16. Erster Knall

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Der restliche Schultag verlief überraschend ereignislos – kein Aufeinandertreffen mit zähnefletschenden Dämonen, keine leuchtenden Münzen oder sonstiger Wahnsinn.

Auf den Gängen hielt sie ununterbrochen nach Erica und ihrem mysteriösen Begleiter Ausschau – vergeblich. Beide waren wie vom Erdboden verschluckt.

Mit einem Seufzen fuhr sie sich durch die Haare. Der Gedanke, dass Leute in der Schule waren, die Dämonen an ihrer Seite hatten, ließ ihr keine Ruhe. Außerdem hatte sich Amir immer noch nicht blicken lassen; dabei war der Unterricht mittlerweile vorbei und die tief stehende Nachmittagssonne kündigte bereits das Ende des Tages an.

»Non Desistas, non Exieris.«, murmelte Caroline, als sie durch den Ausgang traten. Eine leichte Brise erfasste den Hof und ließ die Blätter in den Baumkronen der Eichen rascheln. »Gib niemals auf, kapituliere nie.« Nachdenklich warf sie den Kopf in den Nacken und sah in den Himmel. »Wenn wir die Augen offen halten, erfahren wir schon noch, wer etwas von Amir will.«

Vor Kalilas innerem Auge tauchte Ezechiels Zähnefletschen auf; mit einem Mal war sie sich nicht mehr sicher, ob sie wirklich wissen wollte, wer dieses Pack war, mit dem er ihnen gedroht hatte.

»Seht mal, wer von den Verschollenen zu uns zurückgekehrt ist.« Alice deutete in die Richtung, in der mit einem Mal eine dunkle Gestalt auf dem Hof auftauchte. Zu ihrer Überraschung war es Amir, der ihnen mit in den Jackentaschen vergrabenen Händen entgegenkam.

»Eigentlich heißt es ›von den Toten zurückgekehrt‹«, warf James ein.

Kalila konnte ihren Blick nicht von Amir losreißen, während er scheinbar lässig über den Hof schlenderte. Sie musterte ihn eingehend – auf der Suche nach was genau, wusste sie selbst nicht – allerdings wirkte er unverändert.

Als Amir sich zu ihnen gesellte, zwang sie sich innerlich, ihn nicht sofort mit Fragen zu bombardieren. Zwar wollte sie wissen, was er den ganzen Tag über getrieben hatte, doch er war ihr keine Rechenschaft schuldig.

Um die Stimmung aufzulockern, warf sie ihm ein schiefes Lächeln zu. »Irgendwelche menschenfressenden Leute gefunden?«

Er grinste ebenso schräg zurück und zuckte mit den Schultern. »Nicht wirklich.«

Der Hof war mittlerweile wie leer gefegt; die meisten Schüler waren bereits in Scharen nach Hause geströmt. Alice und Carolin verabschiedeten sich als Erste und machten sich ebenfalls auf den Heimweg.

»James und ich schießen ein paar Fotos, solange es noch hell draußen ist«, sagte sie an Amir gewandt. »Lust, mitzukommen?« So fasziniert, wie er letzte Nacht ihre Fotosammlung angeschaut hatte, war dies vielleicht die Gelegenheit, ihm auf den Zahn zu fühlen.

Sofort leuchteten seine Augen auf. »Sicher!«

Gemeinsam machten sie sich auf den Weg in Richtung der Maisfelder, die sich hinter den Wohnsiedlungen Godwick Fields befanden.

Sie drei mussten von außen ein verrücktes Trio abgeben: ein Junge mit dunkel gefiederten Flügeln auf dem Rücken, ein langhaariger Kerl, der von seinem Körperbau locker hätte Basketballspieler sein können, und sie mittendrin – durchschnittlich und mit magischer Münze in der Tasche.

»Wir haben Erica heute morgen auf dem Schulhof entdeckt«, berichtete sie. Die Straße, auf die die abbogen, führte direkt durch ein kleines Waldstück. Außer ihnen war niemand dort. »Sie war mit irgendeinem Typen unterwegs...«

»Was für ein Typ?«, fragte Amir sofort.

»Es war definitiv nicht Ezechiel«, stellte sie fest. Nachdenklich ließ sie ihren Blick die leere Landstraße entlangschweifen. In den Baumkronen fingen die ersten Blätter an, sich gelb zu färben und sprenkelten den Wald hier und dort mit warmen Farbtupfern.

Kalila Edward - DämonenpaktWo Geschichten leben. Entdecke jetzt