25. Absolute Katastrophe

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Caroline weinte immer noch, als sie über die Schwelle von Kalilas Zuhause traten. James hatte sie in den Arm genommen und versuchte vergeblich, sie zu trösten, dennoch blieb die blutige Schramme, wo sie war.

Kalila schloss die Tür hinter ihnen. »Papa? Bist du da?«, rief sie mit zitternder Stimme. Der Schock saß ihr noch fest in den Knochen.

Ihr Vater trat mit Lesebrille und zerwühlten Haaren aus dem Wohnzimmer. Als sein Blick auf die weinende Caroline fiel, machte sich Überraschung auf seinem Gesicht breit. »Was ist passiert?«

Kalila brachte es nicht über sich, ihrem Vater die Wahrheit zu sagen, doch zu schwindeln traute sie sich auch nicht. Wie konnte sie ihm ins Gesicht sehen und eine dreiste Lüge auftischen?

»Fahrradunfall...«, murmelte Alice neben ihr, ohne Kalilas Vater direkt anzusehen. Dieser musterte für einen Moment die vier finster dreinblickenden Jugendlichen vor sich – sein Blick glitt vollkommen über Amir hinweg. Dann schob er seine Brille hoch, nahm Caroline vorsichtig beim Arm und führte sie ins Badezimmer. »Mal sehen, was ich für dich tun kann.« Caroline antwortete mit leisem Schluchzen.

Der Rest folgte ins Bad. »Kannst du das irgendwie...verarzten?« fragte Kalila, aber er kramte bereits auf der Suche nach Verbandszeug in den Schränken herum.

Er bedeutete Caroline, sich zu setzen und begann vorsichtig, das Blut von ihrem Schlüsselbein zu wischen und die Ränder der Schnitte zu desinfizieren. Je mehr Blut er wegwischte, desto deutlicher wurde, dass Azrael saubere Arbeit geleistet hatte: Schnurgerade Schlitze zogen sich durch das Fleisch, als sei ein Messer mühelos hindurchgeglitten.

»Du bist also vom Fahrrad gefallen?«, fragte ihr Vater.

Caroline antwortete mit einem Schniefen, woraufhin Alice erneut die Initiative ergriff. »Sie ist beim Bremsen über den Lenker gefallen«, erklärte sie, den Blick starr auf den Boden gerichtet. Froh, nichts sagen zu müssen, überließ Kalila ihr die ausgedachte Geschichte. »Und dann ist sie mit dem Oberkörper voran auf diesen Zaun gefallen. Den Zaun bei den Fahrradständern, meine ich.«

Mit zusammengezogenen Augenbrauen wischte er den letzten Rest Blut weg, doch die Wunde blutete bereits erneut. »Ich denke, das muss genäht werden. Sieht ziemlich tief aus. Wir fahren ins Krankenhaus.«

Am liebsten hätte Kalila ebenfalls angefangen, zu weinen. Caroline so zu sehen, brach ihr das Herz.

Ihr Vater war bereits aus dem Raum gehuscht. »Ich rufe ihre Eltern an und dann fahren wir!«

Gemeinsam standen sie im Bad und starrten düster auf die Erde.

»Das alles tut mir so leid, Caro«, flüsterte sie. »Ich hätte dem Treffen nicht zustimmen sollen. Das war so dumm von mir.«

»Stercus accidit«, murmelte Caroline mit schmerzverzerrtem Gesicht und drückte die Mullbinde auf ihre Wunde.

»Was?«

»Das ist nicht deine Schuld. Sondern die von diesem...diesem Monster.«

Kalilas Vater kam zurück, um Caroline ins Auto zu packen und ins Krankenhaus zu fahren. Als James fragte, ob er sie begleiten könne, winkte er ab. »Ihr beruhigt euch erst mal ein bisschen.«

Nachdem das Auto bereits weit außer Sicht war, war Kalilas schlechtes Gewissen noch immer nicht verflogen. Schweigend verzogen sie sich in ihr Zimmer. Keiner sagte ein Wort, als sie sich seufzend über Bett und Boden verteilten.

»Ich hätte mich niemals von diesem Samuel ködern lassen sollen«, murmelte sie.

Alice hatte sich im Schneidersitz auf dem Teppich niedergelassen und zupfte nachdenklich an einer Haarsträhne. »Du weißt, dass ich nicht der Typ bin, der Leute in den Arm nimmt und sagt: ›Morgen sieht die Welt schon besser aus!‹. Ich sage dir ehrlich, wie die Lage aussieht.« Sie warf sich die dunklen Strähnen über die Schulter und sah Kalila eindringlich an. »Was heute passiert ist, wäre wahrscheinlich unweigerlich auch an einem anderen Tag passiert. Keiner hat Schuld daran, was Azrael Caro angetan hat. Woran ihr beide aber schuld seid«, sie zeigte anklagend mit dem Finger auf Kalila und Amir, »ist die totale Misskommunikation zwischen euch beiden.« Alice deutete auf die Zimmertür. »Ihr beide geht jetzt raus, sprecht euch aus und vertragt euch wieder.«

Kalila Edward - DämonenpaktWo Geschichten leben. Entdecke jetzt