6- "Grins nicht so zufrieden. Ich bin immer noch wütend auf dich."

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 „Dich kenn ich doch", achtlos stieg Nyam über Caleans reglose Gestalt im Stroh und kam auf meine Seite des Käfigs zu, „Hatte ich mal was mit dir?"

Die Leute zwischen uns drängten auseinander, bis ich freien Weg zu ihm hinüber hatte. Mein Anblick allerdings, löste vermehrtes Tuscheln und Raunen aus, das mich jeden Schritt auf ihn zu verfolgte.

„Du hast versucht, mich umzubringen", gab ich mit einem trockenen Lächeln zurück. Zu freundlich. ‚Sie wird dich kauen und wieder ausspucken.'

Er überlegte kurz. „Nein, das kann nicht sein."

Ich erreichte den Käfig, bevor sich Maze hinter mir aus seiner Schockstarre gelöst hatte. Seine Schritte stolperte wie ein leiser Herzschlag hinter mir her, und brachte ihm bedauernde Lacher ein.
Aber meine Aufmerksamkeit galt allein dem blonden jungen Mann mit den mandelförmigen Augen und diesem merkwürdigen alterslosen Gesicht. Wie bei unserer letzten Begegnung hatte ich den Eindruck, ihn niemals wirklich zu sehen. Eher eine unsaubere Verfärbung der Schatten, die mir das einzige Bild von ihm geben wollten, dass ich ertragen konnte.
„Ach ja? Du nennst mich eine Lügnerin?"

In meinem Kopf hörte ich Calean sagen, dass ich nur ein Mal in meinem Leben die Klappe halten sollte. Doch die Realität musste ihn schon lange das Bewusstsein gekostet haben.

Meine Antwort ging spurlos an dem breiten Grinsen des königlichen Herolds vorbei.
„Wenn ich dich tot gewollt hätte, würdest du nicht vor mir stehen und dicke Backen machen."

Ich nahm mir an ihm ein Beispiel und zwang meine Züge zur Gleichgültigkeit, auch wenn mein Herz wie eine Kriegstrommel durch meinen Kopf dröhnte. Auf Anhieb fielen mir mehrere dutzend Möglichkeiten ein, mit denen er mir fürchterliche Schmerzen zufügen konnte. Aber nur ein einziger Blick auf Caleans reglose Gestalt holte meinen Zorn in den Fokus zurück. Er züngelte und biss in meine Zunge, bis ich die Worte nicht mehr halten konnte.
„Beweise es."

Etwas Unleserliches huschte durch die Augen des Herolds, ehe er einen Schritt zurücktrat und mit einer einladenden Geste auf eine Tür an der Seite des Käfigs deutete.

„Gwinn...", Maze versuchte, mich am Ärmel zurückzuhalten, doch ein einziger Blick von mir, ließ jede Warnung auf seinen Lippen ersterben. Er musste mir nicht sagen, dass das eine schlechte Idee war.
Aber aus der Nähe sah ich jede blutende Wunde, jede Verfärbung auf Caleans Haut. Sein rechter Arm lag merkwürdig verrenkt unter seinem Körper und hinter den geschlossenen Lidern regte sich nichts mehr.
Das war meine Schuld. Ich würde das geradebiegen.

Die Menschenmasse um mich herum grölte auf, als ich hinter mir die Gittertür schloss. Ihre Begeisterung entlockte Nyam ein leises Lachen, ehe sich seine kalten Augen wieder auf mich legten und mich an Ort und Stelle fixierten.
„Was ist deine Fähigkeit, Gwinn?"

Ich runzelte die Stirn.
„Wäre es nicht dumm, dir das Überraschungsmoment zu nehmen?"

Er zuckte mit den Schultern, nahm seine linke Hand aus der Hosentasche und deutete auf mich. Seine langen, feingliedrigen Finger hingen für einen Herzschlag zwischen uns, dann drehte er den Arm, als öffne er ein Tresorschloss.

Ich ging in die Knie, bevor ich begriff, was geschah. Für den Bruchteil einer Sekunde glaubte ich, seine Hand auf meinem Verstand zu spüren. Mit unsichtbaren Krallen packte er ihn und zerrte etwas aus mir heraus, das sich verzweifelt an mich klammerte.
Mein Magen drehte sich um und die Zuschauer verschwammen zu einem bunten Brei.

„Reden wäre einfacher gewesen", kommentierte der Herold. Mit mildem Interesse betrachtete er seine Hand, als lese er darin, was sie in mir gefunden habe und er war nicht beeindruckt.
„Levitation, hm? Selten."

Jagd der Nebelflüsterer - Der WunschdompteurWhere stories live. Discover now