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Lily Evans besteigt lächelnd den Hogwartsexpress. Die rothaarige Hexe mit den grünen Augen beginnt nun ihr siebtes und somit ihr letztes Jahr an der Zauberschule. Und dann auch noch als Schulsprecherin! Sie konnte ihre Freude kaum bändigen, als sie den Brief erhalten hatte. Da konnten sogar die beleidigenden Kommentare ihrer Schwester Petunia nicht gegen ankommen.
Petunia ist Lilys ältere Schwester und wie auch ihre Eltern ein Muggel, also nichtmagisch. Seit Lily damals ihren ersten Hogwartsbrief erhalten hatte, war das einst so vertraute Verhältnis der beiden Mädchen hinfällig. Immer, wenn Lily also in den Ferien nach Hause kommt, darf sie sich anhören, was für ein Freak, ja was für eine Missgeburt sie doch sei. Anfangs hatte es sie wirklich gekränkt, dass Petunia so zu ihr ist. Doch mittlerweile hat sie es akzeptiert, dass sie und ihre Schwester sich wohl nie wieder vertragen würden.
Seufzend macht sich Lily auf in das Schulsprecherabteil. Sie fragt sich, wer wohl ihr Partner sein würde. Sie hofft, dass sie zumindest vor einem Slytherin bewahrt werden würde. Die Schüler des Hauses Slytherin (in Hogwarts gibt es die Häuser; Gryffindor, Hufflepuff, Ravenclaw und Slytherin) sind seit jeher bekannt für ihre Feindseligkeiten gegenüber den Gryffindors und besonders den muggelstämmigen Schülern Hogwarts'. Und da Lily in Gryffindor und eine muggelstämmige Hexe ist, ist eine Kooperation mit einem Slytherin eher schwierig.
Am liebsten wäre Lily wohl die Gesellschaft von Remus Lupin als ihren Schulsprecherpartner. Der ruhige Siebtklässler ist ebenfalls ein Gryffindor und er und Lily kamen schon immer gut miteinander aus. Einzig und allein seine Freundschaft zu James Potter und Sirius Black ist ein Dorn in ihrem Auge. Black und Potter sind zwei selbstverliebte und, zugegeben, gutaussehende Gryffindors ihres Jahrganges. Und sie lieben es, Unsinn zu machen. Eigentlich passt Remus so gar nicht zu ihnen. Es wundert Lily wirklich, wie er mit ihnen befreundet sein kann, wo er doch, genau wie sie, keinen Drang verspürt, Regeln zu brechen.
Doch als sie die Tür zu ihrem Abteil öffnet, würde sie gerne wieder umdrehen. Sie erkennt die schwarzen und verwuschelten Haare nur zu gut. Noch bevor sie das Gesicht des Jungen  sehen kann, zischt sie: ,,Potter! Was machst ausgerechnet DU hier? Dies ist das Abteil für Schulsprecher und nicht für Regelbrecher." Nun wendet sich James Potter ihr zu. Seine braunen Augen hinter der Brille fokussieren sie. Er fährt sich mit der Hand durch die Haare und lächelt für Lilys Geschmack deutlich zu selbstsicher. ,,Hallo Evans. Ich weiß, in welchem Abteil ich sitze und ich kann dir versichern, dass ich hier goldrichtig bin. Wie waren deine Ferien?" Lily ist deutlich überfordert. Sie kann nicht glauben, dass tatsächlich Potter ihr Partner ist. Ohne ihm eine Antwort zu geben setzt sie sich auf den Sitz ihm gegenüber und holt demonstrativ ein Buch hervor. Soll er doch da sein. Sie wird ihr letztes Jahr genießen und es sich nicht von ihm vermiesen lassen.
So vergeht die erste Stunde der Fahrt leise und ohne, dass Lily Evans wegen James Potter ausrastet.
Dann geht die Abteiltür auf. ,,Evans. Krone! Du lebst ja noch!" Niemand geringeres als Sirius Black betritt das Abteil. Grinsend schaut er erst zu Lily, die sich wieder genervt ihrem Buch zuwendet, und dann zu James. ,,Na Tatze. Hast du schon Moony und Wurmschwanz gesehen?", fragt dieser.  Black nickt und schon beginnen die beiden Rumtreiber, über ihre anstehenden Streiche zu beraten. Bis Lily der Kragen platzt. ,,POTTER! Falls es dir entgangen ist, dann erkläre ich es dir zum letzten mal. Du bist SCHULSPRECHER. Ein VORBILD für die jüngeren Schüler. Deine Zeit als Streichekönig ist VORBEI!", sagt sie in gefährlichem Ton. Noch bevor einer der beiden Jungen vor ihr reagieren kann, erhebt sie sich. ,,Ich werde mich mal im Zug umsehen und schauen, ob alles beim rechten ist. Solltest du nacher auch tun, ich mache sicherlich nicht alles alleine. Schließlich ist das auch deine Aufgabe." Wohl wissend, dass ein neckender Kommentar mehr als nur unklug wäre, halten Potter und Black den Mund, bis Lily die Abteiltür hinter sich schließt und auf dem Gang verschwindet. ,,Man Krone. Da hast du ja dieses Jahr echt was vor dir. Auf jeden Fall ne Menge Stress mit der Evans. Aber du wirst doch trotz Evans immernoch deinem Ruf als Rumtreiber gerecht?!", fragt Sirius. James jedoch macht eine wegwerfende Bewegung und meint: ,,Glaub mir, Tatze. Von Evans lasse ich mir nichts vorschreiben. Ich werde meinen Pflichten als Rumtreiber alle Male gerecht. Sie kann meckern, wie sie will. Ich lasse doch mein letztes Jahr nicht damit verstreichen, als langweiliger Spießer durch die Gänge zu laufen und keinen Spaß mehr zu haben. Und sie bringe ich auch noch dazu. Wirst sehen." Sirius lacht. ,,Als ob. Du kriegst sie ja nicht mal dazu, mit dir auf ein Date zu gehen." Doch James zuckt mit mit den Schultern. Und wenn es das letzte ist, was er tut. Irgendwann wird er mit Lily Evans, seiner großen Liebe, ausgehen.
Währenddessen läuft Lily durch die Gänge des Zuges. Sie hat schon bei den Vertrauensschülern halt gemacht und ihnen kurz ihre Pflichten erklärt. Dabei musste sie aufpassen, Severus Snape nicht mit ihren Blicken zu töten.
Severus Snape ist ein Slytherin des siebten Jahrganges und war bis zum Ende des fünften Jahres ihr bester Freund. Bis er sie als Schlammblut beschimpft hatte, als sie ihn vor den Rumtreibern beschützen wollte. Schlammblut ist eine schlimme Beleidigung in der Zaubererwelt und widmet sich denjenigen, die von Muggeln abstammen. Sogenannte Reinblüter, die aus wirklich reinen Zaubererfamilien stammen, vertretendie Ansicht, dass Muggelgeborene nicht würdig sind, Zauberei zu erlernen. Freilich vertreten nicht alle Zaubererfamilien diese Ansicht. Doch die, die sie vertreten, sind vorrangig im Hause Slytherin. So auch Severus. Wobei er nur ein Halbblut ist. Seine Mutter ist eine Hexe, während sein Vater ein Muggel ist. Da Severus' Freundeskreis jedoch nur aus eben solchen besteht, die Muggelgeborene als Abschaum betrachten, wurde er mit den Jahren genauso. Seine Freundschaft zu Lily wurde immer brüchiger, bis sie an jenem Tag auseinander brach. Natürlich hatte Severus sich immer wieder versucht zu entschuldigen, jedoch hat er Lily so sehr gekränkt, dass sie ihm nicht verzeihen kann.
,,Lily! Warte!", hört sie da auch schon seine Stimme. Lily dreht sich um und stemmt die Hände in die Hüften. ,,Was willst du, Snape?", fragt sie kalt. ,,Ich wollte... also... ich...", stammelt er vor sich hin. Lily hat davon genug. ,,Weißt du, ich habe zu tun. Wenn du das nächste mal mit mir reden willst, dann bitte anständig und nicht so stotternd." Sie dreht sich um, geht davon und lässt Severus mit hängenden Schultern stehen, ehe auch er sich wieder umdreht und zurück in sein Abteil geht.
,,Lily! Hier!", hört sie die vertraute Stimme ihrer besten Freundin, Marlene McKinnon. Sie sitzt in dem Abteil, an dem Lily beinahe vorbei gelaufen wäre. Bei ihr ist auch Lilys andere Freundin, Alice Fortescue.
Marlene ist eine aufgeweckte und recht fröhliche Person (Lily hatte sie bist jetzt nur einmal weinen sehen, ansonsten lächelt Marlene beinahe am Stück). Sie hat lange schwarze Haare und blaue Augen, welche in perfektem Kontrast zueinander stehen. Alice hat ein etwas rundliches Gesicht, schulterlange braune Haare und braune Augen. Im letzten Jahr saß sie nicht bei ihren Freundinnen, sondern bei ihrem festen Freund, Frank Longbottom. Dieser ist nun mit der Schule fertig, jedoch weiß Lily, dass er und Alice beinahe täglichen Briefkontakt pflegen.
