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Immer wieder sah ich das gleiche.

Das gleiche Zimmer, das gleiche Bett, die gleichen Poster, das gleiche Regenprasseln. Auf dem Bett lag die Gestalt eines Mädchens. Sie hatte Dichte Wimpern und ihre Lippen waren blass. Sie trug einen Hoodie und eine schwarze Leggings, ihre Füße hingen nackt vom Bettrand. Die Tränen tropften über ihre Schläfen. Es war ich, wie ich die Decke anstarrte und die Minuten zählte.

Die leere Dose stand auf dem Nachttisch, in ihr waren Tabletten, die nun in meinem Magen waren. Langsam breitete sich ein Kribbeln in meinem Körper aus. Es wanderte von meinen Zehen, bis in meine Fingerspitzen. Das Kribbeln wandelte sich zu Schmerz, und der Schmerz wandelte sich in Übelkeit. Mir wurde schwarz vor Augen, und ich musste mich übergeben. Mir war kalt, aber ich schwitzte. Krämpfe durchzogen verschiedene Teile meines schwachen Körpers.

Wie jedes mal sah ich die Szene wie ein Zuschauer. Ich stand in der hintersten Ecke des dunklen Zimmers, und konnte mich nicht bewegen. Ich sah mir selbst dabei zu, wie ich die Tabletten schluckte, und ihre Wirkungen zu spüren bekam. Irgendwann stoppte alles, und das Zimmer verschwand für ein paar Minuten. Danach kam es wieder und alles fing von vorne an.

Das einzige was ich wusste war, dass ich wegen diesen Tabletten jetzt hier war. Aber ich wusste nicht, wo ich war. Ich konnte nicht sagen, wie lange das jetzt schon so ging. Es hörte einfach nicht mehr auf.

Ich wartete darauf, dass das Zimmer wieder erschien. Aber es kam nichts. Es kam nicht wie jedes Mal wieder, stattdessen war ein Piepen zu hören.

Gleichmäßig piepte es weiter, als ich einen stechenden Schmerz in meinem Kopf warnahm. Was war denn jetzt los?

Das Piepen wurde lauter, und auf einmal konnte ich meinen Körper wieder fühlen. Wie auf einen Schlag kehrten meine Sinne zurück. Der stechenden Geruch von Desinfektionsmittel stieg mir in die Nase. Ich konnte ein seltsames Gefühl um meinen Mund und meine Nase herum wahrnehmen, als in dort etwas schon seit langem lag.

Immer mehr konnte ich meinen Körper spüren. Es war hauptsächlich mein Kopf, der Schmerzte, aber auch mein Magen fühlte sich ungut an. Über Stunden hinweg fühlte es sich so an, als ob mich jemand gewaltsam in meinen Körper schieben würde.

Ob ich mich wohl bewegen konnte?

Ich strengte mich an, meine Augen zu öffnen, aber es kam nichts. Nach einigen Versuchen konnte ich meinen rechten Daumen bewegen, und nach ein paar weiteren Minuten meine ganze Hand. Schließlich gab ich mir einen Ruck und riss meine Augen auf. Ich sah weiß.

Na toll, das Krankenhaus.

Ich sah mich etwas um, bis die Tür geöffnet wurde. Hinein kam eine Frau mit einem Wagen, auf dem mehrere Waschlappen lagen. Sie seufzte kurz und sah dann mich an. Ihre Augen weiteten sich, und sie rann aufgeregte wieder aus dem Zimmer.

"Sie ist wach!" Mehr konnte ich nicht verstehen, denn auf einmal kamen ein Doktor und zwei Schwestern hinein gerannt. Ich konnte nur verschwommen sehen, also konnte ich ihre Gesichter nur verschwommen erkennen.

Vorsichtig setzte der Arzt sich neben mich auf einen Hocker, während die Schwestern irgendetwas an den Maschinen verstellten.

"Ich bin Dr. Choi, dein Arzt. Du lagst zwei Wochen lang im künstlichen Koma, und befindest dich momentan in Seoul. Deine Eltern haben sich für einen Neuanfang entschieden, deswegen seid ihr umgezogen."

Die verschwommenen Umrisse wurden etwas schärfer, und ich konnte einen Mann mittleren Alters erkennen.

"Kannst du bitte versuchen, deinen Arm anzuheben?"

Ich hob meinen Arm mit viel Kraft an. Er nickte und gab mir dann weitere Anweisungen, die ich befolgte. Er nickte erneut.
"Denkst du, du kannst alleine atmen?"

Ich nickte leicht, und er entfernte die Atemmaske von meinem Gesicht. Vorsichtig holte ich einmal tief Luft und stoß diese wieder auf. Er sah mir etwa eine Minute lang prüfend zu, bis er die Atemmaske weglegte und den Schwestern sagte, dass sie alle Maschinen ausschalten könnten.

Als es nur noch wir beide im Zimmer waren, fing er wieder an zu reden.

"Kannst du mir deinen Namen sagen?"
"Lee Minah."

Meine Stimme klang etwas kratzig.

"Gut. Deine Eltern wurden Informiert, dass du wach bist, und sollten bald da sein. Wie fühlst du dich?"

Wie ich mich fühlte? Wie der letzte Dreck. Ich wollte mich selbst umbringen, ich dummes Kind. An meine Eltern hatte ich gar nicht gedacht. Ich dummes dummes Mädchen. Soll es mir eben schlecht gehen, da muss ich nicht auch noch ihnen das Leben schwerer machen.

"Ich fühle mich... Ziemlich scheiße."
Er lächelte leicht und half mir dann, mich aufzusetzen. Seine eine Hand legte er auf meinen Rücken und schob mich hoch, während die andere meinen Oberarm festhielt.

"Ist dir übel?"
"Ein wenig."
"Fühlst du dich sehr schwach?"
"Nicht wirklich."
"Ok... Willst du versuchen, aufzustehen?"
"... Noch nicht."

Er führte ein paar Tests mit mir durch, und meinte dann, dass ich schon in ein paar Tagen gehen konnte. Danach ließ er mich alleine, damit ich mich noch etwas ausruhen konnte, bevor meine Eltern ankamen.

Ich lag im Koma.. Ich habe haufenweise Tabletten geschluckt... Und jetzt lag ich hier, und bereute es.

Die Tür flog auf, und meine weinende Mutter stürzte sich auf mich. Sie schluchzte in meine Schulter, bis mein Vater zu uns kam und meine Hand hielt.

"M-mein kleines Engelchen..."

𝗟𝗲𝘁'𝘀 𝗻𝗼𝘁 𝗳𝗮𝗹𝗹 𝗶𝗻 𝗹𝗼𝘃𝗲 | 𝐁𝐓𝐒Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt