Kapitel 25: "Du hättest da abbiegen müssen..."

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Kapitel 25: „Du hättest da abbiegen müssen…“

David

Ich musste mich zusammenreißen, damit mir nicht die Kinnlade offen stehen blieb. 44 Kilo bei einer Größe von 1,73? Obwohl, sollte ich mich noch wundern, wenn ich sie mir mal genauer an sah? Ihr Gesicht war vollkommen eingefallen und die Beine sahen total gruselig aus. Als wäre sie wie eine Magersüchtige. Die Schuldgefühle machten sich mal wieder in mir breit und es ist wirklich ätzend, wenn sie wirklich ständig zur Stelle sind. Ich meine, es fing an, als sie ins Koma fiel, dann ging es weiter mit der Beinahe-Querschnittslähmung und jetzt auch noch das. Es fraß mich innerlich auf, zu wissen, dass es alles meine Schuld war. Ich wollte sie vor dieser Gang beschützen, indem ich sie von mir fern hielt, aber stattdessen tat ich ihr umso mehr weh. Wenn ich kein Arschloch war, dann wusste ich auch nicht, wer sonst diesen Titel verdient hätte. Schweigend ‚gingen‘ wir nebeneinander her, jeder hing seinen Gedanken hinter her. Ich liebte dieses Mädchen doch und ich wollte meine Isabel zurück. Meine! Ich wollte sie stützen, auch wenn sie mich nicht lassen würde. Ich wollte wieder jeden Tag von ihrer Wärme neben mir begrüßt werden. Ich wollte sie um den Verstand küssen, aber vor allem wollte ich wieder ihr strahlendes Lächeln sehen.
Als ich mich von ihr getrennt habe, hatte ich gehofft, dass es sie nur ein oder höchstens zwei Monate dauern würde, bis sie über mich hinweg war, aber an ihrem Blick -der einem Welpen auf der Autobahn glich- sah man, dass sie nicht ganz wusste, wie sie mir gegenüber empfinden sollte. Immer schwenkten sie zwischen Liebe, Trauer, Hass und Verwirrung. Genauso ging es mir, abgesehen von Hass, aber das konnte man sich wahrscheinlich denken.

„David?...“, hörte ich Isabels sanfte Stimme und riss mich somit aus den Gedanken. Sie sah unsicher zu mir auf und mir fiel auf, dass wir schon bei meinem Wagen waren. Ich frage mich ernsthaft, wie sie es diese Dinger runter geschafft hat, weil am Eingang eine kleine Treppe ist, an der diese Plattformen befestigt waren, damit Rollstuhlfahrer, so wie sie, auch ohne Hilfe runter kamen. Fuhr man da nicht dann volle Karacho runter und vor allem, wie sollte man da wieder so einfach bremsen? Das würde wohl immer ein Geheimnis für mich bleiben, denn ich war zwar gut trainiert, aber so viel Kraft, wie Isabel sie in den Armen brauchen würde, hätte glaube ich, nicht mal ich. „Ja, klar.“, murmelte ich, öffnete die Autotür und hob sie hoch. Es war wirklich erschreckend, wie federleicht sie geworden war und wieder flammte das Schuldgefühl auf. Geschieht dir recht, Dave.
Ich schnallte sie an und spürte ihren Blick auf mir liegen. Verdammt, ich wollte sie jetzt sofort küssen und das Schlimmste an der ganzen Sache war, ich müsste nur alles aufklären und vielleicht, aber auch nur vielleicht wäre sie wieder mein. Es ist zwar verrückt, aber ich hatte mir oft vorgestellt, meine Zukunft mit ihr an meiner Seite zu verbringen. Ich weiß, ziemlich kitschig, aber sie war das erste Mädchen, mit dem ich es mir vorstellen konnte. Vorher hätte ich mich selbst in 20 Jahren noch als den ewigen Junggesellen gesehen, aber da sah man mal wieder, wie schnell sich alles ändern konnte.

Automatisch fuhr ich zu meiner Wohnung ohne großartig darüber nach zu denken. „Äh, David? Du hättest da abbiegen müssen.“, sagte Isabel misstrauisch und deutete mit dem Daumen auf die Abzweigung hinter ihr. „Ich weiß, aber Lee ist noch nicht da und hat mich gefragt, ob ich dich derweil mit zu mir nehmen kann.“, log ich. Ich konnte wirklich nur hoffen, dass sie ihn darauf nicht ansprach, sonst würde sie mich bestimmt für einen psychopathischen Stalker halten! „Oh, o-okay. Wieso hat er mir nichts gesagt?“, fragte sie mich weiter aus und ich spürte schon die Verzweiflung in mir hochsteigen. War sie vorher auch schon so neugierig oder war es mir nie aufgefallen? „Er hat mir im Krankenhaus eine SMS geschrieben, als du deinen Check hattest.“, sagte ich gelassen, aber innerlich wurde mir schon ganz schwindelig. Man, da fühlte man sich ja wie in einem Verhör! Ich betete zu Gott, dass sie nicht gesehen hatte, dass ich im Krankenhaus kein einziges Mal mein Handy aus der Hosentasche gezogen hatte und wie durch ein Wunder sagte sie nichts mehr.
Ich parkte meinen Wagen vor meiner Wohnung und überlegte kurz. Wir hatten keinen Aufzug… Also stieg ich aus, ging um den Wagen herum, hob sie vorsichtig heraus und knallte die Tür mit dem Fuß zu. Aus den Augenwinkeln sah ich, wie sie mich ansah, als wäre ich der Jäger und sie die Beute. Hatte sie wirklich Angst vor mir? Gut, unsere Situation war momentan nicht gerade einfach, aber ich hatte ihr -körperlich- doch nie etwas getan, oder?
Ihre eiskalten Hände klammerten sich um meinen Hals und am liebsten wäre ich einfach stehen geblieben und sie einfach fest an mich gedrückt. Es war schon merkwürdig, was für eine Wirkung Isabel nach all den Monaten immer noch auf mich hatte. Meine Gefühle für sie wurden mit der Zeit stärker und je länger ich sie hier in meinem Arm hielt, desto mehr wurde mir bewusst, dass ich ohne sie nicht leben könnte. Auch wenn ich mich jetzt wie eine Pussy anhöre, aber es war die Wahrheit. Ich liebte Isabel bis heute noch und ich denke, dass sich das so schnell auch nicht ändern würde, ob es mir gefiel oder nicht.
Ich stieg die Treppen hinauf, bis wir vor der Tür ankamen und sie sich anspannte. War ihr diese Vorstellung, diese Wohnung zu betreten, wirklich so zuwider? „Kannst du mal den Schlüssel aus meiner Hosentasche holen? Ich hab grad alle Hände voll. Links“, lächelte ich leicht, als ich ihren unsicheren Blick und die roten Wangen sah. Wie gerne würde ich sie jetzt küssen und sie lieben, bis uns beiden die Luft wegbleibt, dachte ich, als ihre Hand ziemlich nahe bei meinem Freund war. Sie hielt mir den Schlüssel vor die Nase und wies sie an, aufzusperren. Isabel folgte meiner Anweisung und zusammen betraten wir die Wohnung. „Wie wäre es mit Atmen?“, fragte ich ironisch, als ich spürte, dass sich ihr Brustkorb nicht mehr bewegte. Sie musste mich wirklich extrem hassen. Isabel ignorierte das, was ich gesagt habe und ließ sich von mir wie in früheren Zeiten auf der Theke absetzen.
Es fühlte sich wirklich so an, als wäre wieder alles so wie vor Monaten, aber das leichte Wackeln und wie sie sich an die Kannte klammerte, erinnerte mich daran, dass ich ihr Leben zerstört hatte. Auch wenn ich das niemals wollte. „Und mein-“, fing sie an, aber ich unterbrach sie. „Ich hole ihn schon. Keine Sorge.“, sagte ich sanft und ging nach unten zu meinem Auto. Ihr Rollstuhl war zwar nicht so schwer, aber trotzdem war es beachtlich schwer dieses Mörderteil die Treppe rauf zu schaffen. Ächzend stellte ich den Rollstuhl im Eingang ab und ging wieder zurück zu Isabel, aber als ich sah, dass ihr einzelne stumme Tränen die Wangen hinunterliefen, stockte ich kurz. „Hei, was ist los?“, fragte ich sie sanft und nahm sie ohne zu überlegen in den Arm. Erst zögerte sie, doch dann klammerte sie sich so fest an mich, dass ich mich wirklich fragte, über was sie nachgedacht hatte. Ohne etwas zu sagen, strich ich ihr beruhigend durch die Haare, aber anstatt das es besser wurde, fing sie jetzt zu schluchzen an.
Ich nahm ihr Gesicht zwischen meine Hände und sah in diese wunderschönen leuchtenden Augen, die ich so liebte. Ich strich mit meinen Daumen über ihre weiche Haut an den Wangen und stellte mich zwischen ihre Füße, um ihr näher zu sein.
Verdammt, David. Reiß dich zusammen!, ermahnte ich mich, aber es war schon zu spät. Dieser traurige Ausdruck in ihren Augen tat mir so unendlich weh, wie es mir zuletzt an dem Tag, an dem ich Madison küssen musste, im Herz schmerzte. Ich drückte sie wieder fest an mich und vergrub meine Nase in ihrer Halsbeuge, während ihre Tränen weniger wurden. „Du riechst anders.“, stellte ich nach einer Weile leise fest und erinnerte mich zurück an die Zeit, in der sie so unwiderstehlich nach Himbeeren gerochen hatte. „Liegt an Lees Duschgel.“, lachte sie mit brüchiger Stimme und ich konnte mir ebenfalls das Grinsen nicht verkneifen, auch wenn ich verdammt noch mal eifersüchtig auf Lee war. Ich weiß noch, damals, als wir uns mit Blicken töten wollten, aber ich brauche wohl nicht zu erwähnen, wie erleichtert ich zu dieser Zeit war, als er mir erklärte, dass er sie doch bloß freundschaftlich mochte und wir später sogar gute Freunde wurden.
Über ihre Schulter sah ich auf die Küchenuhr und stellte mit Freude fest, dass es schon ziemlich spät war. Standen wir wirklich schon so lange Arm in Arm hier? „Macht es dir was aus, wenn du heute hier schläfst? Es ist schon ziemlich spät…“, fing ich an und zu meiner Überraschung protestierte sie nicht einmal. „Okay, aber ich hab keine Sachen dabei und die sind von heute… naja, durchgeschwitzt.“, sagte sie und zupfte an ihrem dünnen Pulli. „Normalerweise sind noch ein paar Sachen von dir da, die du vergessen hast.“, gab ich verlegen zu und mied absichtlich ihre leuchtend blauen Augen. Mit schnellen Schritten ging ich in ihr altes Zimmer zu ihren Schrank. Ich war mir sogar ziemlich sicher, dass hier noch Kleidung von ihr war, schließlich war ich ja oft genug hier, um mich auszuheulen. Ich nahm den Rucksack voll Sachen und holte eine Jogginghose und ein Top heraus. Das andere Zeug waren bloß Jeans und andere Tops. Mit den Sachen in der Hand ging ich zu ihr zurück und gab sie ihr. „Danke.“, flüsterte sie und ich wurde das Gefühl nicht los, dass sie nicht ganz wusste, wie sie mit der ganzen Situation hier umgehen sollte.
Ich hob sie hoch, trug sie in ihr altes Zimmer und setzte sie auf dem Bett ab. „Ähm, brauchst du noch irgendwie Hilfe, oder…“, fragte ich sie und könnte mich Ohrfeigen, als ich mich am Hinterkopf kratzte. Das machte ich immer, wenn ich nicht weiter wusste. „Nein, passt schon. Danke.“, sagte sie noch einmal und ich ging aus ihrem Zimmer. Ich holte tief Luft und stieß sie wieder aus. Ich konnte es nicht glauben - sie war wieder bei mir, wenn auch bloß für diese Nacht, aber ich hatte sie so vermisst, dass es mir egal war. Ich war einfach nur glücklich, sie überhaupt bei mir zu haben.
Ich drehte noch die Lichter in der Wohnung aus, als Isabel nach mir schrie. „Hm?“, sagte ich, als ich die Tür öffnete und hineinspähte, nur um sicher zu gehen, dass sie schon angezogen war. „Ähm, hast du noch einen Pulli oder so von mir da?“, fragte sie und rieb sich die Arme. „Von dir nicht, aber du kannst einen von mir haben.“, sagte ich zögernd und musste mich zurückhalten, um nicht breit zu grinsen, als sie nickte. Ich ging in mein eigenes Reich, wühlte in meinem Schrank nach einem möglichst kleinen und weichen Pullover und ging zurück zu ihr. Als ich näher an Isabels Bett trat, sah ich, dass ihr ihre eigenen Sachen am Körper hingen, als würden sie ihr gar nicht gehören. Ich gab ihn ihr und sie zog ihn über. Er war zwar immer noch viel zu groß, aber trotzdem gefiel es mir, dass sie wieder Oberteile von mir trug. „Gute Nacht.“, sagte ich leise, bevor ich das Licht ausmachte und die Tür schloss.

~*~*~*~

Hei Leute,
Also heute mal komplett aus Davids Sicht :) Was haltet ihr davon? Und außerdem hätt ich eine Frage an euch. Soll ich wieder nur aus Isabels Sicht schreiben, oder wie am Anfang mischen? :)

Ass meets another Girl  ✔Where stories live. Discover now