Lily lächelt und gesellt sich kurz zu ihren Freundinnen. ,,Hey Marls, hey Alice. Wie geht es euch?", fragt sie. Marlene grinst. ,,Super. Alice hat mir gerade von Frank vorgeschwärmt. Die kleine ist echt Hals über Kopf verliebt,  sage ich dir. Aber erzähl mal. Du bist Schulsprecherin, das weiß ich ja. Aber wer ist dein Partner?" Lily stöhnt genervt auf und vergräbt das Gesicht in den Händen. ,,So schlimm?", fragt Alice. Lily schaut sie an. ,,Schlimmer als schlimm. Mein Partner ist doch tatsächlich James Potter! Was hat Dumbledore sich dabei nur gedacht?", klagt sie ihren Freundinnen ihr Leid. Marlene lacht und auch Alice kichert verhalten. ,,Vielleicht denkt er ja, dass du unserem lieben James endlich mal etwas Vernunft beinringst. ", merkt die erstere an. Lily seufzt. ,,Nun gut. Ich werde mal wieder gehen und nachsehen, ob Potter und Black das Abteil schon auseinander genommen haben. Wir sehen uns dann in der großen Halle. " Sie verschwindet und lässt ihre grinsenden Freundinnen zurück.
Im Schulsprecherabteil angekommen, nimmt sie zufrieden zur Kenntnis, dass Black wohl wieder zu den anderen gegangen sein muss. ,,Du bist jetzt mit deinem Rundgang dran, Potter.", ist ihr knapper Kommentar, bevor sie sich ihrem Buch zuwendet. Am Rande bekommt sie mit, wie Potter sich erhebt und aus dem Abteil geht. Endlich hat sie ihre Ruhe. Sie lehnt sich zurück und versinkt in ihrem Buch. Es handelt von einem Mädchen, das versucht, die Aufmerksamkeit eines Jungen zu erlangen, jedoch oft genug kläglich scheitert. Natürlich würde Lily es nie zugeben, aber sie liebt solche Kitschgeschichten. Gebannt verfolgt sie die Handlung, bis sich plötzlich eine Hand in ihr Sichtfeld schiebt. ,,Evans, ich störe recht ungern, musst du wissen. Aber... wir sind gleich da.", hört sie die Stimme von James Potter. Seufzend klappt sie ihr Buch zu und unterdrückt einen Kommentar an Potter. Sie schaut aus dem Fenster. Draußen ist es dunkel. Sie stutzt. Tatsächlich schien die Zeit wie im Flug vergangen zu sein.
Als der Zug hält, gehen sie und Potter aus dem Abteil hinaus und stehen nur wenige Augenblicke später auf dem Bahnsteig. ,,Los, komm. Wir müssen aufpassen, dass kein Erstklässler versehentlich in die Kutschen steigt.", sagt sie und geht mit ihm im Schlepptau zu den Kutschen.
,,Also Evans", beginnt James, als sie dann endlich in die letzte Kutsche steigen können (tatsächlich mussten sie zwei schüchterne Erstklässler zu den Booten bringen), ,,da wir nun Partner sind, finde ich, sollten wir das Kriegsbeil begraben. Aber vorher hätte ich noch eine Frage. Gehst du mit mir aus?" Er kann es einfach nicht lassen. Lily jedoch lächelt süßlich. ,,Oh Potter, Potter, Potter. Wie soll ich das nur sagen? Hm... Ich denke, direkt ist wohl das beste. Nein und niemals. Und jetzt sei bitte still." Sie lehnt sich zurück und genießt die kurzzeitige Sprachlosigkeit ihres Gegenübers. Doch diese währt zu ihrem Leid nicht lang. ,,Was, wenn nicht?", fragt Potter, ein freches Grinsen auf den Lippen. Lily verdreht die Augen. ,,Dann mache ich kurzen Prozess.", sagt sie und zieht ihren Zauberstab. ,,Silencio." Potter fällt die Kinnlade herunter. Lily lächelt. ,,Keine Sorge, Potter. Sobald wir am Schloss sind, nehme ich den Zauber von dir. Aber ich will wirklich meine Ruhe haben und wenn ich die nur so kriege... Dann ist es so." Den Rest der Fahrt schaut Potter beleidigt drein, während Lily ihren Triumph auskostet.
Man legt sich eben nicht mit Lily Evans an.

der Hirsch, der mich das lieben lehrteWhere stories live. Discover now