Kapitel Eins

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Joyce

Stumm starrte ich seit einer gefühlten Ewigkeit an die Decke. Eigentlich war ich bereits seit über einer Stunde wach und eigentlich spürte ich richtigen Hunger. Doch ich hatte einfach keine Kraft, um aus meinem Bett zu steigen und in die Küche zu gehen.

Ich hatte keine Kraft mehr seit Wochen. Es fiel mir schwer, so wie immer, voller Elan in den Tag zu starten. Zu essen und zu schlafen. Es fiel mir schwer in den Club zu fahren und meiner eigentlichen Leidenschaft nachzugehen. Alles fiel mir einfach nur schwer und ich hasste es.

Die Last auf meiner Brust begann mich langsam zu ersticken und ich war jeden Tag kurz davor in tausend Stücke zu zerbrechen.

Er fehlte mir. Seine Blicke, seine Stimme, sein verfluchtes Lachen. Er fehlte mir so sehr, dass ich bereits viel zu oft kurz davor war ihn anzurufen oder zu ihm zu fahren. Doch ich tat es nicht. Ich blieb standhaft. Musste es sein.

Tagelang hatte ich darüber nachgedacht. Darüber was ich in dieser Nacht erfahren hatte, was ich fühlte, doch vor allem dachte ich darüber nach, was geschehen würde, falls ich vielleicht doch noch einknicken sollte.

Es war zum verzweifeln. Ich war verzweifelt. Und zwar so sehr, dass ich mir sogar eine verdammte Pro und Kontra Liste gemacht hatte. Ja, so weit war es bereits gekommen. Und leider hatten die Kontras auch noch gesiegt. Es war nicht so, dass ich angst vor ihm und dem was er tat hatte. Ich hatte bereits so vieles in meinem Leben gesehen und miterlebt, dass ich leider recht abgehärtet war, was solche Dinge anging. Aber darum ging es auch nicht. In erster Linie ging es darum, welche Gefahr ihn auf Schritt und Tritt verfolgte. Eine, die nicht von Kian ausging. Eine, die viel gefährlicher als er selbst war.

 Ich brauchte einige Zeit, um überhaupt richtig zu realisieren, dass dieser Mann zu solch einer gefährlichen Gruppe gehörte. Eigentlich war es noch immer nicht so leicht für mich mir vorzustellen, dass Kian – der Mann, der so unglaublich liebevoll und so charmant, so kalt und gnadenlos sein konnte.

Noch immer überkamen mich eiskalte Schauer, wenn ich an seinen Ausdruck dachte, den er in dieser Nacht aufgesetzt hatte. Als wäre er jemand anderes. Als wäre er ein Fremder. Im Nachhinein war er es zum Teil ja auch, denn eigentlich kannte ich ihn auch nicht wirklich. Alles was ich kannte war das, was er mir in unserer gemeinsamen Zeit gezeigt hatte. Und leider wusste ich tief in mir, dass nichts was er mir von dieser wunderbaren Seite gezeigt hatte gelogen war, was das alles für mich nur noch erschwerte.

Ich zuckte stark zusammen, als mein Handy eine eingehende Nachricht meldete. Augenblicklich schlug mein Herz stärker und viel schneller und ich fürchtete mich davor das Gerät überhaupt in die Hand zu nehmen.

Seit dieser Nacht hatte Kian immer wieder versucht mich zu erreichen, rief mich an und hinterließ mir unzählige Nachrichten, die mein Herz nur noch mehr zerbrach. Einige male war er sogar vor meiner Haustür aufgetaucht, doch ich hatte diese nie geöffnet.

Mit der Zeit hatten die Nachrichten und die Anrufe nachgelassen, hörten jedoch nie ganz auf. Ich wusste auch, dass er derjenige war, der jedes mal vor dem Club auf der anderen Straßenseite wartete.

Zum ersten mal, als ich das fremde Auto sah, dachte ich mir nichts dabei, doch als es jedes mal, wenn ich arbeitete an der gleichen Stelle stand, war ich mir sicher, dass es Kian war. Keine Ahnung, wieso ich es wusste, doch dem war so. Dennoch ignorierte ich diese Tatsache und tat so, als würde ich es nicht bemerken. Ich wollte einfach, dass er es endlich aufgab. Ich wollte, dass er mich losließ, denn so verstrickte er sich noch mehr in die Sache und das wollte ich nicht.

Mit zittrigen Händen griff ich nach dem Handy und als ich Angies Namen auf dem Display sah, stieß ich erleichtert die Luft aus. Jenevieve hatte mal wieder neue Kostüme bestellt und wir sollten sie wie üblich abholen. Das hieß, dass Angelique binnen einer Stunde hier sein würde, um mich mitzunehmen. Und das bedeutete wiederum, dass ich zu meinem eigenen Leiden das Bett verlassen und unter die Dusche gehen musste.

Midnight Games - Begierde ✔️Where stories live. Discover now