9 / Ein lückenhaftes Register

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Die Morgenstunden verstreichen und die Sonne zieht bereits über den östlichen Turm des Schlosses, als Yukina lächelnd ihre Sachen zusammensucht und sich auf den Weg zur nächsten Unterrichtsstunde bei Professor Binns macht. Ich warte unterdessen an der kleinen Linde auf Samantha, die mich nach dem Duellieren dort abpassen will. Schon von Weitem erkenne ich, wie sie wild gestikulierend mit Aidan plaudert. Nachdem sie sich von dem älteren Slytherin verabschiedet hat, stürmt sie zu mir und fällt mir um den Hals.

    „Warum so euphorisch?", frage ich schmunzelnd.

    „War ein schönes Duell", gibt Sam kurz angebunden zurück. Gerade als ich etwas nachhaken will, ertönt von hinten eine ölige Stimme.

    „Miss Prince! Miss Cordis!" Mit gezücktem Zauberstab kommt Professor Tudor aus dem Verbotenen Wald gehetzt. „Was treibt ihr um diese Uhrzeit noch hier draußen?"

    Eilig schnappen wir uns unsere Sachen und spurten zurück ins Schloss. Ich frage mich, was unseren Hauslehrer so früh am Vormittag in den Wald gezogen hat, doch lange Zeit zum Grübeln bleibt mir nicht. Als wir das triste Klassenzimmer erreichen, kommt Professor Binns schon durch die Wand gehuscht und beginnt mit einem öden Kapitel in der Zaubereigeschichte. Sobald er begonnen hat, schweifen meine Gedanken schon wieder ab und ich muss mich bemühen seinem langen Vortag zu lauschen. Es fällt mir zunehmend schwer nicht aus dem Fenster zu blicken und die verschachtelten Türmchen des Schlosses zu zählen, bis Professor Binns plötzlich vom Einfuhrverbot für fliegende Teppiche zu einem weitaus interessanteren Thema umschwenkt.

„Die Taktik des Zaubereiministeriums bei Werwölfen ist schon immer etwas verworren und ineffektiv gewesen. Ein Verhaltenskodex für Werwölfe wurde 1637 entwickelt, welchen Werwölfe unterschreiben sollten, versprechend niemanden anzugreifen, sondern sich selbst jeden Monat sicher einzuschließen. Unüberraschenderweise unterzeichnete niemand den Kodex, da keine Person offenlegen wollte ein Werwolf zu sein; ein Problem, mit dem auch später das Werwolf-Register zu kämpfen hatte. Seit Jahren ist das Werwolf-Register, in dem jeder Werwolf aufgefordert ist seinen Namen sowie persönliche Details anzugeben, unvollständig und nicht zuverlässig, denn eine große Anzahl an Neugebissenen versuchen ihren Zustand zu verbergen und flüchten vor der unausweichlichen Scham und Verbannung. Werwölfe wurden stetig zwischen dem Bereich der Zauberwesen und dem Bereich der Tierwesen in der Abteilung zur Führung und Aufsicht Magischer Geschöpfe verschoben, weil niemand sich entscheiden konnte, ob ein Werwolf nun als Mensch oder als Bestie klassifiziert werden sollte."

    „Und wie kommt es nun dazu, dass sich jemand in einen Werwolf verwandelt?" Fragend blickt Sam mich an.

    „Um ein Werwolf zu werden", beginnt Ruth, die bei Sams Frage aufmerksam geworden ist, „ist es notwendig von einem Werwolf in seiner verwandelten Form bei Vollmond gebissen zu werden. Sobald der Speichel des Werwolfes sich mit dem Blut des Opfers vermischt, erfolgt die Kontamination" Verwundert schaut Sam sie an.

    „Mein Bruder Malum ist schon lange fasziniert von diesem Gebiet in der magischen Welt; ich habe von seinem Wissen in den vergangenen Jahren einiges aufschnappen können"

    Trotz des kaum spannenden Unterrichts bei Professor Binns muss ich mir eingestehen, dass dieses Thema auch mich ein wenig interessiert. Von ganz anderem Interesse sind jedoch die Siebtklässler, die ich erst jetzt in den hinteren Reihen entdecke. Melba und ihre Zwillingsschwester Emmi Chompid scheinen gegenseitig ihre Notizen auszutauschen und ein Stück weiter redet Aidan leise mit einem weiteren Siebtklässler aus Gryffindor.

    „Weshalb werden die Kurse dieses Jahr denn so häufig zusammengelegt?", überlege ich erstaunt.

    „Nun, ganz genau weiß ich das auch nicht", beginnt Ruth mit ihrer Überlegung, „doch ich habe gehört, dass einige Lehrer im Laufe des Schuljahres Hogwarts verlassen haben sollen"

    Grübelnd verlasse ich nach der Unterrichtsstunde das Klassenzimmer und folge Sam die verwobenen Korridore entlang zu dem älteren Gewächshaus, in dem wir anschließend Kräuterkunde haben. Nachdem wir in der vergangenen Woche mit zahlreichen Heilkräutern experimentiert haben, widmen wir uns in dieser Stunde dem theoretischen Teil. Schneller als erwartet verstreicht der zwischenzeitlich interessante Unterricht und dann laufe ich mit Sam bereits wieder die düsterer werdenden Treppen hinunter zu unserem Gemeinschaftsraum, wo wir die erneuerte Aufstellung für das anstehende Quidditchtunier erwarten. Während ich zunächst meine Utensilien des vergangenen Unterrichts in einem Fach unter meinem Bett verstaue, überfliegt Sam neugierig den Aushang an der Wand. Als ich schließlich zu ihr stoße und ihr über die Schulter blicke, sieht sie mich auf einmal mit erschrockenen Augen an.

    „Was ist denn?", frage ich verwundert.

    „Sieh doch! Du bist nicht mehr bei der Aufstellung dabei! Melba muss sicherlich irgendetwas vertauscht haben; meinst du nicht?"

    „Nun, ich denke sie wird Emmi ganz bewusst auf meine Stelle gesetzt haben. Sie ist zwar etwas unsicher auf der Position einer Jägerin, doch schlecht spielt sie nicht"

    „Aber Sca, sie kann dich doch nicht einfach aus der Mannschaft setzten! Und überhaupt finde ich ihre Planung ziemlich fragwürdig. Anscheinend hat sie ihre Meinung wieder geändert und sich nun als Hüterin eingetragen. Dafür soll Malum jetzt die Aufgabe des Suchers übernehmen. Also ich weiß nicht, ob das eine gute Entscheidung ist..."

    „Und ich weiß nicht, ob es ein kluger Schachzug war, Melba überhaupt die Verantwortung für unserere Quidditschmannschaft zu übertragen", gebe ich grinsend zurück. „Aber sei nicht enttäuscht; es wird trotzdem eine spaßige Zeit werden. Und für mich ist das schon in Ordnung. Ich meine, dieses Jahr wollte ich mich sowieso auf andere Dinge konzentrieren und so kommt mir die Entscheidung ganz recht!"

    „Na dann ist gut, Sca! Ich werde mich wohl daran gewöhnen müssen", versucht Sam sich aufzumuntern und lächelt mich an.

    Gerade als ich mich wieder meiner Schultasche widmen will, vernehme ich nahe des Schlangengemäldes ein tapsiges Geräusch. Interessiert blicke ich mich um, kann jedoch den Verursacher zunächst nicht ausfindig machen. Mit einem Mal sehe ich eine kleine Gestalt unter mein Bett huschen und wenige Sekunden später spüre ich ein weiches Fell an meinem Bein entlang streifen.

    „Moon!", rufe ich freudig auf. „Wo hast du dich denn so lange herumgetrieben?" Behutsam nehme ich den gepunkteten Knieselkater in die Arme und streichle ihm sanft über den Kopf. Mit seinen großen Augen blickt er mich an und ich vernehme leises Schnurren, bis Sam neugierig angelaufen kommt. Aus einem unerfindlichem Grund wirkt Moon angespannt und reagiert fauchend auf Sams plötzliche Bewegung. Als sie ihm beruhigend über die Pfoten streicheln will, reißt sich Moon aus meiner Umarmung und verschwindet sichtlich verwirrt unter meinem Bett. Ganz kann ich mir sein Verhalten nicht erklären, doch ich beschließe ihn erst einmal in Frieden zu lassen.

ALASCA PRINCE und der letzte TodesserWo Geschichten leben. Entdecke jetzt