3- "Was haben Sie vor?"

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Iza Nacat führte uns und seine Männer bis an den Rand der Stadt, wo die Häuser höher und dichter gedrängt wurden. Vor dem mit der schönsten, aufwendigsten Fassade hielt er inne und suchte einen Schlüsselbund heraus, den er unter seinem Frack trug.

Im Licht der Mittagssonne spähte ich die breite Straße hinauf und wieder hinunter, auf der Suche nach Gemeinsamkeiten zu der Siedlung, die ich früher mein Heim genannt hatte.
Mir blieb nicht viel. Die Pflastersteine waren... ähnlich.

Wir mussten uns in einer der nördlicheren Großstädte befinden, denen der lange Winter hier oben seine Dunkelheit eingehaucht hatte. Keiner bemalte die Türen in bunten Farben, um die Irrlichter fernzuhalten, niemand stellte Blumen in die Balkonkästen. Stattdessen waren die Steine und Balken mit Tierschnitzereien und Mustern verziert. Eine Schönheit, die der Kälte trotzte.

Calean packte mich an der Hand, damit ich nicht alleine draußen zurückblieb, während sich die Männer alle durch die Tür drängten.

Es fielen nicht sonderlich viele Sonnenstrahlen durch die kleinen Fenster, aber jemand hatte sich die Mühe gemacht Kerzen im Eingangsbereich zu entzünden.
Hatte ich allerdings das Innere eines typischen Stadthauses erwartet, wurde ich überrascht.

Hinter der Haustür befand sich ein Vorzimmer inklusive Garderobe und einem Tisch, auf dem eine unbesetzte Kasse stand. Eine schmale Treppe kletterte nach oben, doch wir ließen sie links liegen und folgten Mr. Nacat zum Ende des Raums, an dem sich drei Flügeltüren aneinanderreihten.
Sie alle führten in einen Speisesaal, mit einer Tribüne am Kopfende.

„Ich kann nicht glauben, dass du mich ernsthaft in einen Zirkus geschleppt hast", flüsterte Calean mir ins Ohr, kaum die Zähne auseinanderbringend.

Gemeinsam wanden wir uns zwischen runden Tischen hindurch, die mit weißen Tüchern bedeckt worden waren. Zu unserer Linken entdeckte ich weitere Flügeltüren, durch die Männer und Frauen huschten, Servietten, Stoffe und Teller tragend.

„Ich habe dir das Leben gerettet, nichts zu danken", erwiderte ich ungerührt und erntete einen interessierten Blick von Iza Nacat, der jedoch im nächsten Moment von jemand anderem angesprochen und kurzzeitig abgelenkt wurde. Warum konnte er es mir nicht zumindest ein bisschen anrechnen? Ich hatte mich als Nützlicher erwiesen, als mir jeder bisher zugetraut hatte.

Calean schnaubte abfällig.
„Selbst, wenn dem so wäre, würde es immer noch drei zu eins stehen."

„Drei?" Nur in seinen Träumen. Ich war nicht so stark im Rückstand. „Wo nimmst du diese Zahlen her?"

„Gwinn, du kannst überhaupt nicht rechnen", Calean folgte Mr. Nacat zu einer deutlich kleineren Tür, die hinter die Tribüne führte.

Na und? Sein Rechnen hatte uns bis jetzt auch nicht gerettet. Aber das sagte ich nicht.
„Woher willst du das wissen?"

Ungeduldig gestikulierte Mr. Nacat zu der Tür, die er uns aufhielt.
„Seid ihr zwei bald fertig oder soll ich meinen Männern sagen, dass sie alleine mit der Einführung beginnen sollen?"

Mit gesenktem Kopf huschte ich an ihm vorbei. Hinter der Tür wand sich eine winzige Treppe ein Stockwerk tiefer und führte uns in einen Raum, der über die Größe des Saals darüber spottete. Mit meinem blinden Auge musste ich den Kopf hin und her drehen, um ihn vollständig zu sehen. Er war großteilig leer gefegt, abgesehen von zwei oder drei Grüppchen, deren Leute von uns nicht sonderlich Notiz nahmen.

„Fein. Tru zu eins. Bist du jetzt glücklicher?" Calean lief an mir und der Tribüne vorbei, die das Gebilde über uns spiegelte. Sie hatte keine Vorhänge, aber dafür schwere Seile, die sich unter der Decke des gesamten Raums spannte.

Jagd der Nebelflüsterer - Der WunschdompteurWhere stories live. Discover now