Diagnose: Was ist das? Wie funktioniert das?

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Von einer depressiven Phase oder einer depressiven Verstimmung wird schnell geredet und man wird schnell vom eigenen Umfeld damit diagnostiziert oder diagnostiziert sich selbst.

"Ach, du bist nur ein wenig depressiv. Das vergeht schon wieder. Ja, du hast ne Depression, das ist normal."


Als Teenager mit Depression oder anderen psychischen Krankheiten wird man oftmals noch weniger ernstgenommen. Es ist ja nur eine Phase. Man macht aus einer Mücke einen Elefanten. Pubertät ist keine Krankheit .

Bla, bla, bla.


Liebe Eltern, Lehrer, Freunde, Verwandte und Bekannte,

Psychische Krankheiten sind Krankheiten, die oftmals wellenartig kommt, aber für die es medizinische Tests und Diagnoseverfahren gibt. Nur weil die Krankheit äußerlich nicht sichtbar ist, heißt es nicht, dass es weniger schlimm ist. Nur, weil es dem Betroffenen manchmal besser und manchmal schlechter geht oder weil der Betroffenen gelernt hat es gut zu verstecken, heißt das noch lange nicht, dass die Person nicht krank ist, simuliert, "nur Aufmerksamkeit will" (ich glaube, jeder Betroffene kennt den letzten Satz) und was es sonst noch an schönen Aussagen gibt.

Wenn ich Fieber habe und es geht nicht weg, gehe ich zum Arzt. Wenn es mir länger aus unerklärlichen Gründen nicht gut geht, gehe ich zum Arzt. Wenn ich daran zweifle, ob oder was jemand hat, schicke ich die Person zum Arzt.

Warum ist das bei psychischen Problemen so schwer? Warum glaubt jeder, psychische Krankheiten selbst diagnostizieren zu können?

Ja, zum einen ist das Stigma, um darum, dass der Glaube, psychische Krankheiten seien nicht existent, in der Bevölkerung nach wie vor weit verbreitet ist. Aber auch persönliche Gründe spielen oftmals eine Rolle.
Ich bin nicht krank. Ich gehöre nicht in eine Psychiatrie. Ich bin doch nicht irre. All das sind Sätze, die sich viele wahrscheinlich selbst schon gesagt haben. Das vor sich selbst zuzugeben ist oftmals noch schwer genug. Und dann noch einer fremden Person (aka dem Arzt) davon zu erzählen, scheint für viele unmöglich. Zu viel muss man von sich selbst Preis geben, zu viele Verletzlichkeit muss man zulassen.

Der Schritt zum Arzt ist also schwer. Auch wenn – oder vielleicht gerade wenn – man dorthin geschickt wird, weil man ja nicht normal sei.

Also Doktor Internet – oder bei Fremdmeinungen oft das, was sie so gehört haben. Man googelt gewisse Dinge, sieht sich ein paar Dokus an und glaubt dann zu wissen was man hat. Ich sage nicht, das sei schlecht. Es gibt einen Anhaltspunkt, wo man steht. ABER – und das ist das große Aber – es ist keine Diagnose – und damit hat man keine Möglichkeiten zu einer Therapie - und diese Art der Selbstdiagnose lässt oftmals Leute, die diese Krankheit wirklich haben, in Verruf geraten, eben weil Dinge mangels besserem Wissen aus Eigeninterpretation falsch dargestellt werden.
Vor allem ist es nichts, womit man Medikamente bekommt oder ernsthaft an etwas arbeitet.

Warum Diagnose so wichtig ist?

Fachärztliche Diagnose ist aber genau aus den oben genannten Gründen wichtig. Ohne eine Diagnose kann einem schwer geholfen werden. Auch wenn der Weg dahin nicht leicht ist, es öffnen sich einem Türen, wenn man dieses Blatt Papier erst ein Mal hat. Ein klinischer Psychologe weiß, wo ansetzen, kann gezielt Fragen stellen, Dinge benennen, ohne im Dunklen fischen zu müssen. Ein Psychiater kann Medikamente verschreiben (warum die gar nicht so schlimm sind, später mehr) und ein Hausarzt verschreibt andere Medikamente vielleicht nicht, weil sie im Konflikt mit der Diagnose stehen.

Auch in der Schule, dem Studium und in der Arbeit gibt einem eine offizielle Diagnose einem Möglichkeiten und Ressourcen. Hast du zum Beispiel gewusst, dass eine psychische Krankheit als Beeinträchtigung gelten kann? Das bedeutet, dass du in der Schule mit einem Schreiben des Arztes zum Beispiel in gewissen Aspekten milder beurteilt wirst.
Im Studium geht es sogar noch ein Stückchen weiter – dort nehmen sich oftmals die Organisationen für Barrierefreies Studieren dem Problem an. Man kann nicht nur mündliche durch schriftliche Prüfungen ersetzen (zB bei extremer Sozialphobie), sondern es auch ehrlich sagen, wenn man wegen einer Panikattacke oder vielleicht einer Zwangsstörung ein Mal nicht das Haus verlassen und zur Pflichtveranstaltung erscheinen kann, ohne dass es Probleme bereitet. Die Regelungen müssen natürlich individuell mit der Organisation vor Ort abgesprochen werden.
Aber auch in der Arbeitswelt oder im Leben allgemein kann es Erleichterungen bedeuten, eine fachärtzliche Diagnose zu haben. Das geht von steuerlichen Vorteilen und Absetzungen bis hin zu Betrieben, die teils schon eigene Beauftragte für solche Fälle haben. Je nach Diagnose und Art der Beeinträchtigung gibt es teils auch Förderungen.

Ein Leben mit einer psychischen Krankheit ist herausfordernd genug. Man muss es sich nicht noch schwerer machen, indem man die Unterstützung und Hilfen, nicht in Anspruch nimmt.

Wie funktioiert eine Diagnose?

Eine Diagnose ist nichts, wovor man Angst haben muss. Meist inkludiert es ein Blutbild, um organisches auszuschließen und Mangelerscheinungen abzuklären (Mangel an gewissen Mineralstoffen und Vitaminen sind selten eine alleinige Erklärung, aber sie können manche Zustände verschlimmern). Wichtiger ist aber das Gespräch mit einem Facharzt.

Dabei werden erst Mal die Symptome benannt (zB Schlaflosigkeit, Nervosität, Angstzustände) und danach werden gezielt Fragen gestellt. Oftmals nach Fragebögen, die bei der Diagnose helfen und gewisse Indikatoren und Ausprägungen überprüfen. Auch wenn das körperlich nicht weh tut, kann es einen psychisch doch sehr mitnehmen, weil es einen mit gewissen Dingen konfrontiert, über die man vielleicht nicht sprechen will, aber zugeben muss, damit eine Diagnose möglichst genau wird. So ein Gespräch kann mehrere Stunden dauern oder auf mehrere Sitzungen aufgespalten sein.

Es ist nicht einfach, aber es ist ein wichtiger Schritt in Richtung Besserung.


Let's talk - Du bist nicht allein!Where stories live. Discover now