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Der Himmel spannte sich als ein dunkles Tuch über die Welt, während eine kühle Brise durch die zahlreichen Straßen Seouls wehte.

Wenn man ganz genau lauschte, konnte man vielleicht die leisen Stimmen der Windgeister im Rascheln der Baumkronen, Sträucher oder des am Boden liegenden Bonbonpapiers hören, welches Namjoon gerade vor die Füße geweht wurde.

Müll war wohl in einer so großen Stadt üblicher, als einer alten Eiche über den Weg zu laufen. Vor allem da diese hier keine Füße zum Laufen zu haben schienen.

Noch einen kurzen Moment lang blieben seine Augen an dem blaugrün gestreiften Stück Papier hängen, ehe ein alter Mann mit Gehstock seine Aufmerksamkeit auf sich zog.

Die eine Hand stützte sich auf dem geschliffenen Stück Holz ab, während er mit der anderen versuchte seinen Hut auf dem Kopf zu behalten.

Denn auch wenn es sich nur um eine leichtere Brise handelte, waren Windgeister sehr verspielte Gesellen, die es liebten, einem Knoten in die Haare zu machen oder einem Dinge zu entreißen, die nicht entrissen werden wollten.
Da schien ihnen der große Hut des Alten wohl gerade recht.

Weiß und knöchern stachen seine Finger im Halbdunkel hervor, als er im Schein einer Laterne, an Namjoon vorbei ging.

Sein, vermutlich vom Leben gezeichnetes, Gesicht war dabei durch seine ausladende Kopfbedeckung weitgehend verdeckt. Höchstens den Mund und das Kinn konnte der Schwarzhaarige erkennen: Es war kantig und ebenso blass wie seine vom Leben gezeichneten Hände.

Auch wenn er nicht gerade viel für die Menschen übrig hatte, so fand Namjoon es dennoch interessant sie zu beobachten.
Sie aus der Ferne zu studieren, sich über ihre primitive Existenz lustig zu machen, aber auch um von ihnen zu lernen.

Ihre Welt war so anders als seine Heimat, obwohl sie sich im Kern eigentlich nicht wirklich voneinander unterschieden.
Und dennoch... wirkte ihre Welt um einiges kühler und rauer auf ihn. Zumindest ging es, soweit er dies eben schon beurteilen konnte, so auf den Straßen einher.

Wenn es hell war, ging der Schwarzhaarigen so gut wie nie raus.
Er hasste die Sonne, das Treiben der Masse und diese ganzen positiven Gefühle. Sie machten ihn krank.

Um all diese Faktoren möglichst zu meiden hatte er irgendwann beschlossen Tagsüber zu schlafen und nur in der Nacht wach zu sein.
So wirklich recht machen würde man es ihm wohl nie können, aber Namjoon zog die Kälte dem Tag und seinen Nebenwirkungen definitiv vor.

Jedoch war das nicht sein einziger Beweggrund. Das nächtliche Leben schien wie geschaffen für jemanden wie ihn zu sein.
Für einen Jäger.

Heiliges Mochi, er verputzte jetzt keine Menschen oder sowas!
Viel eher war Namjoon auf deren Gefühle und Emotionen scharf.
Sie waren es, die seinen wahren Hunger stillten. Die ihm seine frühere Stärke wieder geben würden.

Ohne jegliches Zeitgefühl wanderte der Geist durch die Straßen - suchte in Gassen und auf schmalen Wegen nach einem neuen Ziel.
Es konnte schon nach Minuten oder erst ein paar Stunden später sein, als der hellhäutige junge Mann mit dem schwarzen Haar endlich seinen Zielort erreichte:

Es war eine dunkle Nebengasse in der es verlockend nach Zorn duftete. Sie schien perfekt zu sein.

Mit einem leichten Lächeln auf den Lippen lief der ziemlich normal aussehende junge Mann an ein paar Kerlen vorbei, welche sich wohl gerade mit irgendeiner seltsam riechenden Mixtur volllaufen ließen. Bestimmt etwas selbst Gebrautes.

Um die Kerle zu provozieren, rempelte Namjoon einen von ihnen mit Absicht grob an, um ihre Aufmerksamkeit zu bekommen.
Obwohl die Männer gerade einen Rausch hatten, blieben sie zunächst noch ruhig und entspannt.

Einer von ihnen - der den er angerempelt hatte - drehte sich nur kurz um und brummte.
"Hey du Idiot, pass doch auf!
Du hast nichts gesehen, kapiert? Zieh Leine ..."

Doch genau das wollte Namjoon ja nicht. Er wollte die drei ja provozieren. Früher hätte er sowas bei weitem nicht nötig gehabt, aber... früher war eben früher.
Heute hatte er keine andere Wahl. Entweder starb er, weil er immer schwächer wurde - oder er wählte ihre Wut.

Angst und Verzweiflung waren dem Dunkelhaarigen zwar um einiges lieber, doch dazu musste er erst wieder zu Kräften kommen und sich ein geeignetes Opfer auswählen, das er einschüchtern konnte.

Namjoon wusste, dass das Folgende in seinem Zustand schmerzhaft sein würde, doch das war ihm egal. Sein Hunger siegte allmählich über den Verstand.

Ohne jegliche Andeutung einer Überleitung von 'Hey Dude' zu 'Let's start a fight' griff er den Nächstbesten der drei Männer an und schlug ihm mit voller Wucht mit der geballten Faust auf die Nase.

Der Mann taumelte überrascht und vor Schmerz brüllend zurück und drückte seine Hände schnell auf diese. Es dauerte nicht mehr lange bist frisches Blut zwischen seinen Fingern hervorquoll und an seinen Händen hinab lief.

Ein paar der Tropfen verirrten sich in die Ärmel, andere sammelten sich auf seinem hellen Oberteil oder verliehen den Pflastersteinen der Gosse einen roten Touch.
Aufgebracht sah der Mann Namjoon zwischen seinen Fingern, mit welchen er versuchte das Blut und den damit einhergehenden Schmerz in Grenzen zu halten, wütend an.

"Du mieser Bastard!
Was soll die Scheiße?!"

Dem Geruch nach zu urteilen hatte sein Gegenüber nicht gerade wenig getrunken. Der Gestank von Alkohol war so intensiv, dass er den eigentlichen Geruch des Mannes beinahe komplett zu überdecken schien.

Angewidert rümpfte der Dunkelhaarige seine Nase.
Beißend und mit einem bitteren Nachgang umwehte der Geruch die drei Menschen vor ihm. Hüllte auch ihn ein, je näher sie ihm kamen.

Namjoon hatte noch nie viel von diesem „Genussmittel" gehalten und wie die Menschen mit diesem Geschenk umgingen.
Doch wenigstens hatte er sein Ziel erreicht. Der alkoholisierte Mann war wütend und schien, ebenso wie seine Begleiter, bereit dazu auf seine Provokation eingehen zu wollen.


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So... ich bin ehrlich gesagt noch immer nicht so ganz damit zufrieden, aber argh...
Seid bitte etwas gnädig mit mir, ich bin nicht besonders gut darin, sowas zu schreiben :')

Light and Shadows | MinjoonWhere stories live. Discover now