,,Dein Vater würde sich für dich schämen."

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Nun, ein Frühstück bei ihm wird nichts, denn mein Überraschungsbesuch von Freitag hat ja nicht sehr gut geklappt. Außerdem ist seine Cousine mit dem Kind noch da. Wieso ist sie eigentlich nicht mit ihrem Mann da? Wie kann er die alleine lassen? Gut, man kann auch ohne Mann erziehen. Es ist überhaupt nicht meine Sache und mir Gedanken drüber machen ist auch sinnlos.

Okay, dann frühstücke ich wohl alleine. Amy ist gestern zu Theo gegangen und hat da übernachtet. Ich würde gerne mit Will frühstücken, aber ihn hierher zu zitieren wär auch etwas komisch.

Noch komischer ist es, dass es an der Tür klingelt. Amy sollte das nicht sein, denn es ist zu früh für sie zum Aufstehen. Zehn Uhr.

Meine Ahnungslosigkeit kann ich gut damit aufdecken, indem ich die Tür öffne und meine Mutter dort stehen sehe. Die letzte Person, die ich erwartet hätte. ,,Guten Morgen?", begrüße ich sie eher fragend, weil ich ihren Zustand noch nicht ganz durchblicken konnte. Hat sie was getrunken?

,,Steh nicht so rum, bitte mich rein. Ich bin deine Mutter", wird sie aber pampig und es ist klar, betrunken ist sie schon mal nicht. Ich mache platz und sie kommt forsch rein. Ja, bitte Mutter. Ich habe dich so sehr vermisst. Sie sieht wieder dünner aus, obwohl das eigentlich nicht mehr gehen sollte. ,,Du bist alleine? Wo ist denn deine bessere Hälfte?", fragt sie mich und meint damit Amy. Bessere Hälfte. Danke, Mutter.

,,Bei ihrem Freund. Genüge ich dir nicht?", stelle ich die Gegenfrage und ernte nur einen kurzen Check meines Aussehens, während sie durch die Wohnung geht und alles gründlich inspiziert.

,,Die Wohnung macht sich gut. Immerhin verschleuderst du mein Geld nicht für Müll." Aha, sie ignoriert meine Frage komplett und haut etwas raus, das einem Kompliment ähnelt. Was soll ich dazu nur sagen? ,,Ich will für euch kochen", meint sie jetzt einfach und ich sehe sie sehr skeptisch an. Hab ich richtig gehört?

,,Für wen?", frage ich daher, damit ich mich nicht zu früh... äh, freue.

,,Für dich und Amy. Da Amy nicht da ist, kann sie später was essen." Wir haben gerade mal nach Zehn. Geht's ihr gut? Ich kann nicht großartig etwas sagen, da sie schon in die Küche geht und anfängt. ,,Mach dich nützlich und schäle die Gurke", fährt sie mich quasi an. Okay, das kommt jetzt mehr nach ihr. Aber wieso soll ich die Gurke schälen? Will sie uns ein übertrieben gesundes Essen machen? Ich esse nicht ungesund und viel. Trotzdem übertreibt es meine Mutter immer mehr.

Ich schäle wie gewünscht die Gurke und schneide sie in kleine Stücke, wie es meine Mutter will. Dabei sehe ich sie an und während auch sie schnibbelt, wirkt sie tatsächlich normal. Wie eine richtige Mutter. Sobald sie aber ihren Mund öffnet, wird sie zur Furie. Wieso nur? Will sie kein normales Verhältnis zu ihrer Tochter? Es würde uns beiden sicher gut tun.

Ein erneuten Klingeln reißt mich aus meinen Gedanken und ich warte nicht lange, um aus der Küche zu stürmen und die Tür zu öffnen. ,,Oh was ein Glück", begrüße ich Will überschwänglich und umarme ihn direkt. Er lacht und hebt mich in die Wohnung, um die Tür zu schließen. ,,Ich freue mich auch riesig dich zu sehen", erwidert er und küsst mein Haar. Ich lasse ihn los, sehe die Tüte mit Brötchen in der Hand und sehe ihn verzweifelt an. Einerseits bin ich überglücklich diese angespannte Stimmung nicht mehr alleine ertragen zu müssen, andererseits will ich nicht, dass Will meine Mutter kennen lernt. ,,Ich habe gehört, dass Amy bei Theo ist. Da dachte ich, ich komme mal zu dir. Hast du schon gefrühstückt?", erklärt Will sein Auftauchen und ich zucke meine Schulter.

,,Ich hätte sehr Lust auf ein Frühstück. Nur, wie soll ich das sagen? Meine Mutter ist da." Will nickt.

,,Ist es schlecht? Soll ich gehen?", fragt er und ich schüttle übertrieben schnell meinen Kopf.

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