Kapitel 6

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Nachdem ich mich von meinen Eltern verabschiedet hatte, war ich in die Kutsche gestiegen. Jayson saß direkt vor mir und ich konnte nicht aufhören an meine Albträume zu denken, wo er mich umbrachte.
»Du zitterst« brach er die Stille und ich könnte bei seinen Worten anfangen zu heulen. Wer würde keine Angst vor der Person haben, die einen töten würde?
»Es.. ähm.. ist kalt« versuchte ich mit aller Kraft, das Zittern zu unterdrücken. Ich könnte mich schlagen für meine Ausrede. Mitten im Sommer sollte mir echt nicht kalt sein, das war absurd. »Dann hättest du dich wärmer anziehen sollen.« meinte er so emotionslos wie immer. Irgendwie hatte ich das ja erwartet, er würde mich niemals mögen können. Wer mag denn eine grausame Hexe, die zum Spaß mordete? Auch wenn das 400 Jahre her war und ich jede einzelne Tat bereute, für ihn war das immer noch Gegenwart.

Die restliche Fahrt sagte keiner etwas von uns, und das war mir auch Recht. Auch wenn ich jetzt bei ihm wohnte, würde ich jede Chance nutzen, um ihm aus dem Weg zu gehen.

»Wir sehen uns später.« meinte er und sah mich dabei nicht einmal an. Während ich aus der Kutsche kam, war er auch schon verschwunden. Ich wusste, dass er das nur gesagt hatte, weil seine Eltern da waren. Anscheinend wollten sie, dass wir uns gut vertrugen. Einen Dreck.
»Guten Tag« begrüßte ich die beiden, die ein breites Lächeln auf ihren Gesichtern trugen. Ob es gefälscht oder ehrlich war, konnte ich nicht sagen. »Schön, dass du da bist, Kind« die Freundlichkeit von Ophelia Sharpe war mir verdächtig, doch ich verschwendete keine Sekunde länger, darüber nach zu denken und ließ mich von den Beiden ins Innere ihres Hauses führen.

»Fühl' dich wie Zuhause« waren die letzten Worte von Ophelia, bis sie mich alleine in dem riesigen Raum ließ. In der Mitte stand ein großes Ehebett, daneben eine kleine Kommode. Links war ein Kleiderschrank und gegenüber davon ein Tisch mit einem großen Spiegel.

Moment.
Ein Ehebett?

Wieso zur Hölle ein Ehebett? Bitte sag mir nicht, dass ich mit diesem herzlosen Kerl ein Zimmer teilen muss? Das.. wäre das Ende. Ich würde an einem Herzinfarkt sterben, bevor ich am nächsten Tag aufwachen könnte. Vielleicht tötete er mich während ich schlief?
In meinem früheren Leben hatten wir kein Zimmer geteilt, denn Jayson meinte das es nicht nötig wäre, weil er mich nicht als seine Frau sah. Wie zerstört ich danach war wollte ich garnicht mehr wissen, ab da fing ich an, mich mit anderen Männern zu vergnügen. Wenn ich Jayson wäre, hätte ich mein früheres Ich wohl auch umgebracht.

Schnell schüttelte ich meinen Kopf, um diese Gedanken los zu werden. Jetzt musste ich erstmal auspacken und ein Versteck für meine Waffen finden.

***

Zwei ganze Stunden hatte es gedauert, bis ich fertig war. Jayson war in dem Zeitraum kein einziges Mal aufgetaucht, glücklicherweise. Möglicherweise hatte ich mich nur geirrt und wir teilten doch keinen
Raum, das hoffte ich zumindest.

»Lady Sharpe bittet euch, mit ihr einen Tee zu trinken.«, verwundert blickte ich zu dem Dienstmädchen, welches nervös den Kopf ins Zimmer gestreckt hatte und jeglichen Augenkontakt vermied. »Gern« lächelte ich ihr beruhigend zu und ging mit ihr mit.

»Weißt du vielleicht, wo überall Wachen stationiert sind?« fragte ich sie flüsternd, ignorierte dabei ihren misstrauischen Blick. Wenn ich abhauen wollte, dann musste ich mich zuerst informieren. »Ich bin mir nicht sicher, ob ich Euch das sagen darf.« ihre Angst war kaum zu übersehen, während sie diese Worte äußerte. »Ich bin mir sicher Ophelia erlaubt es. Bitte« lächelte ich und versuchte sie zu überreden. Mit überraschten Gesichtsausdruck und Zögern verriet sie mir am Ende doch, wo alles Wachen waren.

Am Gittertor, am Hauseingang und an der Hintertür dieses Gebäudes. Innen waren sie bei dem Zimmer von Ophelia und Eric und leider auch an meinem. Anscheinend war es bei ihrem Sohn nicht nötig.

»Schön, dass du gekommen bist.« langsam fragte ich mich, ob so ein Dauerlächeln nicht irgendwann anstrengend wurde. »Selbstverständlich« schmunzelte ich und nahm neben ihr Platz. Hätte ich allerdings vorher gewusst, dass Jayson und Eric ebenfalls hier waren, hätte ich mir eher überlegt, nicht aufzutauchen. Meine Nervosität überspielte ich mit einem Lächeln. »Bringt Tee für Marly.« befahl sie dem gleichen Mädchen, welches mich hierher geführt hatte. Ihr junges Alter war mir schon vorher aufgefallen und ich fragte mich, wie sie überhaupt für so eine Noble Familie aufgenommen wurde.

»Hoffentlich gefällt es dir hier. Dich stört es doch nicht, dass du und Jayson ein Zimmer teilen, richtig?« ob das überhaupt noch eine Frage war, bezweifelte ich. Würde ich jetzt sagen, dass es mir unangenehm war, würde ich es mir mit den Sharpe's sofort vermasseln. Möglicherweise merkten sie aber irgendwann, dass ich nichts von der Hochzeit hielt. Oder sie hatten es schon begriffen, als sie mich aus dem Fenster springen sahen. Das hätte ich wirklich besser überdenken sollen.
»Natürlich nicht« antwortete ich, als wäre es das selbstverständlichste. Ich wandt meinen Blick ab und sah nun das Dienstmädchen an, dass die Teekanne in der Hand trug.
Anscheinend machte mein Blick sie nervös, denn sie sah augenblicklich zur Seite.

Als sie dann plötzlich über ihre eigene Füße stolperte und beinahe den ganzen heißen Tee auf sich verschüttete, sprang ich reflexartig auf und nahm ihr noch in letzter Sekunde die Kanne aus der Hand, ehe ich sie am Handgelenk packte und zurückzog.

Unglücklicherweise verlor ich dann aber selbst das Gleichgewicht und der neu gebraute Tee schüttete sich auf mein hellblaues Kleid, während ich Bekanntschaft mit dem Boden machte.

Autsch.

»Ach du Liebe Güte!« sah ich aus dem Augenwinkel Ophelia aufspringen und auf mich zu kommen. Der Schmerz auf meinen Armen sorgte dafür, dass der an meinen Po kaum zu spüren war. Musste der blöde Tee auch so verdammt heiß sein?
»Es tut mir schrecklich Leid!« unsicher stand das Mädchen vor mir und zeigte nichts als Scham und Angst. »Ist schon gut. Hast du dich irgendwo verletzt?« erkundigte ich mich, ob es ihr gut ging. Ihr hastiges Nicken war Antwort genug und ich ließ mir von Ophelia aufhelfen.

»Bring sie auf ihr Zimmer und hilf ihr mit dem Umziehen!« befahl sie dem Mädchen forsch, welche unter dem Ton von ihr leicht zusammen zuckte. »Natürlich«

»Es ist alles in Ordnung, hör doch bitte auf, zu weinen.« tröstete ich sie, als wir alleine im Raum waren. Erleichterung kam in mir auf, als ich das schwere Kleid von mir zog. Auf einen Tee würden wir uns aufjedenfall nicht mehr treffen.
»Ich wollte wirklich nicht..« ihre Stimme brach und sie schluchzte laut auf. Warum nahm sie das denn so ernst? »Wie heißt du?« fragte ich, während sie mir ein neues Gewand zum anziehen gab. Diesmal zum Glück nicht so dick und schwer wie das vorherige.

»Gwendolyn« antwortete sie, nachdem sie sich halbwegs beruhigt hatte. Gerade wollte ich fragen, warum es sie so sehr belastete, doch die Tür unterbrach mich.

»Verschwinde« betrat Jayson den Raum und gab Gwendolyn zu verstehen, abzuhauen.
Verdammte Scheiße. Was wollte der denn hier?
Schnell trocknete ich mich noch ab und richtete das Kleid. Das Verbinden meiner Arme würde ich mir wohl für später aufheben müssen.

Rebirth #yellowaward2019Where stories live. Discover now