Kapitel 13

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Sieben Mal klingelte das Telefon ehe an der anderen Seite abgenommen wurde.
"Ja?", meldete sich der Agent kurz angebunden.
"Hallo Herr Zjawinski. Joseph Heimbeck hier. Ich rufe sie an, weil ich eventuell Hinweise gefunden habe, die für sie von Interesse sein könnten."
"Das freut mich sehr", antwortete Jakub Zjawinski, der nicht besonders enthusiastisch klang. Er schien nicht daran zu glauben, dass Joseph etwas Bedeutsames für die Ermittlungen im Haus gefunden hatte. Womöglich lag das daran, dass der Agent das Haus bereits selbst durchsucht hatte. Den Zettel musste er dennoch übersehen haben.
Daher fuhr Joseph fort: "Und zwar waren wir auf dem Dachboden und dort..."
"Stopp!", unterbrach ihn Zjawinski. "Sagten sie Dachboden?"
"Ja, wir waren gerade dort und haben diesen Hinweis gefunden."
"Ich bin bislang nicht zur Durchsuchung des Dachbodens gekommen", gestand Zjawinski. "Sollten sie dort tatsächlich etwas Brauchbares entdeckt haben, dann sollten wir das nicht am Telefon besprechen."
Mit einem Mal klang der Geheimdienst-Agent deutlich positiver gestimmt. Dass Joseph den Dachboden erwähnt hatte, schien ihn neugierig gemacht zu haben.
"Ich schicke ihnen die Adresse der Geheimdienstzentrale per WhatsApp an die Nummer, die gerade auf meinem Display steht. Kommen sie so schnell wie möglich!", fuhr Zjawinski fort und legte kommentarlos auf.

***

Gespannt blickte Albert Joseph an.
"Hat er einfach aufgelegt?", fragte Albert.
"Ja, aber er schreibt mir eine Nachricht. Darin soll die Adresse seiner Zentrale stehen. Solche Informationen, wie z. B. unsere hier, tauscht man nicht am Telefon aus, meinte er." Joseph deutete auf den Zettel, den er auf dem Küchentisch abgelegt hatte, als sie vom Dachboden zurück in das Erdgeschoss gekommen waren.
"Na worauf warten wir dann noch?", fragte Albert und zuckte mit den Achseln. Er nahm den Schlüssel, der auf der Küchenzeile lag, und warf ihn Joseph zu. "Dann gehen wir den ganzen Schnüfflern mal einen Besuch im Hauptquartier abstatten."
Normalerweise hätte Joseph Albert für diesen Spruch ein müdes Lächeln zugeworfen, aber gerade war ihm danach nicht zumute. Zwar war er glücklich, dass sein Vater womöglich noch lebte, andererseits hatte er Angst davor, seinen Vater durch die Zusammenarbeit mit dem Geheimdienst in Gefahr zu bringen. Man hatte ihn schließlich schon vor der Reise nach Polen gewarnt.
Innerlich war Joseph allerdings klar, dass ihm keine andere Wahl bliebe. Er allein hatte nicht die Möglichkeiten, seinen Vater zu finden. Also hatte er den Schlüssel gefangen und begleitete Albert zum Auto.
Sie nahmen ihre Jacken und verließen das Haus durch die Vordertür. Joseph stieg an der Fahrerseite des Wagens ein. Alberts Aufgabe als Beifahrer bestand lediglich darin, das Navigationssystem zu bedienen. Auf der Hinfahrt hatte er außerdem etwas Musik über sein Handy laufen lassen, doch momentan war ihm klar, dass Stimmungsmusik nicht angebracht wäre. Auch wenn die Leute Albert immer nachsagten, dass er kalt und wenig einfühlsam sei, so hatte er doch genügend Empathie, um erkennen zu können, dass Joseph die Situation emotional mitnahm. Also beschloss er, trotzdem sein Handy anzuschließen und Joseph die Laune auf andere Art und Weise zu erhellen.
Er drückte auf die Taste für die Freisprecheinrichtung in Josephs Wagen. Dann machte er zwei Klicks auf seinem Handy und ließ es klingeln.
"Was wird das?", fragte Joseph erstaunt.
Noch bevor Albert antworten konnte, ertönte eine Stimme am anderen Ende der Leitung.
"Ja, bitte?", sagte Rita.
Joseph hasste es, dass sie nicht ihren Namen am Telefon sagte und normalerweise hätte er ihr deshalb eine kurze, aber deutliche Standpauke gehalten. Dass es eine Sache des Anstandes sei, sich mit dem Namen zu melden, hätte er ihr erklärt. Doch das konnte Joseph gerade gut ignorieren, denn er war einfach nur froh Ritas Stimme zu hören.
"Hallo, mein Schatz. Ich bin's, Joseph. Ich rufe von Alberts Handy an. Wir sitzen gerade im Auto."
"Hey. Erzähl mir alles. Wie ist unser Haus?", fragte Rita im Gegenzug.
"Soweit ganz schön. Aber ehrlich gesagt mache ich mir über ganz andere Dinge Gedanken. Hier ist so viel passiert; ich weiß gar nicht, wo ich anfangen soll."
"Na los, jetzt sag schon! Dir ist doch hoffentlich nichts zugestoßen."
"Nein, nein. Mir geht es gut", beruhigte Joseph seine Verlobte. "Aber wir haben herausgefunden, dass das Haus wohl vom Geheimdienst beschattet wird. Hier treiben sich wohl Kriminelle herum. Aber ich glaube nicht, dass Papa etwas damit zu tun hatte."
"Oh Gott! Habt ihr die gesehen? Diese Kriminellen?"
"Nein, keine Sorge. Als wir in's Haus gingen, war niemand dort. Aber ein Geheimdienst-Agent kam hereingestürmt, als wir gerade in der Küche waren. Zuerst hat er uns für Kriminelle gehalten. Als wir dann aber alles erklärt hatten, hat er uns erzählt, warum er dort war und was er suchte. Albert hat ihm dann einen Tipp gegeben, der ihm offensichtlich bei seinen Ermittlungen half", fuhr Joseph weiter fort.
"Sorry, Schatz. Das hört sich alles absolut merkwürdig an. Ich komme gerade nicht ganz mit. Was für Ermittlungen denn genau?", entgegnete Rita.
"Der Agent jagt irgendeine Untergrund-Gruppe oder sowas. Eben diese Kriminellen, die hier ihr Unwesen getrieben haben. Die sollen unser Haus als Zwischenquartier genutzt haben. Was genau die hier gemacht haben, weiß aber wohl niemand."
"Und das waren dann auch diejenigen, die unsere Autoscheibe eingeworfen haben?"
"Darüber habe ich noch nicht nachgedacht, aber so wird es wohl gewesen sein, ja."
"Willst du nicht nach Hause kommen, Schatz?", fragte Rita. "Du hast das Haus doch jetzt gesehen. Begib dich doch nicht weiter in Gefahr!"
"Das ist noch nicht alles Rita", fuhr Joseph fort. "Wir haben nach Dingen gesucht, die mein Vater mir hinterlassen haben könnte. Dabei sind wir auch auf dem Dachboden gewesen."
"Und da habt ihr was interessantes gefunden?", hakte Rita neugierig nach.
"Das kann man so sagen", antwortete ihr Verlobter. "Dort war eine Kommode, die Albert in's Auge gesprungen war, da sie neuer oder zumindest sauberer zu sein schien als alle anderen Dinge auf dem Dachboden. In ihr waren nur alte Decken. Und zwischen den Decken lag ein Zettel. Auf dem Zettel stand, dass mein Vater noch lebt!"
"Bitte was?", fragte Rita mit gebrochener Stimme. "Joseph, wir haben deinen Vater beerdigt."
"Ja, das weiß ich. Aber es ist seine Schrift. Der Zettel sagt 'Egal, was sie dir erzählen. Ich lebe noch!'... Das wird ja wohl irgendetwas zu bedeuten haben."
"Schatz, das kann nicht sein. So sehr du es dir wünschen würdest. Er ist tot. Begib dich nicht in Gefahr. Sei vernünftig!"
"Sobald das geklärt ist, komme ich nach Hause, Rita. Versprochen! Wir lassen den Geheimdienst jetzt gleich auf den Zettel schauen. Wenn die auch denken, da steckt nichts dahinter, dann setze ich mich sofort in's Auto und komme zu dir."
"Versprochen?", fragte Rita mit weinerlicher Stimme. "Versprichst du es mir?"
"Ich verspreche es!" antwortete Joseph. "Es war schön, deine Stimme zu hören, Schatz. Ich melde mich ganz bald! Ich liebe dich."
"Ich dich auch.", antwortete Rita und legte auf.

Zwischen alten Decken Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt