Kapitel 12

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»Jayson? Ich komme jetzt rein.«

Langsam öffnete ich die Tür zu unserem Zimmer und fand einen völlig fertigen Jayson vor, der sich seine Haare raufte und vor sich hin fluchte. »Wenn du da bist, um mir etwas vorzuwerfen, dann kannst du gleich wieder gehen.« sagte er, ohne ein einziges Mal aufzusehen.
»Ich weiß, dass du es nicht warst. Weniger weiss ich, warum dein bester Freund dir einen Mord anhängt.« lehnte ich mich an die Tür und verschränkte meine Arme.

»Du glaubst mir?« verblüfft sah er nun auf und blickte mir direkt in meine Augen. »Klar« nickte ich und etwas wie Freude blitzte in seinen sonst so emotionslosen Augen auf. Keine Ahnung, warum ich Jayson glaubte, er hatte mich schließlich ungebracht, aber es fühlte sich richtig an. Mal sehen ob er mich dadurch etwas später tötete.
»Dafür musst du mir aber die Wahrheit erzählen. Was war zwischen dir und Tim vorgefallen?«
Gequält seufzte er auf. »Na gut«

»Vor ein paar Tagen hatte ich erfahren, dass Tim etwas zugestoßen war. Also bin ich sofort zu ihm gegangen, um seinen Zustand zu überprüfen und mit ihm zu reden. Da war noch alles gut, doch einige Tage danach beschuldigte er mich plötzlich, versucht zu haben, ihn umzubringen.«

Jayson lügte nicht, dass würde ich merken. Merkwürdigerweise war anscheinend alles gut, als er ihn besuchte. Also, wieso zur Hölle rückte er jetzt erst mit einer Beschuldigung raus? Das hätte er genauso gut machen können, als Jayson da war. Hatte er vergessen, wer es war und es war ihm einige Tage danach eingefallen? Nein, das wäre absurd wenn alles gut war, als Jayson ihn besucht hatte.
»Da passt was nicht. Warum hat er erst später gesagt, wer ihn umbringen wollte?« fasste ich mir in Gedanken versunken ans Kinn. Auf meine Frage hin zuckte er nur mit den Schultern.

Jemand hat versucht, ihn umzubringen, was nicht geklappt hat. Was würde ich tun, wenn mein Mordopfer überlebte? Hm, wahrscheinlich erneut versuchen, ihn zu töten, weil er zuviel ausplaudern könnte. Aber das war hier nicht der Fall. Es sei denn,.. »Er hat eine Drohung bekommen!« brach ich die drückende Stille. »Was?« irritiert sah er mich an. »Weil der Mordversuch gescheitert ist, hat er eine Drohung bekommen, dass er nichts sagen soll. Oder eben die Schuld auf jemand anderen schieben. Die Drohung kam aber erst später, weswegen am Anfang noch alles gut zwischen euch war, verstehst du?«
Als er vom Bett aufsprang, war ich mir sicher, dass er es jetzt kapiert hatte. »Aber warum würde der Mörder meinen Tod wollen?«, machte er meine tolle Theorie zunichte. »Das sollten wir herausfinden.«

***

»Du bist so ein Langweiler.« verdrehte ich meine Augen, als Jayson schon das zwanzigste Mal meckerte, dass wir das nicht tun sollten. »Einbruch ist nicht Richtig« versuchte er mir meine Idee rauszureden, obwohl wir schon fast angekommen waren. Es war bereits mitten in der Nacht, während wir zu dem Anwesen der Williams reiteten. Ich hätte es ja selbst getan, aber leider konnte ich nicht reiten, sodass ich Jayson um Hilfe bitten musste. »Wir brechen nicht ein, wir statten Tim nur einen kleinen Besuch ab, und zwar so, dass es niemand mitkriegt. Nachdem wir diesen Brief haben, verschwinden wir auch sofort wieder, klar?« schilderte ich ihm wieder meinen brillianten Plan. »Und wenn wir falsch liegen? Was, wenn es diesen Brief überhaupt nicht gibt?« dachte er wieder einmal zu sehr darüber nach. »Dann gehen wir einfach wieder, ganz einfach.«
Ein genervter Laut verließ seinen Mund, ehe er endlich die Klappe hielt.

Ich hatte keine Ahnung, wann unsere Beziehung sich so positiv entwickelt hatte. Meine Angst und Ekel waren nicht mehr so groß wie anfangs, was wahrscheinlich daran lag, dass er mich schon mal getröstet hatte. Oder eben im Arm gehalten hat. Nicht einmal in Tausend Jahren hatte ich das erwartet.
»Wir sind da« unterbrach er meine Gedankengänge. Nur noch ein paar Meter, bis wir am Haus der Williams ankamen.

Glücklicherweise hatte ich mich entsprechend gekleidet für diesen Ausflug. Eine enge Hose, mit der ich problemlos das Gebäude hoch klettern konnte. Hoffentlich war das Fenster nicht verriegelt, sonst würden wir ziemlich in der Scheiße stecken.

»Ich klettere vor und hol' dich, wenn es sicher ist.«, stellte ich klar, als ich vom Pferd sprang, nachdem Jayson es getan hatte. »Nein, ich gehe vor« wandte er dagegen ein. »Tust du nicht« streckte ich ihm provokant meine Zunge heraus und begann sofort zu klettern. »Sturkopf« flüsterte er eher zu sich selbst, was ein kleines Grinsen auf mein Gesicht zauberte.

Mühevoll quetschte ich meine Finger zwischen die Ziegelsteine und zog mich hoch. Dafür, dass ich das zum ersten Mal tat, war ich ziemlich gut darin. »Wenn du hinfällst, fang' ich dich nicht auf!« schrie Jayson zu mir hoch, was mir erneut ein Grinsen entlockte. »Hab ich auch nicht erwartet, Langweiler!« gab ich zurück und lachte über den Provozierten Jayson. Als ich endlich bei der ersten Anhöhe angekommen war, stellte ich mich darauf und blickte hinunter. Das waren ungefähr fünf Meter gewesen, wenn ich von hier fiel, würde ich mit ein paar Knochenbrüchen davonkommen. Von ganz oben, bis zu seinem Fenster, bestand allerdings etwas mehr Gefahr. Es waren noch grob geschätzt vier Meter zu erklimmen.

Jayson musterte mich nachdenklich. Über was er wohl nachdachte? Wahrscheinlich, wie er mich am Besten dazu brachte, hinunter zu fallen. Das würde ich ihm allerdings zu trauen. Meine Angst vor ihm war zwar Teils verschwunden, aber sie bestand noch. Trotzdessen hatte er sich ganz anders verändert, als in meinem früheren Leben.

Fertig mit dem Grübeln, begann ich, weiter zu klettern. Die vier Meter dürften nicht allzu schwer sein. Allerdings begannen bereits meine Fingerkuppen weh zu tun, weswegen ich eine Sekunde lang nachließ und gestürzt wäre, wäre ich in dem Moment nicht angekommen. Mit einer Hand hielt ich mich am Fensterrahmen fest, die andere baumelte in der Luft. »Mist« fluchte ich, platzierte die zweite Hand nun auch auf dem Rahmen und zog mich endgültig hoch.
Mit einer geschickten Bewegung übte ich Druck auf die Fenster aus, wodurch sie aufsprangen. Etwas zu laut für meinen Geschmack, aber immerhin.

Bedacht darauf, keine Laute von mir zu geben, sprang ich in das total verwüstete Zimmer hinein. Der Schreibtisch, der an der Wand in der Mitte stand, war voller Briefe und Zettel. Das riesige Bett, worauf Tim tief und fest schlief, füllte fast den ganzen Raum. Aber am komischten kam mir der kleine Teppich vor dem Fenster vor, der überhaupt nicht ins Zimmer passte. Schnell verwarf ich den Gedanken daran, überprüfte noch einmal, ob Tim auch fest schlief und lehnte mich dann aus dem Fenster.
Jayson stand unten, mit verschränkten Armen und ungeduldig mit seinem Fuß wippend.

Als er endlich aufsah, machte ich mit meinem Daumen deutlich, dass es sicher war. Gleich darauf machte er sich an die Arbeit und kam viel schneller an als ich. Innerhalb von kurzen Momenten war er schon bei mir. »Wow« hauchte ich, sodass er es zum Glück nicht hörte.
»Lass uns anfangen«, lehnte er sich zu mir und flüsterte mir ins Ohr. Hitze stieg mir an den Kopf, als ich bemerkte wie nah er mir war. Blitzschnell entfernte ich mich von ihm, nachdem ich genickt hatte.
Blödsinn. Das war keine Absicht gewesen.

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⏰ Last updated: Jul 22, 2019 ⏰

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