8- "Lassen Sie Gwinn gehen."

2.3K 294 141
                                    

✥✥✥

„Warum sollte ich Ihnen helfen, den letzten Nebelflüsterer zu finden?"
Ich hatte meine liebe Not, nicht vor ihm zu zittern. Es war zumindest deutlich einfacher, mich auf meine Angst und meine Verwirrung zu konzentrieren, als darüber nachzudenken, was vorhin beinahe passiert wäre.
Calean mochte mich überhaupt nicht. Richtig? Morgen hätte er es sicher bereut. Aber ich...

Jetzt saßen wir zu dritt im zerstörten Medizin-Raum, in dem ich das letzte Mal mittels Spritze beinahe meine Erinnerungen an Garcy verloren hätte. Es war schwer, zu sagen, ob die umgestürzten Regale, der zerbrochene Schemel und die eingeschlagene Vitrinenschreibe das Werk der Soldaten oder Hillows waren.

„Du hast gesehen, was mit Caleans Schwester passiert ist. Ich brauche die Spritzen nicht. Also bitte: Maze ist der Zweigesichtige. Da ich für meinen Teil der Illusionist bin, bleibt nur der Wissende. Spannt mich nicht auf die Folter."

Ich hatte Mr. Nacat noch nie unruhig oder neben sich erlebt. Er erinnerte mich an die Trunkenbolde, denen das Geld für ihre Barbesuche ausging. In meiner Heimatstadt wanderten sie nächtelang durch die Straßen, auf der Suche nach Streit oder einem Tropfen Rila-Branntwein, der sie vergessen lassen würde.

In Mr. Nacats Fall fehlte ihm kein Alkohol. Er stand in den Ruinen seines Plans und war wild entschlossen, weiterzumachen.
Etwas, was auch die verbliebenen Artisten spürten, die vor der geöffneten Tür versuchten, alles Brauchbare aus den Ruinen des Zirkus zu retten.

Ich schluckte trocken. Er war gruselig.

„Also? Ich bin ganz Ohr!", forderte er uns erneut auf, „Nur ein Wort und ihr habt eure Freiheit wieder!"

Unruhig rutschte ich auf der Bank hin und her. Mit aller Gewalt bemühte ich mich, nicht die Vorkommnisse zwischen Calean und mir zu denken. Wie er auch den letzten Nebelflüsterer erraten hatte. Nebel könnte jeden Moment aus den zerbrochenen Glasbehältern kriechen, sich um meine Waden schlingen und alles meinem Kopf entreißen, wie Unkraut oder eine Erdgnom-Seuche.

Neben mir starrte Calean ins Leere, als wäre er nicht anwesend. Nein, als wäre selbst die kleinste Regung zu viel für seine Selbstbeherrschung und er würde den Zirkusdirektor anfallen.
Seine Finger zitterten in den geballten Fäusten neben seinen Beinen.

Vielleicht war es besser, wenn er nicht reagierte. Ich wollte nicht in eine Rangelei eingreifen müssen.
„Mr. Nacat", begann ich, jede Silbe in die Länge ziehend, weil ich nicht wusste, wie ich es ihm erklären sollte, „Ich weiß nicht wer-..."

„Würden Sie Gwinn gehen lassen, wenn ich Ihnen sage, wer der letzte Nebelflüsterer ist?"
Calean hatte sich nicht bewegt. Die Worte hatten sich zwischen seinen zusammengepressten Zähnen hindurch quetschen müssen und ließen dabei viel ihrer Verständlichkeit in seinem Mund zurück.

Nur langsam drehte sich der Zirkusdirektor zu dem Jungen um.
„Also warst du es, der Nyam den Tipp gegeben hat?" Eine ruhige Schärfe schnitt in seiner Stimme mit. Die Augen zusammengekniffen, kam er näher.

„Wenn ich Ihnen sage, wer der letzte Nebelflüsterer ist, werden Sie Gwinn gehen lassen?", wiederholte Calean langsamer, als wäre Nacat schwer von Begriff.

Das traf auf den zwar nicht zu; auf mich allerdings schon.

„Einverstanden", Iza Nacat streckte die Hand aus, „Aber ich will den Namen sofort. Keine Spielchen mehr. Kein Aufschub."

Calean ließ sich Zeit, seinem Blick zu begegnen. Nur widerwillig löste er seine Hände aus den Fäusten und stand auf, um dem Nebelflüsterer entgegenzutreten.
Die Luft schien sich unter seiner Bewegung zu kräuseln, als schöbe er energiegeladene Wellen von sich.

Jagd der Nebelflüsterer - Der WunschdompteurWhere stories live. Discover now