Kapitel 14

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Das Gebäude des Geheimdienstes war kleiner als Joseph es sich vorgestellt hatte. Es hatte zwar mehrere Stockwerke und auch lange Flure, aber er hatte sich eher mehrere aneinandergereihte Gebäudekomplexe vorgestellt.
Glücklicherweise half ihnen die überschaubare Größe des Gebäudes nun, schnell den Weg zur Anmeldung zu finden. Zu Josephs Überraschung hatte es bis hierhin keine Kontrollen gegeben. Er hatte eigentlich damit gerechnet, dass man beim Betreten einer solchen Einrichtung durchsucht würde. Doch hier konnte man einfach hineinspazieren und an der Anmeldung sagen, weshalb man dort war.
Fast wie bei einem Arztbesuch, dachte Joseph.
Hinter dem hölzernen Tresen saß eine junge Frau, die auf einen Computerbildschirm starrte.
"Entschuldigen Sie bitte", sagte Joseph vorsichtig.
"Ja, bitte?", entgegnete ihm die Dame und lächelte freundlich.
"Wir haben einen Termin mit Herrn Zjawinski."
"Achja. Dann warten Sie bitte kurz hier. Herr Zjawinski wird gleich bei Ihnen sein." Die Frau deutete auf eine Stuhlreihe, die an der Wand entlang aufgereiht war. Joseph und Albert nahmen Platz. Joseph ließ seinen Blick durch den Flur schweifen. Eine Raufasertapete, die vermutlich mal weiß war und nun grau überstrichen wurde, war das einzige, das die hohen Wände zierte. Grundsätzlich wirkte das Gebäude trist und kalt. Die Flure sahen genau so aus, wie Joseph es aus diversen TV-Krimis kannte. Als er seine Blicke den langen Flur hinunter schweifen ließ, öffnete sich dort eine Tür. Jakub Zjawinski trat hervor und kam mit großen Schritten auf sie zu.
"Schön, dass Sie es einrichten konnten. Bitte folgen Sie mir", begann Zjawinski das Gespräch und deutete den beiden, dass sie aufstehen sollten.
Joseph und Albert standen auf und folgten dem Agenten in sein Büro.
"Ich muss gestehen, dass ich mir das hier alles etwas größer vorgestellt hatte, Herr Zjawinski", begann Joseph das Gespräch.
"Naja, wir haben mehrere Sitze im ganzen Land verteilt. Das hier ist eben einer davon. Zudem sind natürlich nicht alle unsere Angestellten mit Büros ausgestattet. Manche Agenten haben noch nie einen Fuß in dieses Gebäude gesetzt. Sie arbeiten von anderen Orten aus. Orte, die ich Ihnen natürlich nicht verraten darf."

Als sie Zjawinskis Büro erreicht hatten, schloss dieser die Tür hinter Joseph und Albert. Er deutete auf drei rote Sessel, die um einen kleinen Tisch herum angeordnet waren.
"Bitte nehmen sie Platz."
Joseph und Albert setzten sich hin und warteten gespannt, wie das weitere Vorgehen des Agenten aussehen würde. Dieser ging zu seinem Schreibtisch und öffnete eine Schublade. Er holte zwei viereckige Anstecker heraus und kam damit zu den beiden zurück. Er ließ sich in den dritten Sessel fallen und warf die Anstecker auf den Tisch. Albert griff sofort danach und erkannte gleich, dass es sich um Namensschilder handelte.
"Was soll das?", fragte er verwundert.
"Willkommen beim Geheimdienst", antwortete Jakub Zjawinski.
"Wir bringen Ihnen nur kurz einen Zettel. Dafür brauchen wir kein Namensschild", erklärte Albert und warf die Anstecker wieder auf den kleinen Tisch.
"Ich glaube sie verstehen nicht ganz. Ich möchte, dass sie für den Geheimdienst arbeiten, um mit mir den Fall zu lösen. Wir richten ein Team ein. Mein Vorgesetzter, Neal Masson, wird persönlich dazustoßen. Außerdem wird uns eine junge Kollegin unterstützen. Und dann wären da eben noch wir drei. Ein Team aus fünf Personen also."
"Das geht nicht", antwortete Joseph prompt. "Ich möchte nur wissen, was mit meinem Vater geschehen ist. Danach will ich zurück nach Deutschland. Ich habe eine Verlobte zuhause."
"Herr Heimbeck. Hier geht es um die Sicherheit eines ganzen Landes. Vielleicht sogar um die Sicherheit von ganz Europa. So sehr ich mit Ihnen mitfühle, aber da muss man die persönlichen Interessen mal hinten anstellen", erklärte Jakub und versuchte dabei, so einfühlsam wie möglich zu klingen.

Albert und Joseph schwiegen. Also ergriff Jakub Zjawinski erneut das Wort:
"Bitte folgen Sie mir!" Jakub stand auf und ging zu einer weiteren Tür, die sich am anderen Ende des Büros befand. Er öffnete sie und bat Albert und Joseph, einzutreten. Die beiden standen nun ebenfalls auf und betraten den Raum am Ende des Zimmers. Es war eine Art Konferenzraum. Ein großer, viel zu breiter Holztisch stand in der Mitte des Raums. Rundherum standen breite Stühle, die mit Stoffpolstern bedeckt waren. Auf dem Tisch lagen große Blätter ausgebreitet, die aussahen, als würde es sich dabei um Baupläne handeln.
Und dann waren da noch die zwei Personen, die bereits am Konferenztisch Platz genommen hatten. Ein Mann, der ihnen skeptisch zunickte und eine junge, attraktive Frau, die ihnen ein freundliches Lächeln zuwarf.
"Darf ich vorstellen: Mein Vorgesetzter, Neal Masson, und meine Kollegin Ewa Borowski." Jakub deutete auf die zwei Personen und nickte beiden einmal zu. Danach stellte er Joseph und Albert ebenfalls vor und bat sie, neben den anderen am Tisch Platz zu nehmen.
Jakub selbst blieb als einziger stehen und drehte die Baupläne auf dem Tisch so, dass alle etwas darauf sehen konnten.
"Also der Grund dafür, dass wir dieses Team eingerichtet haben, ist ihre Entdeckung, Herr Lischewski."
Albert nickte zufrieden und schaute den Agenten an. Dieser fuhr fort:
"Tatsächlich taucht in den Bauplänen des Hauses keine Hintertür auf. Zwar ist das kein Beweis für kriminelle Machenschaften, aber immerhin zeigt es uns, dass Änderungen am Haus vorgenommen wurden. Und da Herr Heimbeck Senior zum Zeitpunkt dieser Änderungen in Deutschland war und inzwischen leider nicht mehr unter uns weilt, bedeutet das, dass jemand anderes die Tür eingebaut haben muss. Es ist also anzunehmen, dass meine früheren Beobachtungen und Vermutungen doch nicht aus der Luft gegriffen waren." Zufrieden schaute Jakub zu Masson und Borowski.
Joseph konnte sehen, wie Masson Jakub zunickte und er sah auch, dass Ewa Borowski die Augen in Jakubs Rücken verdrehte.
"Das ist ja alles schön und gut", ergriff nun Joseph das Wort. "Aber Albert und ich sind keine Agenten. Inwiefern sollen wir diesen Fall lösen können? Na gut, Albert mag diese Sache mit der Tür aufgefallen sein, aber mehr auch nicht."
"Sie sagten doch am Telefon, dass Sie noch einen weiteren Hinweis hätten. Die einzigen beiden ernstzunehmenden Hinweise kommen also von Ihnen beiden. Ich hoffe, das beantwortet Ihre Frage, Herr Heimbeck."
"Jetzt wo Sie es sagen", begann Joseph. Er zückte den Zettel aus seiner Jackentasche und warf ihn auf den Konferenztisch. "Das haben wir auf dem Dachboden gefunden. Der Zettel befand sich in einem Schrank, der uns ins Auge fallen sollte. Der Schrank war recht auffällig, da er ganz neu zu sein schien und daher sahen wir hinein. Ich kann Ihnen mit ziemlich großer Sicherheit sagen, dass das die Handschrift meines Vaters ist."
Joseph ließ seine Worte bei den Agenten erst einmal sacken. Einer nach dem anderen nahm sich den Zettel und las ihn. Allen dreien fiel die Kinnlade bis auf die Knie.

Zwischen alten Decken Where stories live. Discover now