Kapitel 27 - Madeleine

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Mein Blick glitt über die schwarze Speisekarte des 60 Hope Streets. Es war eines meiner Lieblingsrestaurants. Als ich meine Wahl getroffen hatte, legte ich die Karte zur Seite und schaute zu Emily auf.
Nach meinem Kurztrip zu meinen Eltern, war ich in die Schule zurückgekehrt und hatte meine Chinesenfreundin überrascht. In vier Stunden würde mein Flieger auf die Bahamas starten, das hieß ich hatte noch genug Zeit für einen Kaffee mit ihr im 60 Hope Street.

Emily legte die Karte auch zur Seite und rückte ein bisschen näher an die leuchtend rote Wand, an der wir saßen. "Also heute kann mich nichts mehr überraschen! Wann bist du von deinen Eltern zurückgekommen?", prustete Emily nach einer Weile. Es war süß zu sehen, wie die kleine Asiatin versuchte neutral zu wirken, aber vor Freude anfing zu lachen, während sie mit mir sprach. "Vor ungefähr einer Stunde", antwortete ich, "ich habe aber auch nicht mehr viel Zeit. In vier Stunden fliege ich auf die Bahamas und dann wird Party gemacht!" Emily verdrehte bloß die Augen: "Du trinkst nicht mal." Ich musste lächeln. "Im übertragenden Sinne, Emily", lachte ich und musste erneut ein genervtes Augenverdrehen einstecken.
"Was kann ich ihnen bringen?", schreckte mich eine Kellnerin aus der Unterhaltung. Emily bestellte einen Latte Macchiato. Ich hingegen beauftragte die Kellnerin damit, mir schleunigst einen Black Pearl zu besorgen. Das Argument, dass die Cocktailbar erst ab 18 Uhr geöffnet hatte, zog bei mir nicht. Spätestens nach einem hohen Extraschein floh sie quasi in Richtung Bar, um meine Bestellung an einen Zuständigen weiterzugeben. "Was war das denn jetzt? Maddy, du trinkst nicht! Weißt du was alles an Alkohol in einem Black Pearl drin sind? Ich kann mal aufzählen: Blue Curaçao, verschiedene Arten Rum, -"
"Mehr aber auch nicht!", unterbrach ich meine beste Freundin bei ihrem Monolog über mein plötzliches Konsum an Alkohol. "Emily, es ist einfach so kompliziert in letzter Zeit. Du kennst meine Unsicherheit wegen Josh und dann ist da auch noch diese Sache mit Kloë und Bec- ach egal. Ich muss mir einfach gewisse Sachen lustig trinken und dann werde ich nicht von nervigen Gedanken im Flugzeug geplagt", erläuterte ich meine belastende Situation. Emily schaute mich auf einmal misstrauisch an. Vorsichtig entgegnete sie: "Meinst du den Kuss zwischen Becky und Kloë?" Völlig perplex schaute ich sie an. Wer hatte es ihr erzählt? Ich war es nicht gewesen! "Jetzt schau mich nicht so an! Ich konnte es mir denken. Becky hat sich seltsam benommen. Aber anderes Thema, mir raubt das auch den Verstand", kommentierte sie meinen entrüsteten Ausdruck. Ich erwiderte: "Ja, wechseln wir das Thema!"

Kaum hatte ich das ausgesprochen, stellte mir eine andere Kellnerin den nach Alkohol stinkenden Cocktail vor die Nase und Emily ihren dampfenden Latte Macchiato. Mit einem Handgriff landete der Rand des Glases an meinem Mund, während der Inhalt in meinen Rachen stürzte. Mit einem lauten Knall schlug ich den Boden des Glases auf den eleganten Holztisch. Ich schaute entschlossen in Emilys verzweifelte und zugleich etwas wütende Augen. Ich wollte ihr so vieles erzählen - über Josh, über Raffi, über Becky - doch alles was meinen Mund verließ, waren drei Wörter, die ich früher nie in diesem Kontext sagen wollte.

"Noch einen, bitte!"

____________

Durch ein starkes Ruckeln schreckte ich aus der Dunkelheit hinein in eine schmerzende Benommenheit. Durch einen verschwommenen Schleier erkannte ich, dass ich an keinem meiner gewohnten Orte war. Als mein Blick klarer wurde, dafür aber meine Kopfschmerzen stärker, identifizierte ich meine Umgebung als Innenraum eines Flugzeugs.

Moment.

Eines normalen Flugzeuges. Kein Privatjet.

Mit einem Mal richtete ich mich auf, doch wurde von dem stechenden Schmerz in meiner Schläfe zurück in meine geknickte Position gedrängt. "W- willst du etwas Wasser von mir?", stotterte eine verunsicherte Stimme neben mir. Um den Schmerz wenigstens ein Bisschen abzudämpfen, drehte ich meinen Kopf nur sehr langsam in die Richtung der relativ tiefen Stimme. Ich erblickte zwei matte, graue Augen, die unter meinem Blick nachgaben."Will?", krächzte ich heiser. Will schaute von seiner Wasserflasche auf und musterte mich besorgt mit einem zusätzlichen Hauch von Neugier.
Ich hatte Will seit dem Beginn des Schuljahres nicht mehr gesehen. Wenn ich mich recht entsinnte, hatte er mit Emily an einem Tisch gesessen.

McFlurry-Sweeter than ice creamWhere stories live. Discover now