5. Märchen

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Wie es sich heraus stellte, hatte Lord Jung in allem, was er mir erzählt hatte recht gehabt - oder sie hatten bloß eine sehr hilfreiche Zusammenarbeit.

Fürst Kim hatte mir eine unglaubliche Geschichte über Götter und deren menschliche Reinkarnationen erzählt, mit Begriffen und Namen um sich geworfen, die mir in den kühnsten Träumen nicht eingefallen wären. Ihre Aufgabe war es offensichtlich alles an göttlicher Brut, jede kleine Märchenfigur und Schaurigkeit, die von den Göttern aus auf Erden wandelten auszuschalten und den Frieden der Menschheit zu wahren.

Ich war während seiner gesamten Erzählung hin und her gerissen zwischen Faszination und Unglauben, musste mir aber letzten Endes eingestehen, dass es Sinn zu ergeben schien. Was sonst hätte violette Flammen, wenn nicht eine übersinnliche Kreatur?

Jedoch war ich erst überzeugt, als Fürst Kim dann seine eigenen Kräfte zur Veranschaulichung bot. Er war Tlaloc - es würde dauern, bis ich das aussprechen könnte - und brachte es dazu, dass es im Raum anfing zu blitzen und donnern, tat es ab wie nichts, während ich noch über das wahre Ausmaß seiner Hexerei nachdachte.

Vermutlich kannte man sie deswegen nicht. Weil sie sich davor fürchteten eher Angst als Sicherheit zu verbreiten.

Jedenfalls war er mächtig, sehr sogar und wenn ich ihn richtig verstand, dann hatte jeder von ihnen hier seine eigenen Gaben, alle unterschiedlich.

Ich brauchte zwei Tassen Tee um den Gedanken hinab zu spülen und dann noch eine halbe, bis ich mich selbst weitesgehend geordnet hatte, um in's Gespräch einzusteigen.

"Und nun, wenn ich alles richtig verstanden habe, wurde ich von einem dieser Abnormalitäten vergiftet und ihr seid dafür verantwortlich ein Gegengift zu suchen?", fasste ich das derzeitige Dilemma ganz gut zusammen und der Fürst nickte ernst.

"Weil Eure Tage begrenzt sind, hat dies momentan die höchste Wichtigkeit für uns. Es gibt von Euren Erzählungen her bereits eine eingeschränkte Wahl, was genau daran Schuld sein könnte und wir werden so bald wie möglich auf eine Reise aufbrechen, um uns mit der Sache zu befassen. Ihr müsst dabei selbstverständlich mitkommen, zu Eurem eigenen Schutz, aber auch, damit wir die Symptome im Auge behalten und deuten können." Er sprach in einer tiefen, angenehmen Stimme, lang älter, als er tatsächlich war und ich nickte bloß nachdenklich.

"Wird es kein Nachspiel haben, wenn ihr euren Posten hier verlasst? Was, wenn mehr Angriffe verübt werden?"

Der Fürst lächelte etwas, aber es erreichte seine Augen nicht.

"Keine Sorge, darum kümmern wir uns bereits. Ihr solltet einfach heim gehen und sobald wie möglich reisebereit sein. Fangt bitte auch an ein Tagebuch über die Entwicklung Eurer Krankheit zu schreiben.", riet er mir ernst und erhob sich dann, ich tat es ihm nach.

"Sollte es für Euch ein Problem darstellen mit sechs fremden Männern zu reisen, so seid Ihr selbstverständlich dazu eingeladen eine weitere Person mitzunehmen, um Euer Gewissen zu beruhigen. Ansonsten werden wir Euch abholen." Er verbeugte sich vor mir und ich knickste.

"Vielen Dank für Eure Zeit. Bis bald, Mylord.", verabschiedete ich mich und er brachte mich zur Tür, wo mich dann Lord Choi wieder übernahm, schneller gewesen war als Lord Yoo.

"Nun denn, habt Ihr Hunger?", erkundigte Lord Jung sich grinsend von der Seite aus und ehe ich antwortete, wurde ich bereits in ihren Speisesaal abgeschleppt, wo wir dann auch ein bereits angerichtetes Mahl vorfanden.

Nach all dem Stress und Wissensfluss von diesem Tag fühlte es sich himmlisch an einfach nur zu essen, auch wenn Lord Jung nicht gerade ein schweigsamer Geselle war und ich öfter als mir lieb war Lord Yoos Augen auf mir bemerkte.

"Wie lange werdet Ihr für Eure Vorbereitungen brauchen, Mylady?", unterbrach Lord Jung sich irgendwann selbst mitten im Satz über die Jagd von Wildenten, um mich forschend anzusehen.

"Zwei Tage im Maximum. Ich will nicht zögern und habe auch nicht vieles abzuhandeln.", versicherte ich schnell und war bereits am planen, was ich tragen sollte und wie das zu packen war.

"Nun, erlaubt mir diese Bemerkung, aber es wäre wohl doch besser, wenn Ihr Hosen oder zumindest Hosen unter leichten Kleidern tragen würdet. Unsere Reise wird nicht einfach und so sehr wir es auch zu verhindern ersuchen, so werden wir Euch vermutlich gelegentlich in eine körperlich anstregende und ungeschickte Situation zwingen müssen."

Das klang für ihn vermutlich schlimmer als für mich, die es schließlich gewohnt war für das Training auch ihre Hosen zu tragen, aber ich trug sie normalerweise nicht vor Männern und prompt verkrampfte ich unter dem Tisch unruhig meine Hände ineinander.

"Ich kann das natürlich verstehen und werde versuchen dem Folge zu leisten.", sagte ich also leise und er nickte langsam, hatte vermutlich in seinem Arbeitsfeld schon viele Frauen in Hosen gesehen, Frauen, die rebellierten, Frauen die arbeiteten, oder Frauen, die warum auch immer eben Hosen trugen. Ich würde diesen unangenehmen Fakt beseitigen müssen. Ich würde meine Bewegungsfreiheit und im schlimmsten Fall auch meine Kampfkünste gebrauchen müssen.

Wir aßen weiter und ich lernte viel über Käsekuchen und die richtige Zubereitung von Hühnchen, Lord Choi blieb weitesgehend still und Lord Yoo kommentierte nur hier und da mal zynisch das Geplapper des anderen.

Insgesamt war es allerdings angenehm und sehr gesittet, ich war froh, dass sie zumindest keine wilden Barbaren waren.

Andererseits war da immernoch die Geschichte mit dem Wolf und das beunruhigende Wissen, dass die Königsfamilie hier ihre Finger im Spiel hatte, neue Hürden der Nervosität.

Als ich mich später verabschiedete, bestand Lord Yoo darauf mich nach Hause zu begleiten, war es doch bereits dunkel und eine lange Reise lag vor mir. Niemand konnte ihm diesen Wunsch abschlagen und so sehr ich auch das Gespräch mit ihm mied, so konnte ich nicht nein zu der zusätzlichen Sicherheit sagen, vor allem ohne Akuma nicht.

Fenris war zum Glück in der Dunkelheit nicht in Sicht, als wir uns nach draußen begaben und so sehr ich auch darauf vorbereitet war aus der Dunkelheit von ihm angesprungen zu werden, so froh war ich dann auch, als dies nicht geschah.

Lord Yoo half mir achtsam in die Kutsche hinauf und nahm drinnen dann gegenüber von mir Platz, strich sich penibel sie Rockschöße glatt. Mit einem lässigen Klopfen an die Kutschwand signalisierte er den Aufbrauch und schon ratterten wir vom Anwesen davon, das Klappern von Hufen laut in der Nacht.

"Nun denn, welcher Gott scheint Ihr zu sein?", versuchte ich steif ein Gepräch aufzubauen und er zwinkerte mir frech zu, brach achtlos die Etikette.

"Der Gott der Liebe, meine Schöne.", säuselte er mit einem zuckersüßen Lächeln, das auf mich eher klebrig wirkte und ich zwang mich nicht das Gesicht zu verziehen.

"Scheint ja nicht besonders erfolgreich zu sein.", rutschte mir der Kommentar allerdings dennoch heraus und sofort schlug ich erschrocken die Hand vor den Mund, schalt meine verräterischen Lippen.

Aber der Lord grinste nur, wenn nun auch weniger übertrieben, sondern dunkler.

"Ihr könntet das ändern."

Ich erschauderte und lehnte mich weiter zurück, legte defensiv die Arme in meinem Schoß ab.

"Nein, danke. Weiterhin. Wie könnt Ihr das überhaupt immernoch in Erwägung ziehen, wenn ich womöglich bald sterbe?"

"Ich glaube an unsere Fähigkeiten Menschen zu retten. Wie wäre es mit einem Pakt? Sollten wir es schaffen Euch zu retten, gebt Ihr mir Eure Hand." Ein kleines, siegreiches Grinsen spielte um seine Mundwinkel und allein das war schon ein Warnzeichen.

"Ihr seid der Gott der Verschlagenheit, nicht?"

Lord Yoo lehnte sich lachend zurück, sprach das Thema nicht mehr an, doch ich sah es in seinen Augen, wie sehr er dieses Spiel gewinnen wollte.

KawaakariWhere stories live. Discover now