Warum der Begriff Krankheit so schwierig ist

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Ich habe es in mehreren Kapiteln bereits gesagt: Psychische Krankheiten sind Krankheiten. Sie sind ernst zu nehmen. Es handelt sich nicht um Übertreibungen, Phasen oder Aufmerksamkeitsheischerei. Es sind Krankheiten.

Aber der Begriff ist im Bezug auf die Psyche manchmal nicht so einfach. Es ist nicht leicht ihn anzunehmen und kann gleichzeitig zu weiteren Problemen führen.

Das Gute an dem Begriff Krankheit

Es hilft eine medizinische Diagnose zu haben. Es validiert das eigene Problem und der Beschreibung von psychischen Problemen als Krankheit hat in der Gesellschaft viel bewirkt, was deren Akzeptanz betrifft.

Krankheit ist nicht freiwillig. Krankheit ist therapier- bis heilbar. Krankheit ist anerkannt. Es ist medizinisch und nicht nur "im eigenen Kopf".

Gerade bei Verwandten, Freunden und Bekannten, mit denen man nicht all zu tief über die eigenen Gefühle spricht, hilft es, sagen zu können: "Hey, ich habe eine Krankheit, ich tu das nicht, weil ich das möchte. Es geht mir nicht gut, ich kann das gerade nicht." Es hilft Leuten einen Zustand zu akzeptieren, ohne sich wirklich mit tiefgehend mit einem Problem beschäftigen zu müssen. Es schafft einen Raum, der es für Betroffene einfacher macht.

Wer psychische Probleme ein Mal als Krankheit akzeptiert, der ist einen guten Schritt näher dran, nicht negativ auf gewisses Verhalten von Betroffenen zu reagieren und es macht zwischenmenschliches mit der betroffenen Person um einiges einfacher.

Psychische Probleme als annerkannte Krankheit ermöglicht es auch Hilfe für das eigene Problem in Anspruch zu nehmen, kann finanzielle Unterstützung für Therapie bedeuten und spezielle Ansprüche auf Hilfen im Bezug auf Ausbildung zu haben.

Das Problem mit dem Begriff Krankheit

Leider schafft der Begriff Krankheit auch einige Fallen, gerade wenn es um die Kommunikation geht. 

Wie oft habe ich Sätze gehört, wie "Hey, du bist krank. Du kannst das nicht machen/schaffen." Während das gut gemeint ist, kann es auch verletzend sein, wenn gewisse Situationen auf das Wort "krank" reduziert werden oder einem deshalb gewisse Fähigkeiten abgesprochen werden. Wenn etwas schief läuft, wird oftmals der Krankheit die Schuld gegeben. Manchmal dabei auch andere Dinge ignoriert.

Es kann auch verletzend sein, als "krank" abgestempelt zu werden; schlimmer noch sind Ausdrücke wie "krank im Kopf".
Der Unterschied zwischen einer physischen Krankheit und einer psychischen Krankheit ist aber, dass eine psychische Krankheit nicht gänzlich separiert von der eigenen Person ist. Manchmal weiß man als Betroffener selbst nicht ganz, wo die eigene Person und Angewohnheiten aufhören und der krankhafte Teil beginnt. Psyche ist irgendwo auch Persönlichkeit und wenn ein Teil von einem als "krank" abgestempelt wird, kann das zu Missverständnissen führen. Man ist immer noch ein normaler Mensch und in manchen Situationen will man lieber als solcher gesehen werden als ein Haufen an Problemen.

