Kapitel 24

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Der Flug war lang genug, um den fehlenden Schlaf aus der Nacht nachholen zu können aber sie hatte nicht mehr geschlafen und ich auch nicht. Ich starrte auf das blonde, geflochtene Haar und hörte dann, wie der Jet zur Landung ansetzte. Mein Vater hatte keine richtige Ruhe. Ob es nun an Nadja lag oder an dem Tag der ihm bevor stand, wusste ich nicht.
Als wir dann endlich auf einem privaten Flugplatz landeten, sagte kaum einer ein Wort. Nadja war augenscheinlich sprachlos von der Aussicht und meine Brüder und mein Vater waren in Gedanken vertieft. Der kommende Tag, würde für keinen von uns einfach sein.
Mein Vater besaß in Norwegens Fjorde - Meeresarme die tief ins Festland hineinreichten und durch Seen sowie Talgletscher wanderten, ein modernes Ferienhaus mit Ausblick.
Das zweite lag in Lofoten und bestand eher aus zwei Cabinen. Hütten die nebeneinander lagen.
Er flog früher fast jedes zweite Wochenende nach Norwegen um vor wichtigen Kämpfen Kraft zu tanken und zu trainieren.
„Heute passiert nicht mehr viel. Daher werden wir zu den Cabinen aufbrechen und den Ausblick von Lofoten genießen. Ich treffe mich mit einem Makler später zum Abendessen. Morgen am Abend werden wir zum Hauklend Beach mit zwei Wohnmobilen reisen und dort übernachten. Den letzten Tag verbringen wir im Haus am Fjord. Ich will dort ins Trainings Center und treffe den Coach. Da wir alle so schweigsam sind, schlage ich vor - wir fahren in zwei Wagen. Die Wohnmobile holen wir dann morgen Abend ab." Als er Nadjas Gepäck nahm riss er mich aus den Gedanken.
„Lass mich das machen Dad, Nadja fährt mit uns." Mein Vater runzelte die Stirn.
„Ich weiß nicht, ob das eine gute Idee ist. Wenn mir Nadja hier wegläuft, finde ich sie nie wieder."
„So viel Vertrauen hast du zu mir ja?"
„Nach der Sache im Flugzeug vorhin, kein bisschen... Du redest ohne nachzudenken und verletzt sie in einer Tour mit dem was du sagst."
„Ich hab mich dafür entschuldigt."
„Hast du es auch ernst gemeint? Du weißt ja nicht mal, was sie verletzt hat." Da ich mir tatsächlich nicht sicher war, sagte ich nichts. „Na schön. Nadja fährt mit euch aber pass auf sie auf und rede am besten nicht mit ihr. Achtet darauf, dass er sie vernünftig behandelt. Keine Anspielungen auf ihre Mutter oder sonst irgendwen. Taylor du bringst dich selbst damit in Teufelsküche bei ihr...", gab er mir und meinen Brüdern eine Warnung mit auf den Weg.

Während wir das Gepäck verstauten, erreichten uns immer wieder die nachdenklichen Blicke von Nadja. Marie blieb neben ihr stehen, während mein Vater das letzte Gepäck holte und flüsterte ihr zu.
„Nora, die Mutter der Jungs, wurde hier geboren. Xavier lernte sie hier kennen und sie heirateten damals auch hier. Da Nora Norwegen so geliebt hat, wurde hier eine Seebestattung für sie abgehalten. Es gibt aber ein symbolisches Grab in Lofoten, ihr Geburtsort. Die Trauerfeier war groß und es kamen ganz viele Verwandte, Freunde und Arbeitskollegen. Morgen ist ihr Todestag."
„Oh, verstehe... aber was mache ich dann hier? Wenn ich das gewusst hätte, wäre ich zuhause geblieben." Marie lächelte.
„Na ja, er hat dich gefragt oder? Also bist du hier, um ihm Beistand zu leisten. Bevor du mit deiner Mutter da warst, war er noch ganz anders drauf. Er war nur im Training und hat sich ansonsten zuhause verkrochen. Die letzten Jahre hat er nicht nur körperlich kämpfen müssen. Du tust ihm gut. Niemand kann besser nachvollziehen, wie es dir geht, als Xavier. Eigentlich sollte es auch Taylor wissen aber er ist noch voller Wut. Xavier hingegen kannst du blind vertrauen."
„Aber ich mach doch gar nichts."
„Ihr habt ähnliche Interessen Nadja. Er hat eine Aufgabe und will dir ein Vorbild sein. Und mir hat er gesagt, dass eure Nächte sehr unterhaltsam waren und ihn aufmuntern konnten. Er war nie gern alleine." Als ich diese Worte von Marie hörte, wusste ich nicht ob ich mich darüber ärgern sollte oder ob sie damit nicht irgendwie Recht hatte. Fest stand, dass mein Vater seit dem Tod unserer Mutter nicht hier war. Auch ich und meine Brüder hatten ihm in den letzten Jahren viel Ärger gemacht und was auch immer der Grund war, Nadja munterte ihn auf. Deshalb durfte ich nicht zulassen, dass sie ihn dahin zurückbrachte, wo er angefangen hatte. Marie zeigte ihr etwas auf ihrem Handy aber ich konnte nicht sehen, was es war.

Shy - Deep PainWhere stories live. Discover now