6

722 24 0
                                    

Um halb acht betritt Lily die große Halle, ihre Schultasche trägt sie bei sich, um nach dem Frühstück direkt zum Unterricht gehen zu können. Sie kommt gerade rechtzeitig, um ihren Stundenplan von Professor McGonagal überreicht zu bekommen. ,,So Miss Evans... Zaubertränke, Professor Slughorn wird erfreut sein, Kräuterkunde, Verwandlung, schön, sie wieder in meinem Kurs begrüßen zu können, Zauberkunst und Verteidigung gegen die dunklen Künste. Sie verfolgen immer noch das Ziel, Heilerin zu werden?" Lily nickt. ,,Ganz recht, Professor." Die Lehrerin nickt und gibt ihr den Stundenplan.
Als erstes hat sie eine Doppelstunde Verteidigung gegen die dunklen Künste bei Professor Burnham.
Professor Burnham ist ein hagerer Mann, um die vierzig, mit braunem Haar, das aber schon die ersten grauen Strähnen aufweist. Er kam zum Ende des letzten Schuljahres, als ihr alter Lehrer plötzlich spurlos verschwunden ist. Noch immer ist unklar, was mit ihm geschehen ist.
Auch bei James bleibt die Lehrerin stehen. ,,Mr. Potter... Verteidigung gegen die dunklen Künste, Zauberkunst, Verwandlung, Kräuterkunde und Zaubertränke. Sie verfolgen den Wunsch, Auror zu werden, also noch immer?" ,,Ja, Professor." McGonnagal nickt zufrieden. ,,Lassen Sie sich nicht aufhalten, Mr. Potter.", meint sie und geht weiter.
In Verteidigung gegen die dunklen Künste setzt sich Lily zusammen mit Marlene und Alice in eine der vorderen Reihen. Die Rumtreiber, die ebenfalls in diesem Kurs sitzen, begeben sich in ihre Standardreihe, die letzte Reihe.
,,Guten Morgen." Professor Burnham betritt den Raum. ,,Sie alle streben also einen UTZ im Fach Verteidigung gegen die dunklen Künste an. Ich sage Ihnen direkt, dass das kein Kinderspiel wird. Sie müssen eine Menge Zauber von hoher Magie beherrschen, zumindest, wenn Sie nicht sterben wollen, noch bevor der Krieg richtig um Sie herum tobt. Ich strebe mit Ihnen als erstes in diesem Schuljahr den Patronuszauber an, zumindest in der Theorie sollten Sie ihn beherrschen. In der Praxis ist dies ein Zauber, den selbst so manch erfahrener Zauberer gar nicht oder zumindest nicht vollkommen meistert. Kann mir jemand erklären, was es mit dem Patronus auf sich hat?" Wenige, darunter Lily und die Rumtreiber, melden sich. ,,Ja, Miss Evans?" ,,Der Patronus bildet sich aus unseren glücklichsten Gedanken und bietet uns somit den idealen Schutz vor Dementoren. Der Dementor ernährt sich dann, anstelle von unseren positiven Erinnerungen, vom Patronus. Richtig ausgeführt nimmt der Patronus die Gestalt an, die der Zauberer oder die Hexe als Animagusgestalt hätte. Wenn die Patroni zweier Personen der gleichen Tierart entsprechen und sich nur in Männchen und Weibchen unterscheiden, so ist es durchaus möglich, dass diese beiden ein gemeinsames Schicksal haben, oder füreinander bestimmt sind.", gibt Lily wider. Der Professor nickt beeindruckt. ,,Besser hätte ich es nicht sagen können, Miss Evans. Nehmen Sie fünf verdiente Punkte für Gryffindor." Lily lächelt zufrieden. Ihr Professor fährt for: ,,Nun, wie Miss Evans schon sagte, brauchen Sie eine glückliche Erinnerung, um diesen Zauber auszuführen. Dann sprechen Sie die Worte 'Expecto Patronum'. Nur zu. Versuchen Sie es." ,,Sir?", fragt da Lily, ,,Potter kann diesen Zauber schon. Wäre es nicht sinnvoll, dass der diesen Zauber einmal vorführt?" Begeistert nickt der Professor. ,,Eine ausgezeichnete Idee! Mr. Potter, treten sie nur vor!" James schluckt, doch dann fügt er sich seinem Schicksal. Professor Burnham lässt die Tische und Bänke verschwinden und die anderen stellen sich an eine Wand. James holt tief Luft. ,,Expecto Patronum!" Der Hirsch springt aus seinem Zauberstab und galoppiert durch das Klassenzimmer. Burnham klatscht in die Hände. ,,Perfekt, Mr. Potter, äußerst lobenswert. Jetzt die anderen. Los, versuchen Sie es!" James gesellt sich wieder zu seinen Freunden und sieht ihnen bei ihren Versuchen zu. Ab und an beschwört er seinen Patronus herauf. Bei Sirius kann man schemenhaft die Umrisse seines Patronus erkennen. Auch bei Remus lässt sich ein großes Tier erahnen, auch wenn James sich sicher ist, dass sein Freund sich absichtlich nicht so viel Mühe gibt. Bei Peter kommen nur silbrige dünste aus der Spitze seines Zauberstabes.
Als James wieder mal seinen Hirsch heraufbeschwört, bleibt dieser nicht wie sonst bei ihm stehen, sondern geht, verfolgt von allen Augen, auf eine silberne Hirschkuh zu. Und diese gehört zu einer rothaarigen Hexe, die ungläubig auf die beiden Patroni starrt. In ihren Augen kann James den Unwille deutlich erkennen und es schmerzt ihn. Keiner sagt ein Wort, bis Professor Burnham sie schließlich erlöst: ,,Nun gut, die Stunde ist beendet. Einen schönen Tag Ihnen noch." Wie betäubt schnappt sich Lily ihre Tasche und flüchtet aus dem Raum. Marlene und Alice eilen ihr hinterher. James seufzt. ,,Krone, komm schon. Denk nicht dran, du musst nacher voll bei uns sein, schon vergessen?", holt Tatze ihn zurück. ,,Ja.", antwortet James nur und nickt.
Am Klassenzimmer für Zaubertränke steht Lily bereits umringt von Marlene und Alice. ,,Lily..." Doch sie unterbricht Alice: ,,Nein, lasst es. Ich muss das jetzt erstmal verdauen." Also schweigen ihre Freundinnen.
In dem Moment, in dem auch die Rumtreiber das Klassenzimmer erreichen, öffnet ihnen Professor Slughorn die Tür. ,,Immer herein. Lily meine Liebe, schön Sie zu sehen!" Die Rothaarige lächelt. ,,Schön auch Sie wiederzusehen, Professor."
,,Dieses Jahr", beginnt Slughorn, ,,habe ich die Idee, dass Sie von Anfang an mit einem festen Partner arbeiten. Dafür habe ich Ihre Namen auf Zettel geschrieben und in diesen Kessel hier geworfen, der so verzaubert ist, dass er immer zwei Zettel ausspuckt. Je Junge und Mädchen. Fangen wir an." Gebannt starrt die Klasse den Kessel an. Dieser zischt einmal auf und dann fliegen zwei Zettel in die Luft. Der Professor fängt sie auf und faltet sie auseinander: ,,Marlene McKinnon und Severus Snape." Marlene stöhnt genervt auf und Lily sieht sie mitleidig an. ,,Remus Lupin und Alice Fortescue." Erleichtert schaut Alice zu Remus, welcher ebenfalls zufrieden ausschaut. Lily findet, dass er sehr kränklich aussieht. Weitere Paare werden zugeteilt. Mary Macdonald (Ebenfalls eine Gryffindor und auch mit Lily befreundet. Jedoch war sie zu einem ungünstigen Moment krank und ist erst am gestrigen Abend per Flohnetzwerk gekommen.) arbeitet nun mit Sirius Black. Dann: ,,James Potter und Lily Evans." Missmutig schaut die Hexe zu Potter. Der jedoch grinst sie an. ,,Auf eine erfolgreiche Partnerarbeit, Evans.", sagt er und Lily schnaubt. Es ist allseits bekannt, dass Potter kein wirkliches Talent für Zaubertränke hat. Er braucht jedoch den UTZ, um Auror zu werden. Lily seufzt. ,,Großartig!", sagt da Professor Slughorn und klatscht begeistert in die Hände. ,,Brauen Sie mir doch bitte bis zum Ende dieser Stunde ein Euphorie-Elixier. Das Rezept finden Sie auf Seite 33 in Ihrem Lehrbuch."
Lily schlägt ihr Buch auf und besieht sich die Zutatenliste. ,,Potter, holst du bitte die Zutaten, während ich den Kessel anheize?" James schaut auf. ,,Natürlich." Während sie dann so nebeneinander arbeiten (wobei James eher auf Lilys Anweisung hin arbeitet), sprechen sie nur das nötigste miteinander. Trotz allem ist Lily sehr zufrieden, als ihr Trank kurz vor Ende der Doppelstunde die gewünschte sonnengelbe Färbung angenommen hat. Sie füllt eine Phiole ab (,,Leer du den Kessel aus, ich bringe die Phiole zu Slughorn.") und bringt sie zum Zaubertranklehrer. Dieser lächelt. ,,Ach Lily, perfekt. Wie immer. Vielleicht bringen Sie Mr. Potter ja noch etwas bei, damit er seinen UTZ nicht nur so knapp besteht. Wissen Sie, es wäre ein Jammer, wenn der Junge nur deswegen die Aurorenausbildung nicht machen dürfte." Nicht ganz glücklich nickt Lily. ,,Natürlich, Professor. Ich gebe mein bestes." Der Professor lächelt noch einmal und die dreht sich um, um zu ihrem Platz zurückzukehren und ihre Sachen in ihrer Tasche zu verstauen. ,,Als Hausaufgabe hätte ich nächste Stunde bitte von jedem von Ihnen einen Aufsatz über das Euphorie-Elixier. Einen schönen Tag Ihnen noch."
,,Ehrlich Lily, wie konntest du jemals mit diesem Snape befreundet sein? Der ist ja nicht zum aushalten!", echauffiert sich Marlene beim Mittagessen. Lily, Alice und Mary schauen sie mitleidig an. Marlene murmelt weiter: ,,Meinte, ich müsste ihm sagen, ob du Gefühle für James hast. Wegen der Patroni." Lily verschluckt sich an ihrem Kürbissaft. Laut fängt sie an zu husten und Mary, die neben ihr sitzt, tätschelt ihr den Rücken. ,,Der Tag, an dem ich Gefühle für James Potter zu hegen beginne, sei der Tag, an dem ich meinen Verstand verliere!", sagt die Rothaarige. Nur leider etwas zu laut.
James hört schlagartig auf, zu lachen und starrt sie an. Wie oft am Tag will sie ihm denn noch wehtun? Auch Lily scheint die Wirkung ihrer Worte begriffen zu haben. ,,Nichts für ungut, Potter. Aber du weißt, wie verschieden wir nunmal sind.", meint sie und James fängt sich wieder. ,,Das hindert mich aber nicht daran; Gehst du mit mir aus, Evans?" Grinsend schaut er sie an. Lilys Gesicht nimmt langsam die Färbung ihrer Haare an. ,,NEIN POTTER! Wie oft muss ich das denn noch sagen, bis es in deinem Kopf ankommt?" Entnervt nimmt sie ihre Tasche und verlässt die große Halle. Ein Glück, dass sie heute keine weiteren Stunden hat. Für einen Montag ist das wirklich perfekt. Sie eilt flink in den Schulsprecherturm. In einen der Sessel lässt sie sich seufzend sinken, ihre Tasche hat sie unachtsam mitten im Raum liegen lassen. Erschöpft schließt Lily die Augen. Denkt sie es bloß, oder ist Potter noch anstrengender geworden?
Wach wird sie durch ein Fluchen. Moment... Sie ist eingeschlafen? Verwirrt blinzelt Lily. Die Sonne steht schon bedeutend tiefer. ,,Evans! Stell deine Tasche demnächst nicht mitten im Raum ab!", hört sie da Potter. Sie schaut zu ihm. ,,Habe ich was verpasst?" ,,In der Tat das Abendessen. Aber Mary wollte dir was bringen." Wie gerufen klopft es am Porträt und James öffnet. Mary kommt herein und gibt Lily eine Tüte. ,,Hier, ich hab dir was vom Abendessen mitgebracht. Wo warst du?" ,,Bin eingeschlafen.", brummt die Rothaarige. Kurz betrachtet sie den Inhalt der Tüte (zwei belegte Brötchen, die Mary vor Sirius retten konnte) und schaut wieder zu Mary. ,,Danke Mary." Diese nickt und wendet sich dann zum gehen. ,,Ich wollte noch meinen Zaubertrankaufsatz schreiben. Bis Morgen! Und verschlaf das Frühstück nicht, Lily.", meint sie und schon ist sie wieder verschwunden.
Zufrieden widmet sich Lily ihren Brötchen und blendet Potter vollkommen aus. Dann beschließt auch sie, ihren Aufsatz für Slughorn zu schreiben. Gegen kurz vor 9, Lily ist ungefähr zur Hälfte mit dem Aufsatz fertig, kommt James die Treppe runter und geht zum Porträtloch. ,,Wo willst du jetzt noch hin?", fragt Lily. James bleibt stehen und dreht sich zu ihr um. ,,Zu den Jungs. Kann länger werden. Warte nicht auf mich", meint er spitzbübisch. Doch Lily verdreht die Augen und meint in autoritärem Ton: ,,Potter, du als Schulsprecher hast eine Vorbildfunktion. Und du bist kein Vorbild, wenn du nach Eintritt der Sperrstunde auf den Gängen bist." ,,Mach dir nicht ins Hemd, Evans. Mich wird niemand entdecken." Lily schnaubt und James verlässt den Raum. Die rothaarige Hexe schüttelt den Kopf und widmet sich wieder ihrem Aufsatz.

der Hirsch, der mich das lieben lehrteWhere stories live. Discover now