3- "Aber warum?"

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"Gesucht: Lyanna Tiàlan. Kronprinzessin, verschwunden in der Nacht vor ihrer Hochzeit. Sie hat lange, rote Locken und blaue Augen. Das Preisgeld für Hinweise liegt bei zwölf Goldknoten, für ihre Rückerstattung zum König bei hundert. Jeder, der ihr bei der Flucht hilft, macht sich des Hochverrats schuldig und wird noch vor dem Morgengrauen seiner Inhaftierung erhängt."

- erster gedruckter Aushang, beinahe in jeder Stadt zu finden

    ✥✥✥   

           „Wer bitte stellt ein Fort mitten in einem waldelfen-infizierten Wald auf und erwartet, dass es niemand findet?"

„Die eigentliche Frage ist doch, warum jemand ein Fort aufbaut und nichts hinein baut."

Maze und Elayn tauschten einen vielsagenden Blick. Gemeinsam saßen sie in zwei hohen, angrenzenden Tannen und spähten über die hölzernen Spitze des Schutzwalls, auf ein leergefegtes Rechteck. Keine Zelte, keine Feuerstelle, nichts. Kein einziges Anzeichen von Leben.

„Na gut", Maze rutschte auf seinem Ast herum, „Dann suchen wir ohne meine Gabe weiter, wenn sie uns nicht an den richtigen Ort bringen will." Sowas war ihm noch nie passiert. Er hatte lange trainiert, bis er seine Instinkte perfektioniert hatte und jetzt das? Es verstimmte ihn deutlich mehr, als er zugeben wollte.

Er robbte näher an den Stamm heran, als Elayn ihn am Ärmel zurückhielt.
„Findest du das hier nicht... merkwürdig? Dass wir buchstäblich nichts sehen?" Mit einer Handbewegung fasste sie alles um sich herum zusammen.

Die dichtstehenden Tannen wichen nur wenige Schritte vor dem mannshohen Zaun zurück. Ihre Äste kamen kaum nah genug heran, dass man auf die Wehr hätte klettern können. Aber warum auch? Dahinter befand sich nichts, als ebener, brauner Waldboden, der merkwürdigerweise nicht im selben weißen Frostkleid erstrahlte, wie alles um ihn herum.

Maze zuckte mit den Schultern.
„Ich finde einiges merkwürdig. Aber normalerweise rettet mich mein Charme", er machte eine Geste, die verdeutlichte, dass das hier allerdings sogar der an seine Grenzen geriet, „Wir sollten keine Zeit verschwenden. Gwinn und Calean-..."

„Konnten auch darauf warten, dass du deinen Elfenrausch ausgeschlafen hast", schnitt ihm Elayn das Wort ab, „Willst du mir ernsthaft klarmachen, dass du nicht wenigstens einmal dort hineinwillst?"

Maze linste über seine Schulter.
„Da drinnen wächst nichts. Wie denkst du, werden wir wieder herauskommen?"

„Durch die Tür?" Elayn deutete das Tor auf der anderen Seite des Gebildes.

Der Sucher runzelte die Stirn. Hin und her gerissen zwischen der Sorge um seine Freunde und seiner natürlichen Hilfsbereitschaft.
„Denkst du sie brauchen uns?"

Elayn war sich da nicht sicher. „Das hier soll angeblich der Sitz der Hand des Lichts sein. Eigentlich sollten sie sich prima verteidigen können. Aber wenn nicht, sehe ich nicht, wie ausgerechnet wir ihnen helfen."

„Verdammt Schade." Die dritte Stimme hinter ihnen, hätte beide beinahe aus ihren Bäumen fallen lassen.
Elayn fuhr in jede Richtung herum, ehe sie das blonde Mädchen im Wipfel der Tanne hocken sah. Im ersten Moment erinnerte sie an eine Eule, mit ihren hellen Haaren und der leuchtenden Augen.

Eine sehr große Eule, deren einzige Reaktion auf Elayns gezücktes Messer, ein breites Grinsen war. Entspannt streckte sie die Beine aus und verschränkte die Arme hinter ihrem Nacken.
„Dein Freund ist deutlich netter als du", kommentierte sie die Auseinandersetzung, als beobachte sie ein Theaterspiel.

Jagd der Nebelflüsterer - Der WunschdompteurWhere stories live. Discover now