg befindet. Oder Mrs. Wallace?" Sie sah zu meiner Haushälterin hinüber, doch auch diese konnte ihr nicht helfen, denn es war so wie ich es sagte. Und wieder spürte ich diese Freude, sie provozieren zu können. Als die beiden Frauen dann nach unten gingen und mein Kammerdiener erschien, war ich froh, dass ich frische Sachen anziehen konnte. Ich fühlte mich mittlerweile einfach nur noch unwohl.

Alexandra erschien nach einer Weile wieder in meinem Schlafzimmer und sah sich nach dem polternden Geräusch aus dem Ankleidezimmer um. „Euer Nachtlager wird gerade fertiggestellt. So habe ich euch auf jeden Fall im Auge und ihr könnt nicht auf dumme Gedanken kommen!" Und wieder starrte sie mich für einen Moment so seltsam an! Und dann kam ihr loses Mundwerk wieder durch!

„Ich höre es bereits. Und glaubt mir, da ich nichts zu verbergen habe, ist es mir gleich wo ich übernachte. Solange ich wenigstens zum Waschen ein wenig Privatsphäre habe, soll es mir recht sein!" Die könnte ich ihr auch noch nehmen, schoss es mir durch den Kopf, aber ich verdrängte diese Phantasie! Ich brachte nur ein „Wir werden sehen" hervor.

Die nächste Frage war wieder unnötig, aber auch Mrs. Masterson stichelte was das Zeug hielt. „Ja, das werden wir, Master Kenway. Und jetzt? Was kann ich für euch tun?" Diese Frau stand mit einer solch provokanten Geste an meinem Bett, dass ich ihr am liebsten eine schallende Ohrfeige verpasst hätte. Gehorsam kannte sie nicht, das war mir mittlerweile klar! Aber ich versuchte mich zu beruhigen und bat sie, den Tee hinauf zubringen, den Mrs. Wallace sicherlich schon fertig haben sollte! Mit einem abfälligen Blick und einem Knicks ging sie hinunter.

Die Tagebücher des Haytham E. Kenway - Die verlorenen Seiten - Part 1Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt