Neustart

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-" Frau Berger! Wie schön, dass Sie uns mit Ihrer Anwesenheit ehren."- die sarkastische Stimme des Dozenten hallte durch den ganzen Raum, während sie genervt die Lippen verzog und sich ohne Umwege zu einem freien Platz machte. Sie setzte sich in den hinteren Reihen und holte die Bücher aus ihrem Rucksack. Dass sie nochmal eine Schultasche gebrauchen würde, hätte sie niemals gedacht. Doch das war wohl die perfekte Tarnung für die Tochter eines Mafiabosses und Frauenhändlers. Es war ihr erstes Semester an der Universität. Die Zeit verging so schnell, viel zu schnell. Doch die Wunden der Vergangenheit heilten langsam ab. Nur noch kurz vor dem Aufwachen, sah sie seine Augen.
-" Nicole Berger!" - ertönte die wütende Stimme des Professors und riss sie aus den Gedanken. -" Würden Sie bitte ihre allzu gut bekannte Allwissenheit mit uns teilen und die Hausaufgaben vortragen?"- der Dozent ließ sie immer wieder aufs Neue bereuen, dass sie seinen Vortrag in den ersten Sitzungen korrigiert hatte.
Geistesabwesend tat, sie worum er sie so höflich gebeten hatte, denn eigentlich war sie ziemlich gut in Literaturgeschichte.
Nach einigen weiteren Kursen, hatte sie es endlich geschafft und machte sich auf dem Weg zum Studentenwohnheim. Den weißen Mercedes fuhr sie nicht mehr, denn dieser erschien ihr viel zu riskant für ihre Lage. Ausserdem dürfte sich eine arme Studentin ohne Eltern gar kein teures Auto leisten dürften. Jetzt hatte sie einen Studententicket und fuhr mit der Bahn, wie all die anderen. Sie beobachtete gern die Menschen in der Bahn und hörte ihren Geschichten zu, denn es war immer rappelvoll. Die Geschichten der Mädels von Jungs und den neusten Make-up Tutorials. Wie gern, wäre sie so sorglos, wie sie. Immerhin waren sie im selben Alter. Innerlich war sie älter. Und eigentlich wollte sie keine Männergeschichten, innerlich wollte sie diesen einen. Doch den hatte sie bereits seit 4 Monaten nicht gesehen. Was wohl mit ihm geschehen ist, ob jetzt ein anderes Mädchen in ihrem Zimmer hauste und die selben Rosen von ihm bekam, wie sie damals. Oft spielte sie mit dem Gedanken, die Nummer zu wählen, die er in dem Handy eingespeichert hatte, was er ihr gab. Ein weiteres Mal seine Stimme hören, ihm sagen, dass es ihr gut geht. Doch das wäre zu gefährlich. So war er in Sicherheit, zumindest soweit dies für einen solchen Mann möglich war. Und er hatte sie bestimmt schon vergessen. Sie hatte nicht einmal bemerkt, dass sie aus der Bahn ausgestiegen war und bereits den Wohnungsschlüssel in der Hand hielt.
-" Nicole! Da bist du ja endlich. Du glaubst mir niemals, was heute passiert ist!!"- quietschte die Stimme ihrer Mitbewohnerin Sarah, die fröhlich um sie hüpfte. Das zauberte ihr augenscheinlich ein Lächeln aufs Gesicht.
-" Nein! Was ist den passiert?"- schrie sie ihr gestellt enthusiastisch entgegen.
-" Er hat mich endlich gefragt, oh mein Gott. Er hat endlich nach einem Date gefragt."- Sarah machte bereits Luftsprünge. -" Was soll ich bloß anziehen?!"- sprach sie weiter, eher zu sich selbst. Sie bemerkte nicht einmal, dass ihre Mitbewohnerin in ihr Zimmer verschwunden war. Aleksa lehnte sich kraftlos gegen die Tür und sank zu Boden. Wieso betrübte sie das Glück ihrer Freundin. Sie war nicht neidisch, doch das erinnerte sie immer wieder an die Zeit mit ihm. Als sie Luftsprünge machen könnte. Seinen Namen wollte sie nicht einmal mehr aussprechen. Sie hatte Angst, die Mauer, die sie um die Erinnerungen gebaut hatte, würde so durchbrechen und sie würde ertrinken. Ihr Hals hatte sich fest zusammengeschnürt und das Atmen fiel ihr schwer. Wie lautete sein Name..
Tränen brannten in ihren Augen, doch sie wischte sie schnell ab und erhob sich. Sie konnte so doch nicht weiter machen, dieser Schmerz müsste irgendwann ein Ende nehmen. Mit einem Schlag zerschmetterte sie den Spiegel, aus dem sie die gebrochene Frau anschaute.
-" Nicole? Ist alles okay???!"- hörte sie Sarah auf der anderen Seite der Tür besorgt fragen. Aleksa verzog schmerzerfüllt die Lippen, während sie ihre blutende Hand betrachtete.
-" Äh..ja. Ich habe nur die Vase umgestoßen." - antwortete sie schnell, damit ihre Mitbewohnerin Ruhe gibt und aufhört gegen die Tür zu hämmern.
