4 / In der Großen Halle

149 14 5
                                    

Als wir aus den Booten steigen, die uns jedes Jahr zum Schloss bringen, sind wir komplett durchnässt und alle freuen sich über die wohlige Wärme der Großen Halle. Schon beim Betreten weht mir der Duft von all den verführerischen Speisen zu und der Anblick von Kürbispasteten, Bratensoße, Kartoffelbrei, Yorkshire-Pudding und anderen Köstlichkeiten lässt mir das Wasser im Mund zusammenlaufen. Die Ingwerbonbons, die Lieblingssorte unseres Schulleiters Professor Ignavus, dürfen natürlich auch nicht fehlen. Ich muss schmunzeln, als ich die ungläubigen Gesichter der neuen Erstklässler sehe und tatsächlich ertappe ich einen kleinen, strohblonden Jungen dabei, wie er sich heimlich einen Schokoball stibitzt.

    Inzwischen hat auch Professor Ignavus die Große Halle betreten, doch mit seinem mausgrauen Umhang und seinem ebenso faden Gesichtsausdruck kann er kaum Aufmerksamkeit auf sich lenken. Viermal muss er einen Knallzauber wirken lassen, bis er endlich mit seiner alljährlichen Begrüßungsrede beginnen kann.

    „Willkommen meine Schülerinnen und Schüler! Ich begrüße euch in der Hogwarts-Schule für Hexerei und Zauberei, einer der bedeutendsten Zauberschulen der Welt. Zu Beginn des Schuljahres möchte ich euch mit einigen Schulregeln bekannt machen..."

    Schon nach den ersten drei Sätzen bin ich mir sicher, dass sich an der Rede seit den vergangenen Schuljahren nichts verändert hat und nach wenigen Minuten kann ich mir das langweilige Gefasel nicht mehr anhören. Auch Samantha hat sich bereits am Buffet bedient und nuschelt mir mit vollem Mund etwas zu, was sich wohl auf die auswendig gelernte Rede beziehen soll. Ich nicke zustimmend und lade mir währenddessen vorfreudig eine Portion Kartoffelbrei auf den Teller. Schon kurze Zeit später sitzt der gesamte Slytherin-Tisch mampfend beisammen und Professor Ignavus' Begrüßungsrede geht im Stimmengewirr unter.

    „Ich kann das neue Quidditch-Tunier kaum erwarten!", höre ich eine rothaarige Siebtklässlerin am Ende des Tisches schwärmen. „Der Pokal wird uns nicht ein zweites Mal entwischen; dafür habe ich gesorgt. Gegen meinen neuen Nimbus Velocitas werden die anderen Sucher dieses Jahr nicht ankommen!" Es ist Melba Chompid, unsere neue Quidditch-Kapitänin. Mit ihren betonten Lippen wirft sie ein spitzes Lächeln in die Runde, wodurch sie von den älteren Slytherins Jubel und Zurufe erhält. Ihre Zwillingsschwester Emmi Chompid sitzt zustimmend daneben, als wäre sie Melbas zweite Stimme.

    Zwar sind Sam und ich schon seit drei Jahren als Treiberin und Jägerin mit dabei, doch die Pläne unserer Kapitänin für die anstehende Saison können mich nicht begeistern. Schon seit längerer Zeit spiele ich mit dem Gedanken aus der Mannschaft auszutreten, denn seit es mehr um Geld als um Sport geht, stehe ich nicht mehr überzeugt dahinter. Abwesend beobachte ich den immerzu gut gelaunten Kuri beim Probieren verschiedener Kräuter, während ich in Gedanken über mein bevorstehendes Schuljahr nachdenke.

    Erst jetzt fällt mir der kleine, gebrechliche Mann am Rande des Lehrertisches ins Auge. Ich habe ihn noch nie zuvor gesehen und mit seinen markanten Gesichtszügen und dem grauen Vollbart wäre er mir bestimmt schon vorher aufgefallen. Ich überlege einen Moment, bis ich schließlich meinen Tischnachbarn Aidan frage.

    „Ach, du meinst den alten Nepos Flinch", antwortet er missbilligend. „Das ist der neue Hausmeister in Hogwarts. Glaub mir, der kann uns Slytherins nicht leiden. Nimm dich besser in Acht vor dem" Gelangweilt erhebt sich Aidan von seinem Platz und schlendert lässig zu Melba hinüber. Kuri scheint unserem Gespräch gelauscht zu haben und beugt sich lächelnd zu mir rüber: „Lass dir nichts einreden! Ich kenne den lieben Flinchy ganz gut und der ist voll in Ordnung, nicht so ein Mitläufer wie die vergangenen Hausmeister. Er hat sogar versprochen uns im Herbst mit in den Verbotenen Wald zu nehmen, um hüpfende Kastanien zu suchen"

    Ich bin überrascht, denn ich hatte gar nicht damit gerechnet, so viele Informationen zu erhalten. Machmal frage ich mich, ob ich die einzige bin, die so verträumt durch ihr Leben schlendert ohne irgendetwas mitzubekommen. Während ich noch nicht einmal wusste, dass unser vorheriger Hausmeister die Schule verlassen hat, planen andere bereits Ausflüge in den Verbotenen Wald. Meistens bin ich auch die letzte, die erfährt, dass sich ein Pärchen getrennt hat, obwohl ich noch nicht einmal mitbekommen hatte, dass es jemals zusammen war. Und von hüpfenden Kastanien im Verbotenen Wald hatte ich bislang auch noch nicht gehört.

ALASCA PRINCE und der letzte TodesserWhere stories live. Discover now