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Beatrice hatte den Kindern erzählt, dass sie Oma im Haus unterstützen wollten, wo es doch um Weihnachten immer so turbulent wurde. In Wahrheit hatte Oma alles gut im Griff. Mit Dina, Luigi, Andrea und Maria waren ja bereits genug Leute anwesend, die sie herumkommandieren konnte. Für die beiden war der Grund aber auch gar nicht wirklich wichtig. Für sie zählte nur, dass Dina sie zur Schule brachte, wieder abholte und sie ganz spontan mit den Hunden gehen konnten.

An sonnigen Wintertagen wie diesen schien die halbe Stadt bereits auf dem Rodelhang unterwegs zu sein, als sie ankamen. Die Hunde konnte Dina so nicht von der Leine lassen, aber vorerst sollten Sofia und Antonio ihren Auslauf haben. Sie genossen es, mit anderen Kindern um die Wette zu fahren und sich abwechselnd wieder nach oben zu ziehen. Zwischendurch durfte auch Dina mitfahren, dann kugelte Sofia mit Hunter oder Bino durch den Schnee, während Jelly alles aufmerksam beobachtete und niemanden in die Nähe ließ.

Schwierig wurde es erst, als Dina die Kids dazu überreden musste, weiterzuziehen. Sie verstanden am Ende aber doch, dass die Hunde genauso viel Spaß haben wollten wie sie und man sich dafür etwas weiter zurückziehen musste. Glücklicherweise gab es im Umkreis der Stadt ausreichend Orte, an die man sich zurückziehen konnte.

Ganz verlassen war die Lange Wiese außerhalb der Stadt, wo sie am liebsten hingingen, heute aber nicht. Im wadentiefen Schnee, der im Sonnenlicht blendete, stand eine junge Frau, die sich in einen camelfarbenen Mantel und einen riesigen karierten Schal gewickelt hatte. Mit hochgezogenen Schultern und tief in den Taschen vergrabenen Händen wirkte sie ein bisschen wie ein verlorener Pinguin. Sie hatte sogar ein Küken dabei, ein Kind mit Pinguinmütze, das hingebungsvoll Bahnen in den Schnee stampfte.

Sofia konnte es kaum erwarten, vom Schlitten zu springen und hinzurennen. Antonio war ihr auf den Fersen und natürlich achteten sie darauf, nur auf bereits ausgetretenen Pfaden zu gehen. Es dauerte keine Minute, da waren sie schon voll ins Spiel einbezogen.

Die Dame mit dem Schal wandte sich überrascht um, um zu sehen, woher die beiden Kinder plötzlich gekommen waren. Dina hielt die Hunde ganz kurz, auch wenn die sich ohne anderslautendes Kommando dicht bei ihr hielten. Mehr als Neugierde hatten sie für die anderthalb Fremden auch nicht übrig.

Das Gesicht hinter dem Schal war nur halb zu sehen, mehr als gerötete Wangen und eine schmale Stupsnase erkannte Dina nicht. Unter der türkisfarbenen Wollmütze ragten blonde und dunkelbraune Strähnen in ihre Stirn. Dina war sich ziemlich sicher, sie schon flüchtig vor der Grundschule gesehen zu haben.

«Sorry, stören wir? Problem, wenn ich das Rudel von der Leine lasse?», fragte Dina, als die Frau langsam den Kopf schüttelte. «Der Schnauzer ist Bino, unser lieber alter Opi. Die Kids und diese beiden hier sind schon als Welpen auf ihm herumgeturnt. Der Rottweiler ist Jelly. Die spurt, ohne zu zögern. Frag nicht, Antonio durfte den Namen aussuchen. Und die Fusselnase hier ist Hunter, eine Seele von Hund.» Sie kraulte sein Kinn und drückte ihn an ihre Hüfte. Auch wenn er im Vergleich zu seinen Vorgängern nicht das größte Exemplar war, war er immer noch ein Wolfshund. Deren Ruf mochte besser sein als der von Rottweilern und Dobermännern, aber sie zogen nicht weniger beeindruckte Blicke auf sich. «Aber sag nur, wenn du Angst hast, dann müssen sie eben warten.»

Die junge Dame musterte Dina und die Hunde eingängig, wobei sie es wie selbstverständlich vermied, irgendeinem von ihnen in die Augen zu sehen. Was mussten sie trotz aller Bemühungen, harmlos zu wirken, für einen Eindruck machen? Eine große, breite Frau in einer Lederjacke, drei große, breite Hunde mit Nietenhalsbändern an der Hand, wirkte nicht vertrauenerweckend, bei allen gegenteiligen Beteuerungen. Für gewöhnlich war das genau das Bild, das sie vermitteln wollte. Hier und heute nicht. Vielleicht half es, dass Hunter seinen liebsten Plüschhasen zärtlich im Maul trug.

Kinder ihrer ElternWhere stories live. Discover now