Auch kann es einem das Gefühl geben, man sei irre. In unserere täglichen Sprache werden die Worte "irre" und "krank" oftmals als Synonym benützt und können die unterschwellige Bedeutung von "abnormal" bis "abstoßend" annehmen. "Das ist doch krank", haben wir alle schon oft genug gesagt. Der Sprung zu "du bist krank", ist nicht weit. Während man das mit einer Grippe einfach hinnimmt, ist das bei Psyche oftmals schwerer. Dabei spielt gerade in Anfangsstadien oder in Zeiten, wo man mit der eigenen Akzeptanz kämpft oder eine Diagnose noch verleugnet oder gar ablehnt, so etwas eine große Rolle. Da kann es schon mal sein, dass eine gut gemeinte Aussage wie "hey, du hast eine Krankheit, das ist nicht deine Schuld", mit der kalten Schulter oder Gezicke begegnet wird, weil man selber noch nicht soweit ist, das einzusehen.

Es kann also auch verletzend sein. Es sei gesagt, dass viele psychische Probleme oftmals mit einem Kampf mit dem eigenen Selbstwert kommen. Aber Psyche ist wie gesagt auch irgendwo ein Teil der Persönlichkeit (die Grenzen sind hier fließend) und wenn einem dann gesagt wird, der Teil von einem, der der anderen Person gerade nicht gefällt, sei separiert und krank? Ich sage nur AUA!

Ich habe in einer meiner Beziehungen auch schon Dinge gesagt bekommen wie: "Wenn deine Krankheit nicht wäre, wäre alles gut." oder "Bekomm das in den Griff, dann können wir wieder schauen." Ja, als ob ich das mag, oder als ob ich die Krankheit einfach abschalten könnte. Ob ich es will oder nicht: meine Erfahrungen und damit auch meine posttraumatische Belastungsstörung sind ein Teil von mir, ein Teil meiner Person und auch wenn es möglich ist, soetwas in den Griff zu bekommen und mit gewissen Situationen umgehen zu lernen, wird es nie einfach "geheilt" sein und verschwinden.

Krankheit und Medikamente

Auch hier ist eine Stolperfalle im Bezug auf den Begriff Krankheit versteckt. Krankheit ist heil- und therapierbar. Das macht es aber für Ausenstehende manchmal einfach zu glauben, dass es mit Tabletten getan ist. Auch Ärzte tätigen diese Aussage manchmal. Hier steckt auch viel Stigma drinnen.

"Es wird nicht besser, wenn du nichts nimmst" haben wir im Bezug auf Grippe alle schon gehört. Leider wird er auch all zu oft auf psychische Probleme angewandt – und wer das Kapitel über Medikamente gelesen hat, weiß, dass das mit der Psyche nicht so einfach ist. Ein Medikament macht eben nicht alles gut.

Hier habe ich auch schon stundenlange Streitgespräche – gerade auch mit meinen Eltern – gehabt, wenn Medikamente es für mich nur noch schlimmer gemacht haben und ich entschieden habe, sie abzusetzen. Die Antwort war immer: "Willst du das wirklich? Ohne Medikamente wird es nicht besser. Ein anderes Präparat hiflt dir sicher." Klar, da spielt viel Angst und Sorge mit, dass ich einen Rückfall erleide. Bei mir – und ich weiß dass es auch bei anderen so ist – rufen solche Aussagen aber auch oft Widerwillen und vor allem das Gefühl nicht verstanden zu werden hervor. Ein Medikament allein ist nicht die Lösung – vor allem nicht, wenn das Präparat oder die Kombination, die man gerade nimmt, Nebenwirkungen hat, mit denen man nicht leben oder umgehen kann. Aber bei einer Krankheit muss es doch ein Medikament geben, oder?


Ich glaube man merkt schon: Ich habe so meine eigenen Probleme mit dem Wort und auch wenn es oftmals hilfreich ist und es viel bewirkt hat, was die Gesellschaft angeht, ist es meiner Meinung nach doch mit Vorsicht zu genießen. Vielleicht sind es auch meine schlechten Erfahrungen (siehe Beispiele), oder ich bin empfindlich, aber manchmal sträubt sich alles in mir, das Wort Krankheit anzunehmen.


Let's talk - Du bist nicht allein!Where stories live. Discover now