6 / Ein mulmiges Gefühl

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Behutsam setze ich einen Fuß vor den anderen. Die morschen Äste knacken bei jedem Schritt und ich spüre, wie sich eine eisige Kälte an meinen Beinen hochschleicht. Der Mond setzt den Verbotenen Wald in ein silbriges Licht und in der Stille höre jeden einzelnen meiner Atemzüge. Ich weiß nicht was mich hierher führt oder wonach ich suche. Ich habe bloß dieses seltsame Gefühl, dass hier etwas auf mich wartet. Etwas, das entdeckt werden muss. Auf einmal tauchen vor mir zwei gelb leuchtende Augen auf. Ich versuche mich umzudrehen und wegzurennen, doch da springt bereits eine fauchende Kreatur auf mich  zu und reißt mich zu Boden. Verzweifelt versuche ich, sie von mir abzuschütteln, aber sie lässt nicht locker. Mit einem Mal wird alles um mich herum schwarz. Der silbrige Wald verschwimmt vor meinen Augen und der steinige Boden verwandelt sich in einen weichen, nachgiebigen Untergrund, als ob sich eine Moosschicht über ihn gezogen hätte. Neben mir höre ich ein bedrohliches Schnarren und als ich spüre wie mich etwas an der Wange streift, erfasst mich erneut die Angst.

Panisch reiße ich die Augen auf und schnappe nach Luft. Ich liege auf meinem Bett im Schlafsaal. Es ist still und die meisten schlafen noch. Nur vereinzelt sehe ich einige Slytherins, die noch im Halbschlaf in einem Buch blättern oder in Grüppchen leise miteinander plaudern. Erleichtert atme ich auf und blicke hinaus auf den Großen See. Ich kann ein paar kleinere Fische entdecken, die an unserem Fenster vorbeischwimmen. Beim Beobachten der Wesen beruhige ich mich langsam, bis ich plötzlich wieder dieses Schnarren aus meinem Traum höre. Ruckartig fahre ich herum und kann kaum glauben, wen ich da am Fußende meines Bettes sitzen sehe. Mit seinem roten Fell und den schwarzen Punkten hat er sich auf meiner Bettdecke zusammengerollt und schaut mich lieb und unschuldig an. Moon.

    „Dein Kniesel ist echt ein kleines Biest", klagt Sam, als wir uns auf den Weg zur Zaubertrankstunde machen und hält mir ihre Hand hin, die von einer blutigen Schramme geziert wird. Ich muss ein wenig schmunzeln und werfe meiner Freundin einen zuversichtlichen Blick zu. Um Moon muss ich mir die nächsten Tage keine Sorgen machen. Trotz anfänglicher Schwierigkeiten ist Samantha auf Anhieb verzückt von dem kleinen Schlingel gewesen und kümmert sich jede erdenkliche Minute um ihn.

    Mehr Sorgen bereitet mir hingegen die anstehende Stunde Zaubertränke bei Professor Tudor, unserem Hauslehrer. Seit meinem ersten Schultag begeistern mich Zaubertränke und ich habe es damals kaum erwarten können, mehr darüber zu lernen, doch dass unser Hauslehrer uns dieses Jahr darin unterrichten wird, behagt mir nicht. Professor Tudor zählt wohl zu den gefürchtetsten Lehrern an der Schule und obwohl er uns Slytherins bevorzugt, kann er mich nicht ausstehen. Als unreinblütige Hexe wundert mich das nicht. Aufgrund meiner ungewöhnlichen Abstammung weiß ich noch nicht einmal, welcher Blutgruppe ich angehöre. Doch ich versuche mir immer einzureden, dass dies sowieso keine große Rolle spielt.

    Beim Betreten des düsteren Klassenzimmers weht mir sofort dieser modrige, beißende Geruch entgegen und ich schaue mich neugierig im Raum um, bis mein Blick an drei Schrumpfköpfen hängen bleibt. Ich frage mich zu welchen Wesen die Köpfe wohl früher einmal gehört haben und merke, wie sich mein Magen zusammenkrampft. Schnell wende ich mich ab und folge Sam zu einem Platz in der hintersten Reihe. Zu Beginn habe ich Schwierigkeiten mich an den trockenen Unterrichtsstil von Professor Tudor zu gewöhnen, doch sobald wir beginnen „Asiatische Antidotes" zu lesen, packt mich die Begeisterung und ich kann es kaum erwarten das erste Gegengift zu brauen. Während unser Hauslehrer noch einmal die Regeln und die dazugehörigen Strafen für seinem Unterricht wiederholt, blättere ich bereits in das nächste Kapitel hinein und mache am Rand unauffällig ein paar Notizen.

    Schließlich dürfen wir beginnen in Gruppen unsere erste Antidote zu brauen. Während Sam und ich die Rezeptur studieren, bereiten Yukina und der Hufflepuff Toivo bereits gemeinsam unseren Kessel vor. Amüsiert beobachte ich, wie sich die beiden immer wieder neckische Blicke zuwerfen und diskutieren, ob der Trank nun rechts oder linksherum gerührt werden muss. Dass Toivo sich schon lange in Yukina verguckt hat, ist kaum zu übersehen und die Art wie Yukina grinsen muss, wenn er wieder einmal zu oft gerührt hat, zaubert mir ein Lächeln ins Gesicht.

    Der Unterricht vergeht wie im Fluge und nach einer halben Stunde sehe ich gebannt zu, wie sich der Bezoar mit dem Zaubertrank vermischt und lilafarbene Rauchschwaden aus dem Kessel treten lässt. Aufgeregt vergleiche ich unseren Trank mit der Skizze im Buch und obwohl wir bereits alle Zutaten hinzugefügt haben, stelle fest, dass die Färbung noch viel zu sehr ins Rötliche geht.

    „Vielleicht sollten wir ein wenig Diptam hinzufügen", schlage ich vor, woraufhin mich die anderen ungläubig anblicken.

    „Bist du dir sicher? Ihr wisst doch, was mir das letzte Mal passiert ist, als ich mit den Knarlkielen experimentiert habe!" Mit einem schiefen Grinsen zwinkert Toivo Yukina zu, die ihn damals täglich auf der Krankenstation besucht hat.

    „Also ich stimme dafür; das könnte funktionieren. Außerdem kann ich ein bisschen Spaß in dieser öden Unterrichtsstunde gut gebrauchen", kichert Sam und als auch Toivo mir sein zustimmendes Nicken gibt, bereite ich das Diptam für den Zaubertrank zu. Alle blicken gespannt in den Kessel, als ich das Gegenmittel hinzufüge. Zuerst scheint sich nicht sonderlich viel zu tun, doch mit einem Mal schäumt der ganze Trank auf, gibt ein lautes Zischen von sich und färbt sich schließlich in dem typischen Orangeton. Freudig klatschen wir uns in die Hände und ich kann mir einen kleinen Freudenschrei nicht verkneifen.

    Unauffällig ergänze ich die entscheidende Zutat in der Liste und beobachte noch ein wenig den dampfenden Trank, als mich plötzlich das Gefühl beschleicht, beobachtet zu werden. Ich drehe mich vorsichtig um und lasse meine Augen durch den Raum schweifen. Und tatsächlich entdecke ich, wie Professor Tudor mich von der anderen Seite des Raumes mit einem undurchdringlichen Blick anstarrt. Erschrocken drehe ich mich weg und schnappe nach Luft, versuche mich jedoch nicht beunruhigen zu lassen. Ich widme mich wieder meinem Schulbuch und konzentriere mich auf die restliche Unterrichtsstunde. Doch das Gefühl, seinen starren Blick in meinem Rücken spüren zu können, werde ich nicht los.

    „Ich habe mal gehört, dass Tudor ein berüchtigter Legilimentiker sein soll", erzählt mir Sam, als wir Ende der Stunde unsere Sachen einpacken, „Angeblich soll er diese Fähigkeit nur benutzen, um Schüler zu überführen, die sich heimlich an Schwarzer Magie probieren, doch das glaubt schon lange keiner mehr" Diese Neuigkeit gibt mir nicht gerade ein beruhigendes Gefühl und ich überlege angestrengt, ob ich etwas vor ihm zu verbergen hätte. Doch sicherlich gehört dies bloß zu seinen Maschen, um seine Schüler zu verunsichern und als ich mich umblicke, sehe ich zu meiner Erleichterung, wie er sich lediglich mit einer Gruppe reinblütiger Slytherins unterhält. Trotzdem bin ich froh, als wir das Klassenzimmer verlassen.

ALASCA PRINCE und der letzte TodesserWhere stories live. Discover now