Kapitel 26

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Sophia

Dallas saß mir gegenüber am Tisch, hatte die Unterarme vor sich gelegt und die Hände verschränkt; sah mich abwartend an.
»Schon seit ich klein war stand es irgendwie fest, dass ich mal die Farm übernehmen soll und damals... damals mit neun Jahren fand ich das auch noch ganz toll - die ganzen Pferde und die Aussicht meinen Dad stolz zu machen, waren zu der Zeit noch ein Klein-Mädchen-Traum von mir.« Dallas sah mich stumm an und -obwohl ich nichts lieber wollte als meine Klappe zu halten- ich konnte einfach nicht anders, alles -die ganze Wahrheit- sprudelte aus mir heraus. Es war längst überfällig dass ich es jemandem anvertraute und irgendwie dachte ich, dass Dallas Evans, den ich in ein paar Monaten wahrscheinlich sowieso nie wieder sehen würde, dafür ganz gut geeignet wäre. »Aber jeder wird älter und... irgendwann fand ich die ganzen Pferde und das Leben, welches für mich praktisch schon vorgeplant war, eben echt nicht mehr so toll. Vor allem dann nicht mehr, als meine Mum mich und Mira zum ersten Mal allein in die Mall zum Shoppen gefahren hat. Da waren all diese Designer; Chanel, Hilfiger... ich weiß noch, ich bin mit großen Augen und offenem Mund vor einem Schaufenster stehen geblieben und als ich das alles gesehen habe, stand es für mich fest. Ich fing an zu zeichnen, mich für Fashion zu interessieren -und damit meine ich nicht den Cowboyhut und die Stiefel- und selbst Sachen zu entwerfen; meine Vorstellungen aufzuzeichnen.«

Ich stand auf und deutete Dallas, mir zu folgen, was er auch tat. Mit einem Gefühl von Unsicherheit in meinem Bauch öffnete ich die Tür zu meinem Zimmer und lief geradewegs auf meinen Schreibtisch zu und zog eine der Schubladen auf.
Die Box landete mit einem dumpfen Knall auf der Oberfläche des Tisches. Sie war groß, schwer und vollgepackt. Den Inhalt dieser Box hatte noch nie jemand gesehen. Nicht meine Eltern, nicht Callen, nicht Mira. Mira wusste zwar, dass ich gut zeichnen konnte und vollkommen auf Fashion stand, aber selbst ihr hatte ich das hier nie gezeigt. Ich nahm den Deckel ab.

Dallas Augen wurden groß als sein Blick auf den riesigen Stapel Blätter fiel, der im Inneren der Box lag. »Darf ich?«, fragte er und ich nickte. Er griff vorsichtig nach ein paar Blättern, als wären es antike Folianten aus seiner Campusbibliothek.
»Sophia«, sagte er, während er sie durchblätterte, völlig überwältigt von den Sketches. »Versace ist 'n Scheiß dagegen. Die sind der absolute Wahnsinn.«

Meine Wangen wurden leicht rot, aber diesmal war es mir nicht peinlich; es fühlte sich gut an für das gelobt zu werden, was ich selbst ausgearbeitet hatte - das, was ich wirklich zu tun liebte.
»Danke«, erwiderte ich mich mit einem Lächeln.
Dallas warf mir einen süffisanten Blick zu und meinte grinsend: »Also deswegen stehst du so auf Designer.«

Mein Blick bestätigte ihn. »Seitdem ich zwölf bin, will ich nichts sehnlicher, als Designerin werden. Mein Lebenstraum - wenn du's so willst. Ich will der berühmten Coco Chanel, Jimmy Choo und Donatella Versace nacheifern, mit Sophia Webster eine exklusive Kollektion entwerfen und verwirklichen.«
Er legte meine Zeichnungen beiseite und seine Hände an meine Schultern. »Dann gib es nicht auf, Sophia«, sagte er und irgendwie hatte ich das Gefühl, dass sehr viel mehr hinter seinen Worten steckte, als nur das. »Wenn es das ist, was du wirklich willst, dann halte daran fest und mach es. Für dich. Für... mich

Ich sah ihn mit großen Augen an. Er sah für eine Sekunde genauso zurück, als würde er erst jetzt bemerken, was er eben zu mir gesagt hatte. Seine letzten Worte hatten ein komisches Gefühl in meinem Körper zurückgelassen und verstanden, was Dallas damit meinte, hatte ich auch nicht. »Wieso?«

Er lächelte matt und in seinen blauen Augen lag Traurigkeit, sodass ich mich eigentlich sofort entschuldigen wollte, so etwas gefragt zu haben. Und doch antwortete er mir.

»Weil ich es nicht mehr kann, Sophia. Deswegen.«

Seine Worte hätten mich zufriedenstellen sollen; als Antwort genügen sollen. Und doch taten sie es nicht. Im Gegenteil, sie zogen mich wie magisch an, hin zu Dallas und ich konnte und wollte nichts dagegen tun.

Dallas - Just one Year Where stories live. Discover now