James hebt den Blick. Lily ist inzwischen aufgestanden und schaut ihn aus roten Augen an. ,,Mir wurde nicht mal die Verlobung mitgeteilt und jetzt hat meine eigene Schwester mich ausgeladen!" Sie schnappt sich den Brief und läuft die Treppe zu ihrem Zimmer hoch. ,,Lily!" ,,Vergiss es, James!", ruft sie nur und knallt die Tür zu.

Am Freitag ist Lily noch immer nicht gut auf James zu sprechen. Dieser fragt sich ernsthaft, ob sie überhaupt noch mit ihm auf den Weihnachtsball möchte. Auf dem Weg zu Slughorns Büro sind sie schweigsam. Unauffällig betrachtet James Lily. Sie trägt ein dunkelblaues Kleid, das ihr bis knapp unter die Knie geht, halblange Ärmel hat und hier und da mit etwas Spitze versehen ist. Ihre Haare sind zu einer ordentlichen Frisur gesteckt, bei der garantiert Mary nachgeholfen hat. Kurzum findet James sie atemberaubend schön. Kurz vor der Bürotür des Professors hält James die junge Hexe zurück. Fragend schaut sie ihn an. ,,Du siehst wunderschön aus, Lily.", riskiert er zu sagen. Lily lächelt leicht, antwortet jedoch nicht. Um ehrlich zu sein findet sie, dass James des öfteren ein Hemd tragen sollte, so ganz ohne Krawatte oder Pullunder. Einfach so, mit einer schwarzen Jeans, den obersten Hemdknopf offen.
Sie klopfen an die Bürotür, die Slughorn breit lächelnd öffnet und sie hinein bittet.
Drinnen ist es voll und James ist sich ziemlich sicher, dass hier ein unaufspürbarer Ausdehnungszauber gewirkt wurde. Und natürlich ist jeder hier, auf den Slughorn etwas hält. So zum Beispiel Snape und Regulus Black, hier und da ein Vertrauensschüler und auch neben den Genies die wahren Schleimer. Zu denen wohl Sirius gehören wird, der gerade von Slughorn begrüßt wird.
,,Da nun alle anwesend sind, bitte ich zu Tisch."
Lily bemerkt erst jetzt den runden Tisch. Und die sich darauf befundenen Tischkärtchen, auf denen Namen stehen. So sitzt sie also zwischen James und Severus Snape, während neben James Sirius Platz nimmt, der nicht erfreut darüber wirkt, dass zu seiner rechten Regulus sitzt.
,,Sagen Sie, Mr. Black", schaut Professor Slughorn Sirius an, ,,wie kommt es, dass Sie nicht in meinem Haus sind, wie ihr Bruder und Generationen vor Ihnen?" Sirius lächelt übertrieben. ,,Ich bin das weiße Schaf der Blacks. Ich bin der erste Black in Gryffindor, jedoch nicht der erste Black, der Hausverbot bei seiner eigenen Familie hat, weil er kein Problem mit Muggelgeborenen oder Muggeln generell hat. Für mich ist jeder Mensch gleich viel wert, sei er nun reinblütig magisch oder reinblütig nicht magisch. Ich wohne bei den Potters und möchte behaupten, dass ich James als meinen Bruder ansehe." Lily kann von ihrem Platz aus sehen, wie Regulus sich mit jedem Wort seines Bruders mehr verkrampft. ,,Und was ist mit Ihrem Bruder, Regulus?", hakt Slughorn nach. Sirius schaut kurz zu Regulus. Lily glaubt fast zu erkennen, wie Sirius seinen jüngeren Bruder gegen das Schienbein tritt, ehe er sagt: ,,Oh, mit Regulus habe ich noch Kontakt. Wir sehen uns ja in der Schule und tauschen uns dann manchmal etwas aus." Regulus nickt. Lily ist klar, dass diese gewissen Austausche nur stattfinden, wenn Sirius Regulus und den Slytherins die Schuld für etwas gibt. Aber um die Stimmung nicht zu kippen, scheinen sie beide mit der Lüge von Sirius zufrieden zu sein.
Nach dem Essen legt Slughorn etwas Musik auf. Die Schüler verteilen sich im Raum. Einige tanzen, andere sehen dabei zu und wieder andere unterhalten sich. Slughorn selbst wuselt hier und da durch die Menge und pickt sich den einen und den anderen Schüler, mit dem er ein Pläuschen halten möchte, heraus. Und natürlich kann Lily sich nicht verstecken. ,,Miss Evans, wie schön, dass Sie wieder auf den Beinen sind." Lily, die sich gerade mit einer Vertrauensschülerin aus Ravenclaw unterhalten hat, dreht sich lächelnd zu ihren Professor. ,,Ja, Sir. Ich hatte zum Glück nur eine kleine Erkältung, nichts Wildes." Der Professor nickt lächelnd. ,,Schön schön. Sagen Sie, wo finde ich denn den jungen Mr. Snape? Ich habe ihn tatsächlich aus den Augen verloren. Ich wollte mit ihm noch über seinen perfekten Amortentia sprechen. Sagen Sie, Miss Evans, wollen Sie diesen Trank nachbrauen? Mein Klassenzimmer steht am Nachmittag gerne für Sie bereit." Doch Lily winkt ab. ,,Danke, aber ich würde den Amortentia gerne überspringen. Zudem habe ich zur Zeit viel um die Ohren. James und ich planen und organisieren schließlich den Weihnachtsball und eine kleinere Feier für die jüngeren Schüler.", erklärt sie freundlich. Professor Slughorn nickt. ,,Sie können es sich leisten, Miss Evans. Zudem freue ich mich sehr auf das Resultat Ihrer Planungen. Ah, da ist ja Mr. Snape! Sie habe ich gesucht. Wir sehen uns, Miss Evans."
Aus dem Augenwinkel sieht Lily, wie James und Sirius auf sie zu kommen. Am liebsten würde sie jetzt weggehen, doch Sirius schubst James, sodass dieser geradewegs auf Lily zustolpert und eine Begegnung mit dem Boden nur verhindern kann, indem er Lily bei den Schultern packt und sie ein paar Schritte rückwärts schiebt. Genervt schaut er seinen besten Freund an. ,,Was sollte das?" Doch Sirius lacht bloß und zeigt nach oben. Auch Lily und James sehen hoch. Über ihnen hängt ein Mistelzweig, der sich immer weiter ausbreitet.

Es ist, als würde die Welt um die beiden herum anhalten. Sie sehen sich in die Augen und langsam verkleinert James den Abstand zwischen ihren Gesichtern. Irgendwann stockt er, unsicher, ob Lily gleich wieder zurückschrecken wird. Doch sie denkt gar nicht daran und schließt die Lücke zwischen ihnen. Es ist, als würde in Lily ein Feuerwerk explodieren. James geht es da nicht anders. Endlich endlich darf er seine Lily küssen. Endlich unterbricht sie mal keiner. Und das auf Slughorns Feier. Welch Ironie. Im Schulsprecherturm kam immer jemand im ungünstigsten Moment und wollte etwas von ihnen. Doch jetzt stört niemand. Nur Sirius, der irgendwann laut jubelt, sodass einige Schüler sich umdrehen und Lily rot anläuft. Dass sie dann ausgerechnet in Severus Snapes versteinertes Gesicht schaut. Entsetzen, pures Entsetzen kann sie darin erkennen. Schnell schaut sie wieder weg. Sie greift nach James' Hand. ,,Komm, wir gehen."
Auf dem Weg zum Turm laufen sie schweigend nebeneinander, Hand in Hand. Im Turm angekommen zieht sich Lily die hohen Schuhe von den Füßen und lässt sich auf das Sofa fallen. James entfacht ein Feuer im Kamin, setzt sich neben Lily und legt seine Arme um sie.

der Hirsch, der mich das lieben lehrteWhere stories live. Discover now