Sie verband sich die Hand und holte ihre Sportsachen aus dem Schrank. Das würde ihr jetzt gut tun. Sneaker, eine Leggins und ein Kapuzenpulli. Sie schnappte sich noch die Kopfhörer und eilte zur Tür bevor sie sich wieder die ganze Liebesgeschichte von Sarah von Anfang an anhören musste. Die Straßen glänzten noch vom Regen und die Wolken am Himmel waren grau und anscheinend noch nicht bereit weiterzuziehen. Sie drückte auf Play und rannte los. Das half ihr, sich abzureagieren und den Kopf frei zu bekommen. Trotz Wetter waren die Straßen voll. Sie musste oft Menschen ausweichen und Autos fuhren an ihr vorbei. Ein Schwarzes mit abgedunkelten Scheiben etwas langsamer, als die anderen. Sie zog die Kapuze weiter runter über ihre Stirn und rannte weiter. Sicherlich eine Einbildung. Wer könnte sie hier schon finden, in dieser kleinen Studentenstadt. Trotzdem wurde sie vorsichtiger und machte die Musik leiser. Plötzlich öffnete sich der Himmel und ein starker Regen ergoß sich auf die Straßen. So stark, dass ihre Sicht verschwamm. Sie entschied sich eine Kaffeepause einzulegen und hielt vor dem Cafe an, in dem sie gern Cappucino trank und ein Buch las. Völlig durchnässt, zog sie die Kapuze runter und wischte einpaar feuchte Tränen aus ihrem Gesicht. Dann nahm sie Platz an den Tisch neben dem Fenster. Während sie auf die Kellnerin wartete, schaute sie auf die Menschen, die sich unter Regenschirme versteckten und nach Hause eilten. Sie hatten sicherlich jemanden Zuhause auf sie warten. Wieder kam es ihr vor, als hätte sie das gleiche schwarze Auto gesehen.
-" Hallo?"- sie fuhr zusammen und die Kellnerin zuckte leicht bei ihrer Bewegung.
-" Ich wollte Sie nicht erschrecken."- lächelte die Kellnerin.
-" Oh nein, nein.. "- sagte Aleksa geistesabwesend und schaute wieder aus dem Fenster, doch der Wagen war weg. Sicherlich eine paranoide Einbildung.
-" Ein Capuccino, bitte."- bestellte sie und schüttelte den Kopf um sich selbst wachzurütteln.
Die Tür ging auf und die Klingel über den Türrahmen ertönte. Ein großer Mann trat hinein und setzte sich ein paar Tische weiter. Aleksa beachtete ihn nicht weiter und blätterte in der Zeitung rum, die auf dem Tisch lag. Bald spürte sie aufdringliche Blicke auf sich, doch als sie hochschaute, traf sie niemandens Augen. Sie blätterte weiter, wieder spürte sie dieses Gefühl und dieses Mal erfasste sie die Quelle.
Der Neuankömling hatte seinen Blick auf sie gerichtet und jetzt schaute sie sich ihn genauer an. Er war ziemlich groß, schlank und asiatischer Herrkunft. Seine rotgefärbten Haare waren nach hinten gegellt und leicht nass. Während sie ihn musterte, verzogen sich seine Lippen in ein leichtes, selbstsicheres Lächeln. Sie hielt seinen Blick stand und hätte es sicherlich weiter getan, wäre sie nicht von dem lecker duftenden Cappucino abgelenkt, der ihr gerade serviert wurde. Die weiteren Blicke des Mannes ignorierte sie bis er aufstand und sich in ihre Richtung machte.
Ganz selbstverständlich nahm er Platz in den Sessel vor ihr und lächelte sie charmant an.
-" Das schaut lecker aus."- sagte er mit einem leichten Akzent.
Aleksa schaute ihn empört an für seine Dreistigkeit.
-" Dann bestellen Sie sich doch einen."- antwortete sie kalt.
Sein Lachen ertönte, etwas lauter, als es die Menschen in dem Cafe wohl gewöhnt waren, doch das interessierte ihn nicht.
-" Ich meinte nicht den Cappuccino."- seine Augen funkelten sie amüsant an, als hätte er ein neues Spielzeug gefunden.
-" Dann sind Sie wohl wirklich ein Perverser. Ich habe Sie nicht hierhin gebeten, werter Herr."- sagte sie genervt.
-" Akira."- lächelte er sie an und sie schaute ihn ungläubig an. Dann machte sie Anstalt zu gehen und erhob sich aus dem Sessel. Lieber würde sie in dem Regen nach Hause laufen als sich diese Dreistigkeit zu geben. Er richtete sich zeitgleich mit ihr auf.
-" Wie ist dein Name?"- hackte er nach, doch sie drehte ihm den Rücken zu und verließ schnell den Laden. Er schaute ihr noch hinterher, wie sie die Straßenseite wechselte und auf sein Gesicht zeichnete sich ein geheimnisvolles Lächeln ab.

Die Schöne und der Mafiaboss                       #TheEloquenceAward2019       Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt