Kapitel 10

113 4 2
                                    

„Der Gedanke, dass du hier und nicht im Haus bist... der will mir nicht gefallen." Wir standen im Bootshaus, während langsam die Sonne unterging. Ich seufzte und sah mich um. Zum Meer raus, gab es zwei Fenster und auch Richtung Strand, sodass ich noch Blick auf das Haus hatte. Es war schon ein Stück entfernt aber vielleicht war das grade gut. „Bist du dir wirklich sicher, dass du hier sein möchtest?" Ich überlegte und stellte mir vor, wie es wohl sein würde, wenn ich hier abends alleine war.
„Weiß nicht. Ich kann nicht sagen, wie es sein wird. Nachts wird es schwierig sein zu Beginn."
„Du fürchtest dich also jetzt schon?"
„Ich bin oft ängstlich. Das war ich schon vor dem Angriff." Er kam zu mir und blieb vor mir stehen. 
„Nimm eines der Zimmer im Haus Nadja und wenn du möchtest, kannst du dich hier trotzdem ausleben. Du kannst dich hier verwirklichen, wie du möchtest aber nachts, solltest du im Haus schlafen. Was sagst du? " Unsicher schaute ich ihn an.
„Kann ich darüber nachdenken?"
„Sicher." Hinter uns räusperte sich Alex. Er und Taylor kamen grade zur Tür rein.
„Hey, wir haben euch vom Poolhaus aus hier runter laufen sehen. Wir dachten, wir schauen mal rein. Alles Okay mit dir?", erkundigte sich Alex. „Sieht übel aus", deutete er auf meine Wange. Ich faste mir ins Gesicht und rieb über die heiße Haut. Das war ein mieses Gefühl. 
„So ist sie nun mal. Wenn sie wütend wird, ist sie manchmal unberechenbar. Ich hätte sie nicht provozieren sollen." 
„Sie ist öfter so unbeherrscht?" Ich schaute Xavier an und bereute den Satz sofort. 
„Wie gesagt, ich hab sie provoziert." Es war unangenehm, dass sie das alles mitbekommen hatten. Einheitliches Schweigen lag im Raum. 
„Du hast sie provoziert? Womit? Die Ohrfeige sollte dich zum Schweigen bringen..." Volltreffer. man konnte diesem Mann wirklich nichts vormachen.
„Alles klar, können wir hier jetzt anfangen?", schnaufte Taylor verächtlich. Keine Ahnung was das zu bedeuten hatte. In Taylors Nähe fühlte ich mich zunehmend unsicher. Mir wurde ganz mulmig im Bauch, als er mich so eindringlich ansah. Xavier ging zu ihm. „Räumen wir erst mal alles raus. Vorher kann man hier nichts machen", meinte Taylor, als er an mir vorbei ging. Sein Hund saß vor mir und suchte meine Aufmerksamkeit. Sobald ich Diva aber anschaute, dachte ich an den kleinen Welpen und mir wurde ganz schwer ums Herz. „Dann los. Der Schuppen am Poolhaus hat genug Platz. Eine Wand ist völlig frei, da kriegen wir alles unter. Räumt erst mal die Kisten und Schränke rüber", wies Xavier seinen Sohn an. Sie besprachen kurz, wo die ganzen Sachen hinsollten und fingen dann direkt an die beschrifteten Kisten von den Schränken zu räumen.  
„Na los Mann. Ich will mein Zimmer wieder haben...", brachte er Alex in Bewegung, der mich die ganze Zeit anstarrte.
„Wir beide fahren zu unserem Sorgenkind?" Ich nickte.
„Ich würde mich nur kurz umziehen."
„Okay, ich warte am Wagen." Traurig war ich nicht darum, mich zurückziehen zu können. Ich verließ also das Bootshaus und ging rauf um mich umzuziehen.

Als ich die Tür hinter mir schloss, dachte ich an den kleinen Welpen und wollte mich beeilen. Irgendwie hatte ich mich von ihm ablenken können aber leicht war es mir nicht gefallen. Als ich mich aufs Bett setzte, um mich anzuziehen, griff ich auch endlich nach dem Päckchen, was Xavier mir gegeben hatte. Ich öffnete es und starrte eine Weile auf den Inhalt. Es war ein Kleid. Ein wunderschönes, weißes Strandkleid. Sehr feminin und elegant. Das untere Teil und die vordere Seite waren schlicht und aus einem weichen, glatten Stoff. Am Rücken war es wundervoll geschnitten und machte eine gute Silhouette. Dabei war auch eine Kette mit einem kleinen Anhänger, der mein Sternzeichen darstellte. Die Kette lag in einem weißen Schmuckkästchen. Ich war Schützin und fand ihn wirklich hübsch. Zum Dank für die letzten Wochen, zog ich das Kleid, das Armband und auch die Kette an. Ich hatte die vordersten Strähnen nach hinten zusammen geflochten und mit einer Spange festgemacht. Ich steckte mir eine weiße, täuschend echte Lilienblüte in mein blondes Haar und schaute zur Uhr. Ein wenig drückte ich mich vor dem Tierarztbesucht aber letzten Endes wollte ich auch wissen, wie es ihm ging.

„Hey, was sehe ich denn da? Du hast sie also endlich geöffnet", staunte mein Stiefvater und freute sich. Ich schaute an mir runter.
„Ist es Okay?"
„Ob es Okay ist? Nadja du siehst bildschön aus. Gefällt es dir selbst auch? Die Frage ist viel wichtiger." Ich nickte und lächelte.
„Ja es ist wundervoll. Vielen Dank!"
„Gern geschehen. Können wir fahren?"
„Ja." Wir stiegen in den Wagen und verließen das Tor, als ich auf der anderen Straßenseite, einen mir bekannten Wagen entdeckte. Mir wurde heiß und kalt. Ich war mir sicher, dass das der Van von Sascha war. Die Scheiben waren verdunkelt aber ich war mir ganz sicher. Er fuhr grade weg. Das konnte doch kein Zufall sein.
Vorsichtig warf ich Xavier einen Blick zu. Er war noch sauer, wegen dem, was beim Essen passiert war. Das konnte man spüren und man sah es auch seinem Gesicht an. Ich war hin und her gerissen, als wir auf dem Weg zur Tierklinik waren. Ich gab keinen Mucks von mir. Zum einen schämte ich mich für meine Mutter und zum anderen, wollte ich nicht etwas sagen, das alles noch schlimmer machte. Mich hatte das Ganze auch ziemlich überrascht und ich war ebenso erschrocken, als Xavier erwähnte, dass Taylor im Gefängnis gesessen hatte.

Shy - Deep PainWhere stories live. Discover now