Kapitel 2

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Dallas

»Shit, shit, shit«, fluchend schlug ich mit meiner Faust auf meinen Laptop ein, sodass in der Suchleiste von Google nur unlesbare Buchstaben, Zeichen und Zahlen standen.

Die Hand, die mir Adam auf die Schulter legte, schlug ich weg und starrte weiter dunkel auf den Bildschirm, auf dem dreizehn Mal das selbe rote Wort stand, bevor die E-mail anfing:

Abgelehnt.

»Hey man, das Teil kann auch nichts dafür dass eben jeder ein Auslandsjahr machen will«, versuchte Adam mich zu beruhigen und klang dabei so rational und entspannt, dass ich mich ernsthaft fragte, warum ich ihm überhaupt davon erzählt hatte.

»Es ist doch alles sinnlos.« niedergeschlagenen​ sank ich in meinem Stuhl zusammen und fing mir einen weiteren warnenden Blick der Bibliothekarin ein, die mich und Adam schon seit geraumer Zeit über den Rand ihrer Brille beobachtete. »Ist es denn so schwer ans andere Ende der Welt in den unzivilisierten Westen zu flüchten?«

»Es ist eben momentan ziemlich viel da drüben los...«

»Momentan?!«, flippte ich fast aus und sprang von meinem Stuhl auf, der geräuschvoll über den Boden kratzte, was die Bibliothekarin gar nicht freute, »Momentan?! Ich versuch seit vier verdammten Monaten irgendwo einen Platz zu bekommen und alles ist einfach weg.«

»Reg dich ab Dallas«, zischte Adam und warf flüchtig einen ehrfürchtigen Blick zu der alten Dame die gerade einen Stapel Bücher durchsah, »mal ehrlich Bruder, die haben sich vielleicht schon viel früher angemeldet und noch dazu normale Gründe wohin auch immer zu reisen während du...«

»Ja, sprich weiter, Adam.« finster starrte ihn an, was ihn sofort verstummen ließ und er sich hinter meinem Laptop verkroch. Das Bad Boy Dasein auf der Highschool hinterließ eben doch Spuren...

Mein bester Freund fuhr sich abwesend durch seine dunklen Haare, drehte meinen Laptop zu sich um und starrte ihn pausenlos an. »Ich will doch einfach nur weg von hier«, seufzte ich und vergrub mein Gesicht in meinem schwarzen Hoodie, den ich zusammengeknüllt in meinen Händen hielt. Das Wetter hier in Oxford war wie immer schrecklich; verregnet, kalt und langweilig - und das im Spätsommer.

Ich hatte die Idee von Anfang an verachtet, als meine Eltern auf die glorreiche Idee kamen, ihren ältesten Sohn an die Universität von Oxford zu schicken um ihn wenigstens noch ein bisschen zu erziehen -dreiundzwanzig Jahre zu spät wohlgemerkt- und damit dafür zu sorgen, dass er später eventuell mal ein guter Sohn und CEO wird.

Um das zu erkennen hatten meine Eltern geschlagene dreiundzwanzig Jahre gebraucht - Gratulation.

»Dallas«, sagte Adam meinen Namen und starrte mit großen Augen auf meinen Laptop. Hatte er etwa gerade  'Gal Gadot nackt' eingegeben und tatsächlich einen Treffer gefunden? Oder hatte er das Video auf YouTube gesehen, indem jemand eine eingefrorene Katze fand? Wohl kaum. »Dallas«, wiederholte er sich, diesmal lauter, weswegen die Bibliothekarin einen Stift nach uns warf, sodass ich mich gerade noch rechtzeitig ducken konnte und den zwei kichernden Mädchen, die schon seit einer Weile über den Rand ihrer Bücher zu Adam und mir herüberstarrten, mit einem einem kurzen Blick besah, was sie nur noch mehr zum kichern brachte.

»Was ist jetzt, man?«, forderte ich ihn auf, endlich herauszuschieben was ihn so sehr zu fesseln schien.

»Sieht so aus als könntest du doch noch ans andere Ende der Welt verschwinden.« mit diesen Worten drehte er mir den Bildschirm des Laptop's hin, sodass ich lesen konnte was auf der Seite geschrieben stand.

Ungläubig las ich weiter, die Beschreibung klang nicht schlecht und die wichtigsten Kriterien waren erfüllt: so weit weg von Britannien wie nur irgendwie möglich. »Nicht dein Ernst.« zur Untermalung der drastischen Wendung zuckte ein Blitz über den dunklen, verregneten Himmel, was in den großen Fenstern der Bibliothek ziemlich gruselig aussah.

Wie zur Hölle hatte Adam das gemacht?

»Du bist der David Copperfield von Oxford, man«, ein Grinsen bildete sich auf meinem Gesicht und ich lachte erleichtert auf, als ich seine Brofist erwiderte. »Ich wollte zwar nie nach Texas aber scheiß drauf.«

Adam schulterte seinen Rucksack, stütze sich neben mich auf den Tisch und beobachtete wie ich die Bewerbung für das Auslandsjahr abschickte und schließlich meinen Laptop in meinen Rucksack packte und Adam, unter den bösen Blicken der Bibliothekarin, aus der Bibliothek folgte.

»Das klappt doch nie«, murmelte ich leise, da ich schon die dunkle Vorahnung hatte, dass es diesmal der vierzehnte Fehlversuch werden würde.

***

Unruhig tippte ich mit der Rückseite des Kugelschreibers auf meinem Tisch im Vorlesungssaal herum, warf immer wieder einen nervösen Blick auf die Uhr an meinem Handgelenk oder auf mein Smartphone und hörte dem Professor, der gerade irgendetwas über eine Tragödie eines Poeten vor sich hin faselte, gar nicht mehr zu. Stattdessen hörte ich das Ticken des Sekundenzeigers überdeutlich in meinem Kopf während alles andere nur gedämpft zu mir drang.

Seit vier Tagen hatte sich nichts mehr zum Thema Auslandjahr getan; keine E-mail, kein Anruf, nix, nada.

Und jede Stunde die ich weiter in Unwissenheit darüber, ob ich ein Mal in meinem Leben Glück hatte, verbrachte, brachte mich innerlich um.
Während Adam neben mir, nur hin und wieder einen schrägen Blick zu mir herüber warf und weiter Notizen machte, war mein Blatt noch komplett leer.

Gerade wollte ich noch einmal auf mein Handy sehen, als mein bester Freund mir seinen Ellbogen in die Seite rammte. »Jetzt hör schon auf Dallas, du machst jeden im Umkreis von drei Kilometern verrückt.«

Ich verzog mein Gesicht nur kurz, riskierte einen letzten Blick auf mein Handydisplay und wollte es dann wieder unauffällig in der Tasche meines Hoodies verschwinden lassen, als mir plötzlich etwas ins Auge sprang.

International stay adroad: Herzlichen Glückwunsch, sie wurden akzeptiert.

»Verdammte Scheiße ja man!«

Ein Räuspern unterbrach mich, nachdem ich aufgesprungen war und meiner Erleichterung Luft gemacht hatte. Und das nicht gerade leise.

»Mister Evans, es freut mich sehr zu sehen dass Sie die Liebesgeschichte von Romeo und Julia so sehr zu mögen scheinen, aber ich muss Sie leider bitten, sich wieder zu setzten.«

»Oh, entschuldigen Sie.« schnell ließ ich mich wieder auf meinen Platz neben Adam sinken, der sich gerade so zurückhielt nicht zu lachen, murmelte erneut eine kurze Entschuldigung bevor ich mein Handy herausholte und mit der Benachrichtigung von der international stay adroad Seite vor ihn auf seinen Tisch warf. »Mein Tag, mein Leben - alles ist gerettet.«

»Wie krass ist das denn Bro?« jetzt war auch Adam aufgesprungen und hatte für neuen Gesprächsstoff für die anderen Studenten gesorgt, die nun aufgeregt mit ihren Nachbarn zu tuscheln anfingen.

»Ja in der Tat, Mister Unwin; die Handlung Julia's ist für viele nicht ganz eindeutig zu verstehen, da stimme ich Ihnen zu«, so schnell wie Adam wieder saß konnte ich nicht mal bis zwei zählen, »und wenn ich noch einen dieser... Ausfälle bei einem von Ihnen beiden sehe, dann verlassen Sie beide diese Vorlesung. Haben wir uns verstanden?«

Ein einstimmiges 'Ja' war von uns zu hören, bevor wir das Beste taten um unseren akuten Anfall von Lachen zu verstecken. »Das ist der Wahnsinn Dallas, aber schon in zwei Wochen?«, flüsterte Adam und freute sich wie ein kleiner Junge, der gerade seinen ersten Fußball geschenkt bekam, was mich lächeln ließ - mit meinen war ich jedoch ganz woanders.

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Aloha ihr tollen Leser🖖 jetzt habt ihr auch mal unseren Prom kennen gelernt: Dallas Evans.

Wie findet ihr ihn so? Irgendwelche Theorien über ihn? :)
~May&Bae

Dallas - Just one Year Onde as histórias ganham vida. Descobre agora