,,Soll ich mitkommen?"

2.2K 81 5
                                    

Will

Ich komme nach Hause und von Blaire ist nichts zu sehen. Es ist bereits Abend und ich gehe in die Küche, um das Abendessen zu machen. Ich selber habe keinen großen hunger, aber Blaire... Wie ich sehe, hat sie sich nichts gemacht. „Wo warst du?", durchbricht eine helle, gleichzeitig leise Stimme die Stille.

Ich drehe mich zu Blaire um und sehe den Kinderwagen im Hintergrund. Sie bemerkt meinen Blick und stellt sich davor. „Warst du bei ihr?", fragt sie drängender. Ich schüttle meinen Kopf leicht und drehe mich wieder weg von ihr.

Wie lange soll das noch funktionieren? Ich darf Blaire nicht verletzten, ihr keinen Anlass für Zweifel geben und gleichzeitig will ich bei Lina sein. Der Wunsch nach ihr ist sehr viel stärker, als der auf mein Verhalten Blaire gegenüber zu achten. Es bringt nur alles nichts. „Will. Rede mit mir", fordert sie weiterhin und ihre Stimme ist nun heiser. Ich muss kein Experte sein, um zu wissen, dass ich gerade alles falsch mache, aber ich ihr keine vernünftige Erklärung geben kann. Sie ist alleine aufgewacht, ich war den Nachmittag nicht da... Es ist klar, dass sie es weiß. „Ich sehe euch, wenn ihr unten seid. Ich bin nicht dumm, Will. Liebst du sie? Will!"

Ich stecke meine Hände in die Hosentaschen und sehe Blaire wieder an. Ihre Hände sind zu Fäusten geballt und Tränen fließen ihr Gesicht hinunter. So wie bei Lina, als ich sie ohne jeglichen Grund stehen lassen habe und sie dachte, ich mache Schluss. Wenn sie nur wüsste, dass sie jeden Grund hätte mit mir Schluss zu machen.

„Ja", antworte ich ruhig. Was bin ich nur für ein Idiot. Ich habe es nicht geschafft meine Ehe zu retten und jetzt bin ich drauf und dran Lina zu verletzen. Das schlechte Gewissen ist übermenschlich und ihr alles zu erzählen erscheint mir immer mehr als Notwendig. Nur weiß ich, dass damit alles kaputt sein wird.

„Wieso? Bin ich dir nicht mehr genug? Liebst du mich nicht? Warum hast du eine Andere? Wieso betrügst du mich?", fragt sie mich verzweifelt und weint in Strömen. Sie kommt zu mir und legt ihre Stirn auf meine Brust. „Ich liebe dich. Verlass mich nicht", bittet sie und schlingt ihre Arme um mich. Ich halte sie im Arm und warte bis sie sich beruhigt hat. Mehr kann ich nicht machen.

Etwa eine halbe Stunde stehen wir so da und ihr Körper zittert nicht mehr. Sie hat sich beruhigt. Blaire schnieft und sieht mich an. „Ich lege die Kleine schlafen", informiert sie mich und geht.

Wenn ich bei Lina bin, macht mein Leben einen Sinn. Sobald ich mich hierher begebe, ist alles nur erdrückend und wie ein einziger Trauermarsch. Niemand kann mir erzählen, dass das normal ist.

Es klingelt an der Tür und wie gewohnt, gehe ich hin. Nur ist Blaire diesmal schneller. Lass es bloß nicht Lina sein.

„Theo!", freut Blaire sich und ich kann ausatmen. Wenn Lina es erfährt, dann bitte von mir. Nicht, dass es besser wär... Nur will ich es ihr erklären. „Komm hoch", erlaubt sie ihm und binnen Sekunden steht er vor der Tür.

„Hallo, Blaire. Wie geht es dir?", begrüßt er sie freundlich. Sie lächelt und umarmt ihn freudig.

„Gut. Ich habe die Kleine gerade schlafen gelegt, also leise sein, Ja?", weist sie ihn an und schließt die Tür. „Natürlich. Ich bin leise wie ein Fuchs", beteuert Theo.

„Gut, dann bin ich in der Küche. Willst du einen Tee?" Neben Theo wirkt sie wieder ganz normal, wie damals. Nur für wie lange? Immerhin reden die Beiden vielleicht fünf Minuten am Stück. Ihre Stimme ist jedoch um einiges sanfter und... belegter. Laut ist sie nur, wenn sie ihre Anfälle hat. Wenn ich wieder nicht aufgepasst habe.

„Nein danke. Ich wollte nur kurz zu Will", lehnt er dankend ab. Blaire sieht von mir zu ihm.

„Dann will ich nicht stören." Damit geht sie und Theo sieht mich streng an. Ich deute ins Wohnzimmer, wo er sich hinbegibt.

I See You.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt