"Sorgen"

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Ungläubig stand ich vor Levi und schaute ihm in seine kühlen grauen Augen, als wenn er mich verarschen würde. Isabel und Furlan standen nur ungläubig von uns entfernt, während Levi ohne zu zögern, den mit Wasser vollgepumpten Lappen direkt über meinen Kopf aus wrang.
Ich hasste solche Momente und würden ihn dafür am liebsten an den Hals springen. Es mochte sein, dass ich es bis heute nicht auf die Reihe bekam ordentlich sauber zu machen, wie er es gerne hätte. Doch wenn er besonders schlechte Laune hatte, dann sah die Strafe in etwa so aus.

"Sind die Zwei immer so drauf?"
Flüsterte Isabel dem Blonden zu, während sie uns weiterhin beobachteten.
"Ämh... ja, leider. Das kommt öfters vor."
Furlan kannte uns schon relativ lange und er wusste auch, dass sowas nie schlimm enden würde.
Er wusste dass ich mich nie gegen Levi wehrte und alles über mich ergehen ließ.
"Mögen die sich nicht, oder was ist deren Problem?"
"Ich glaube, dass Gegenteil ist eher der Fall."
"Oi!"
Furlan und Isabel zuckten heftig zusammen, als sie die strenge Stimme von Levi hörten, der grimmig in ihre Richtung schaute.
"Ihr sollt putzen und nicht quatschen!"
Ohne Widerworte gingen sie ihrer Arbeit nach, während ich mich muffig in mein Zimmer zurück zog und mir erst einmal neue Sachen anziehen konnte. Ich war froh dass Levi wenigstens kein Dreckwasser genommen hatte, sonst hätte ich noch duschen müssen. Ich wusste wirklich nicht, wieso ich mir es immer wieder von ihm gefallen ließ. Er hatte mich bei sich aufgenommen, mich versorgt, doch wie lange sollte ich ihm denn noch dankbar sein? Bis in alle Ewigkeit? Wie lange würde ich noch bei ihm sein und wann würden sich unsere Wege trennen? Der Gedanke daran ließ mich, nachdem ich mir mein Shirt über den Kopf gezogen hatte, in meiner Bewegung inne halten. Ich wusste nicht wieso, doch es stimmte mich traurig, sollte der Tag jemals kommen, wo sich unsere Wege trennen würden.

Ich hatte mir das Oberteil gerade über die Arme gezogen, da wurde meine Zimmertür ruckartig aufgerissen und mein Blick schnellte sofort in die Richtung. Überrascht und schockiert zugleich starrten wir uns einfach nur an. Doch als ich mir der Situation bewusst wurde, biss ich wütend die Zähne zusammen.
"Verdammt Levi!!"
Ich schmiss ihm mein nasses Shirt, das ich noch in der Hand hielt, mit voller Wucht entgegen. Doch er reagierte schnell und schlug die Tür, ohne einen Kommentar von sich zu geben, wieder zu. Genau das, war eine dieser Situationen die eintreten konnten, wenn er einfach so die Tür aufriss. Und nun war es geschehen. Automatisch verdeckte ich mit beiden Armen meinen Brustkorb und stand verlegen und mit leicht geröteten Wangen einfach nur da. Nach kurzer Zeit fing ich wieder an mich zu rühren. Ich nahm mir aus meinem Schrank ein neues Oberteil, zog es mir über und verließ den Raum wieder.

Wütend blickte ich mich um.
"Wo ist der hin?"
Furlan und Isabel, die gerade die Küche machten, drehten sich zu mir um.
"Keine Ahnung. Er hat ohne Kommentar das Haus verlassen. Er wollte eigentlich nach dir sehen, da du ihm anscheinend zu lange gebraucht hattest und als er wiederkam, ging er einfach. Ist irgendwas passiert?"
Besorgt sah Furlan mich an und auch Isabel hatte ihre Tätigkeit eingestellt.
"Nichts vom Belangen. Ich werde dann mal weiter machen."
Ich widmete mich wieder der Hausarbeit, während Furlan und Isabel kurz Blicke austauschten und dann ihre Tätigkeit wieder aufnahmen.

Immer wieder schaute ich auf die Uhr, als Levi nach einer Stunde immer noch nicht wieder da war. Nervös saß ich auf dem Sofa, als eine weitere Stunde verging und wir schon lange mit dem Putzen fertig waren. Es war bereits dunkel draußen und der Schwarzhaarige ließ immer noch auf sich warten.
Isabel lag bereits schlafend mit dem Kopf auf dem Tisch während Furlan stirnrunzelnd an diesem saß.
"Der bleibt wird ganz schön lange weg."
Genervt tippte ich immer wieder nervös mit dem Fuß auf dem Boden, bis mir irgendwann der Kragen platzte und ich vom Sofa aufsprang.
"Jetzt reicht's! Ich gehe den jetzt suchen!"
Verschlafen schreckte Isabel hoch und Furlan erhob sich ebenfalls von seinem Stuhl.
"Warte Kira. Es ist dunkel draußen. Du weißt das die Straßen da nicht sicher sind."
"Das ist mir egal!"
Wütend ging ich auf die Tür zu, öffnete diese und schloss sie hinter mir wieder. Ich ließ mich davon nicht abhalten. Es war zwar nicht unbedingt meine Schuld, das er nun fort war, doch fühlte ich mich etwas schuldig. Naja, genau genommen war es doch meine Schuld. Denn hätte ich anständig geputzt, das Levi auch zufrieden gewesen wäre, dann wäre das ganze gar nicht erst passiert.

Es war ein unangenehmer Moment, in dem Levi geraten war und er musste sich einfach zurückziehen. Brauchte einfach kurz Zeit für sich. Ihm war bewusst, dass er nicht mehr so handeln konnte, als sie noch Kinder waren. Die Zeit war vorbei. Sie waren beide erwachsene Menschen und jeder fühlte nun anders.
Levi saß auf dem Dach des Hauses und genoss einfach nur die Ruhe. Doch diese wurde irgendwann durch das laute Schließen einer Tür unterbrochen. Grimmig blickte er hinab auf die dunkle Straße und er musste nicht genauer hinschauen um zu wissen wer sich dort unten rumtrieb.
"Dieses dumme Gör. Wieso schleicht die jetzt mitten in der Nacht auf den Straßen rum."
Er erhob sich und verließ das Dach.

Ich war zwar mutig, doch fühlte ich mich Abends auf den Straßen wahrlich nicht wohl. Doch bei so einer Gegend ja auch kein Wunder. Unsicher lief ich durch die Straßen und ließ meinen Blick genauestens durch die Umgebung wandern. Doch als mein Blick gerade in die eine Richtung ging, wurde ich von der anderen Seite gepackt. Kurz schrie ich auf, doch wurde dieses durch eine Hand auf meinem Mund erstickt. Ich wollte mich wehren, wollte mich befreien. Doch hielt ich in der Bewegung inne, als ich nah an meinem Ohr eine Stimme hörte.
"Psssst. Nicht so laut. Du weckst sonst die ganzen schlafenden Leute auf."
Ein angenehmes Kribbeln durchzog meinen Körper, als ich sogar seinen warmen Atem an meinem Ohr spüren konnte.
Er nahm langsam seine Hand von meinem Mund und ließ mich wieder los. Erleichtert atmete ich durch und drehte mich dann grimmig zu dem Schwarzhaarigen um.
"Wo zum Teufel warst du?"
"Weg."
"Ach was, echt jetzt? Ist mir gar nicht aufgefallen."
Wütend sah ich ihn an, während er mit verschränkten Armen vor mir stand.
"Nun komm mal wieder runter. Ich saß die ganze Zeit auf dem Dach."
Überrascht sah ich ihn an und schämte mich schon fast dafür ihn so angegangen zu sein.
"Außerdem kann ich gut auf mich selbst aufpassen. Du brauchst dir also keine Sorgen machen."
Sprach er in seinem üblich monotonen Ton, während er mich weiterhin ansah.
"Wer macht sich denn hier Sorgen?"
Nuschelte ich leicht beleidigt vor mich hin.
"Und was guckst du mich so an?"
Schweigend durchbohrte Levi mich regelrecht mit seinem Blick.
"Du bist ziemlich lebensmüde, weißt du das?"
"Bin ich nicht."
Das war zwar nicht die beste Antwort zur Verteidigung, doch ich wusste worauf Levi hinaus wollte und ich wollte mir dies ganz gewiss jetzt nicht anhören müssen. Levi seufzte daraufhin und ließ seine Arme wieder sinken.
"Belassen wir's dabei. Lass uns wieder zurückgehen."
Er setzte sich in Bewegung und ging kalt an mir vorbei. Doch schaute er noch einmal über seine Schulter, ob ich ihm auch wirklich folgte.

Natürlich tat ich das. Ich wollte ja immerhin nicht alleine im Dunkeln in irgendeiner kleinen Gasse zurück bleiben. Also blieb mir ja nichts anderes übrig als ihm zurück nach Hause zu folgen. Den ganzen Weg über starrte ich ihm auf den Hinterkopf. Er saß die ganzen Stunden auf dem Dach? Wieso so lange? Hatte ihn das Missgeschick so sehr mitgenommen, dass er sich alleine zurückziehen musste? Es hat sich über die Jahre einiges geändert. Wir konnten nicht mehr so locker miteinander umgehen, als damals wo wir noch Kinder waren. Jede Nähe, jede Berührung von ihm wurde langsam zur Qual und ich wusste nicht einmal wieso.




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