Kapitel 8

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»Und..«, sie wischte sich über ihr verheultes Gesicht, »und dann hat er gesagt, dass er jemand anderen gefunden hat. Du weißt nicht, wie er mich damit zerstört hat. Einfach so ersetzt zu werden. Erst da habe ich bemerkt, dass er mich nie liebte.« schniefte sie total fertig. Wenn sie nicht betrunken wäre, hätte sie mir ihr ganzes Liebesleben jetzt wohl nicht geschildert. Sie war kaum zu stoppen, wenn sie erst einmal anfing zu reden. »Vielleicht solltest du damit anfangen, nicht so junge Männer zu suchen.« lächelte ich und sah in ihr altes, mit Falten verziertes Gesicht. »Aber.. Liebe kennt doch kein Alter, oder?« Ohne auf ihre Frage zu antworten verschwand ich nun und mischte mich unter die Menge, auf der Suche nach diesem verdächtigen Typen, der schon einige Handtaschen mitgehen hatte lassen.
Hätte ich aber sofort eingegriffen, wäre er wohl entkommen.

Angestrengt stellte ich mich mit diesen unpassenden Schuhen auf die Zehenspitzen und regte mich innerlich über meine Größe auf. Wäre ich nicht so klein, hätte ich diesen Kerl bestimmt schon entdeckt. Abgetragener, dunkelblauer Anzug und eine pechschwarze Maske mit einer blauen Feder angenäht... verdammt, wo war er hin?

Doch meine Suchaktion wurde von einer äußerst nervigen Person unterbrochen. »Halt. Wo willst du hin? Hab ich dir nicht gesagt, du sollst in meiner Nähe bleiben?« natürlich, sein Image war ja wichtig. »Ich muss aber-« forsch unterbrach er mich, »Kein aber, du kommst jetzt mit!«
Wären wir nicht in der Öffentlichkeit, wäre ich wohl das Risiko eingegangen und hätte ihm meinen Lieblingsfinger gezeigt. Außerdem war er doch derjenige, der sich gleich zu Beginn aus dem Staub gemacht hatte!
»'Tschuldige« lächelte ich zuckersüß, drängte mich an ihm vorbei und sorgte dafür, dass er mich nicht mehr so einfach ausfindig machen konnte: ich öffnete meine zugesteckten Haare und riss die riesigen Perlen an der armen Maske herunter. Das würde mir irgendwann mal Gewissensbisse bescheren, wenn ich den Macher dieser aufwändig aussehenden Maske treffen würde.

Ein fröhliches Lächeln erschien auf meinem Gesicht, als ich den Dieb endlich sah. Gerade steckte er eine rote, mit schwarzen Perlen bestickte Handtasche in seine innere Jackentasche. Wie groß war die denn bitte, dass dort soviele Sachen reinpassten? Leicht schüttelte ich meinen Kopf, um mich auf das wesentliche zu konzentrieren. Er musste gefasst werden.
Gehetzt bahnte ich mir einen Weg durch die Menschenmenge und ärgerte mich darüber, dass ich so langsam voran kam. Hoffentlich rührte der sich bis ich ankam nicht vom Fleck.

»Hallo« klammerte ich mich an seinen Arm, als ich endlich neben ihm zu stehen kam. Irritiert und nervös zugleich musterte er mich. »Kennen wir uns?« Ich setzte mein schönstes Lächeln auf und schüttelte den Kopf. »Leider nicht. Aber dürfte ich um einen Tanz bitten?« war wohl keine gute Idee, die Tänze zu eröffnen, aber sonst entkam er mir. Jayson würde auch ganz bestimmt auf mich aufmerksam werden und deswegen könnte ich mir später seine Beschwerden anhören.
»A-aber es tanzt doch noch keiner..« stellte er fest und langsam taten meine Wangen von dem Dauerlächeln weh. »Deswegen möchte ich es ja mit einem so charmanten Mann wie Ihnen eröffnen.« schleimte ich mich bei ihm ein und ekelte mich innerlich selbst vor mir. Ich hoffte, dass ich so etwas nie wieder machen müsste.
»Na gut, ein schneller Tanz.«

Die Musik wurde eingespielt, als wir zu tanzen anfingen. Augenblicklich fingen auch andere an, sich zu der Musik zu bewegen. Trotzden waren einbisschen zu viele Augenpaare auf uns gerichtet, unter anderem auch Jaysons. Ich konnte seinen tödlichen Blick auf meinem Rücken spüren.
»Tut mir Leid« murmelte ich beinahe jede Sekunde, weil ich ihm auf seine Füße stieg. Darauf erwiderte er nur ein schmerz erfülltes Lächeln, welches mir zu verstehen gab, dass es okay war. Überraschenderweise konnte er dafür, dass er ein Dieb war, ziemlich gut tanzen, was bei mir nicht so der Fall war. Vielleicht war er jemand, dessen Familie einmal Adelig war?

»...ihr erster Tanzpartner...«

Na toll, das Getuschel fing schon an und ich konnte mir denken, was die meisten jetzt redeten. Es war Tradition, dass man bei einem Ball seinen ersten Tanz mit dem Verlobten oder Verheirateten hatte. Jetzt brach ich diese Selbstverständlichkeit also und das war schlecht für Jaysons guten Ruf. Er würde mich später umbringen, das war klar. Hoffentlich hörte er mir aber wenigstens zu.
»Was haben Sie denn da in ihren Jackentaschen?« fragte ich unschuldig und sofort machte sich Angst und Nervosität auf seinem Gesicht breit. »Ach, nichts wichtiges.«
»Hm, ist das so«
Gespielt stieg ich auf mein Kleid und stolperte geradewegs vorwärts, direkt auf den braunhaarigen Dieb und ein dumpfer Aufprall war zu hören, als wir beide am Boden ankamen.
Empört zogen einige die Luft ein, während andere ihre Handtasche in dem Haufen, welcher jetzt auf dem Boden lag, wieder erkannten.
Mission erfüllt.

»Verfluchter Mist« murmelte er, als ich von ihm runterkam, bevor er mir durch seine Wut noch das Gesicht demoliert hätte. Geschickt rappelte er sich auf und wollte wegrennen, wurde aber von Wachen aufgehalten, die ihn aus dem Saal schleppten.
»War das Zufall oder hast du das mit Absicht gemacht?« kam Jayson verwirrt auf mich zu und half mir auf, während andere sich entweder ihre Handtaschen schnappten oder mich mit undeutbaren Blicken durchbohrten. »Ich hätte wohl niemals mit ihm getanzt, hätte ich nicht gewusst, dass er ein Dieb war.« lächelte ich und kurz sah ich etwas in seinen Augen aufblitzen, was aber genau so schnell  verschwand, wie es gekommen war. Hass? Wut? Missbilligung?
Ich würde ihn niemals verstehen.

Rebirth #yellowaward2019Where stories live. Discover now