2. Jinhwan

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Ich ziehe die schwarze Jacke enger um mich, als ich den Bürgersteig entlang laufe, um zur Bushaltestelle zu kommen. Lächelnd streiche ich mir durch die nun blonden Haare. Meine Schwester hat mich mehr oder weniger dazu gezwungen, eine neue Haarfarbe auszuprobieren. Erstaunlicher Weise sieht es nicht mal so bescheuert aus, wie ich erwartet hatte. Vielleicht falle ich dann bei der Show etwas mehr auf. Die anderen Trainees haben mich bisher ja kaum wahrgenommen. Aber so unscheinbar, wie ich bin, ist das ja auch kein Wunder.

Fasziniert starre ich in den Himmel und betrachte die Hochhäuser der Skyline Seouls. Sterne sind bei der ganzen Lichtverschmutzung nicht zu sehen, leider, aber das wusste ich auch schon vor dem heutigen Abend. Im Laufe der Jahre gewöhnt man sich daran. Kurz sehe ich auf die Uhr meines Handys, 21:25 Uhr. Der Bus kommt also gleich. Sich hinzusetzen lohnt sich nicht, also bleibe ich unter dem kleinen Dach der Haltestelle stehen und betrachte die Umgebung.

Der Coach hatte mich heute beim Training eher gehen lassen, weil ich in letzter Zeit so hart gearbeitet habe und er sich so dafür bedanken wollte, dass ich länger geblieben bin und beim aufräumen geholfen habe (mindestens drei Wochen). Somit hatte ich endlich wieder Zeit für die Familie. Nun ja sie haben mich an den Friseur abgegeben und ein paar Sachen gekauft. Was genau weiß ich nicht. Vielleicht werde ich es später noch erfahren. Jedenfalls haben sie mich alleine gelassen und ich hatte mehr als genug Zeit zum nachdenken.

An sich bin ich ganz zufrieden damit, wie es momentan läuft. Es gibt nichts, worüber ich mich beschweren könnte. Das Training läuft gut und im Gegensatz zu den meisten Anderen kann ich die Choreografie. Endlich haben sich meine Überstunden bezahlt gemacht. Der eine aus der Gruppe hat so keine Chance auch auf mich wütend zu sein. Zum Glück. Er ist verdammt selbstbewusst und ein hoffnungsloser Perfektionist, der bis zuletzt arbeitet. Egal, ob er umkippt oder nicht. Ich bin ihm aber vermutlich noch nicht mal aufgefallen. Ob er überhaupt weiß, dass ich auch ein Trainee bei YG bin? Bestimmt nicht

Deprimiert seufze ich und lasse die Schultern etwas sinken, wodurch die Tasche nach unten rutscht und ich sie gerade noch auffangen kann. Ich möchte jetzt nur noch ins Bett und weiter über den bereits feststehenden Leader nachdenken. Es hört sich vielleicht seltsam an und erzählen würde ich das auch keinem, aber ich glaube, dass ich ihn mehr mag als ich sollte.

Gedankenversunken betrete ich den Bus, als sich die Türen endlich öffnen und der erste Schwung Leute bereits drin ist. Der Preis ist schon wieder gestiegen das ist doch echt zum kotzen. Gefrustet seufze ich, als ich die ganzen Leute sehe, die bereits stehen. Und ich hatte noch Hoffnungen Mein Blick wandert durch die Blechbüchse auf Rädern und bleibt an ihm hängen. Der Leader, um den meine Gedanken in letzter Zeit etwas zu oft kreisen, sitzt abwesend im hinteren Drittel. Neben ihm ist noch ein Platz frei. Soll ich ihn fragen oder nicht? Aber er sieht so grummelig aus okay, das tut er eigentlich immer.

Ich atme tief durch, straffe die Schultern und gehe mit wankendem Schritt auf ihn zu. Doch mein kaum vorhandenes Selbstbewusstsein verflüchtigt sich wieder, als ich vor ihm stehe.

Die braunen Haare an den Seiten kurz geschnitten und das Haupthaar nach hinten gestylt, leicht verschwitzt und mit seinem immer noch kritischen Gesichtsausdruck. Er ist genauso wie immer. Dieser Gedanke lässt mich leicht lächeln und ehe ich selbst realisiere, was ich eigentlich genau mache, zupfe ich vorsichtig an seinem schwarzen weichen Pulli. Allerdings reagiert er nicht. "Entschuldigung?", frage ich daher unsicher und tatsächlich dreht er sich zu mir und strahlt mir sein komplettes Desinteresse entgegen. Die einzige Reaktion ist das Heben einer Augenbraue. Ich deute auf seine Tasche und stöhnend nimmt er sie weg, um diese kurzdarauf auf seinem Schoß zu platzieren. Wunderschönes Augenverdrehen haha.

Leicht verängstigt setzte ich mich mit etwas Abstand neben ihn. Als er einfach weiterhin die Leute beobachtet, werde ich jedoch nervös. Ich sitze neben meinem Schwarm und mir fällt einfach nichts ein, über das ich mit ihm reden könnte. Kann er nicht einfach den Anfang machen? Ich würde doch sofort darauf eingehen, egal, was es ist. Er strahlt so viel Selbstbewusstsein aus

Aus dem Augenwinkel bemerke ich, dass er mich mustert. Bitte lass mich nicht rot werden. Bitte lass mich nicht rot werden. Bitte, bitte, bitte, bitte, BITTE! Trotzdem spüre ich, dass meine Wangen sich leicht färben und an meinen Händen Schweiß wie in Flüssen fließt. So viel Aufmerksamkeit auf einmal bin ich wirklich nicht gewöhnt!

Als ich seinen Blick immer noch auf mir spüre, wage ich es doch und sehe schüchtern zu ihm. Es verwirrt mich irgendwie, dass er mich so sehr beachtet. Verlegen starre ich zurück in seine wunderschönen braunen Augen. Komm schon, Hanbin, sag irgendwas. Irgendwas. Was ist mir sogar egal! Einfach irgendwas! Flachwitz, Sport, Musik, keine Ahnung!

Hoffentlich kann er mein Herz nicht hören es wummert so laut. Ich habe das Gefühl, als könnte die ganze Menschheit es wie aus Lautsprechern vernehmen. Es ist schlimmer als sonst aber gut. Das ist ja auch das erste Mal, dass ich ihm näher als zehn Meter gekommen bin.

Vielleicht sagt er mir gleich, dass er immer in mich verliebt war, aber nicht wusste, ob ich genauso empfinde und mich dann küsst? Nein das ist unrealistisch, leider. Aber bestimmt kann er das gut. Bestimmt hatte er schon viele Freundinnen. Dagegen bin ich gar nichts

Traurigkeit steigt in mir auf. Da sind sie wieder die negativen Gedanken.

Bilde ich mir das ein oder entspannt Hanbin gerade etwas? Das macht er doch sonst nur bei Bobby zumindest kommt es mir so vor, wenn ich ihn von meiner Ecke aus beobachte.

Ich freue mich, dass er gerade mal nicht an die Pflichten als Trainee denkt. Ob ich meinen Kopf auf seiner Schulter ablegen kann? Lieber nicht. Ich will mein Glück nicht überstrapazieren.

Die Bremsen des Busses quietschen und vor Schreck zucke ich leicht zusammen. Ich habe ihn so lange angestarrt, dass ich gar nicht bemerkt habe, dass wir schon an meiner Haltestelle sind traurig lächelnd hebe ich die Hand und winke leicht: "Bye. Vielleicht sieht man sich ja mal wieder." Und in Gedanken ergänze ich ein 'Bis morgen. Auch, wenn du mich vermutlich nicht bemerken wirst.' Aber entgegen meinen Hoffnungen sagt er nichts, bewegt den Mund nur stumm wie ein Fisch. Schnell springe ich auf und renne aus dem Bus. Gerade noch rechtzeitig, denn der Fahrer wollte gerade die Türen schließen. Doch vor der Scheibe, die mich von meiner Liebe trennt, bleibe ich stehen. Ich hebe die Hand und lege sie an das Glas. Was mich dazu geritten hat, weiß ich nicht. Vielleicht hat ein Dämon von mir Besitz ergriffen oder so aber im Nachhinein betrachtet bereue ich es nicht im Geringsten.

Das schwache Lächeln, das er mir schenkt als er die Geste erwidert, ist atemberaubend und wie sehr wünsche ich mir jetzt gerade es öfters sehen zu können. Begeistert lache ich und winke ihm hinterher, als der Bus losfährt.

Mit einem riesigen Glücksgefühl renne ich über die Fußwege und springe in die Pfützen des heutigen Regens. Im Moment scheint nichts meine Laune verschlechtern zu können. So glücklich wie jetzt gerade habe ich mich schon ewig nicht mehr gefühlt.

Ich freue mich schon auf morgen, darauf ihn wieder zu sehen. Vielleicht muss er ja auch wieder Bus fahren?

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