,,Will ist kein Beziehungstyp."

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Wir reden noch ein wenig und dann gehe ich auch schon wieder. Zwei Stunden war ich da und ich gucke auf mein Handy. Ich habe es für die Zeit auf stumm gestellt und sehe, dass Will angerufen hat. Schnell rufe ich zurück und Will geht direkt ans Handy. „Wo warst du?", fragt er direkt ohne Begrüßung.

„Ähm, bei einem Freund", antworte ich überrumpelt und höre ihn laut ausatmen.

„Ich habe mir Sorgen gemacht", wird er jetzt sanfter vom Ton und ich muss lächeln.

„Ich vermisse dich", gehe ich nicht auf seine unberechtigte Sorge ein, sondern komme direkt zum Punkt. Auch wenn wir uns erst heute morgen verabschiedet haben, so fühlt es sich an, als wär er eine Ewigkeit nicht mehr bei mir gewesen.

„Du kannst dir nicht vorstellen, wie sehr ich gerade bei dir sein will. Nur leider habe ich heute keinerlei Möglichkeit dazu", erwidert er enttäuscht und ich bin es mindestens genauso.

„Schade. Ich hätte mich gefreut."

„Es tut mir leid", entschuldigt Will sich und auch da muss ich lächeln.

„Es ist doch nicht deine Schuld. Vielleicht muss ich wirklich auch mal wieder was für die Uni tun", tue ich so, als wär es auch noch gut. Was es nicht ist. Lieber würde ich Will wiedersehen.

Wir reden noch eine ganze Weile, bis ich zu Hause angekommen bin und ich lege auf. Ein bekanntes Auto steht in der Auffahrt. Theo ist da.

Ich gehe hoch und schließe leise die Tür auf, damit ich die beiden, bei was auch immer, nicht störe. Sobald ich die beiden aber reden höre, weiß ich, dass die Sorge unbegründet war. Schnell ziehe ich meine Schuhe aus und will in die Küche etwas zu Essen machen, aber mich lässt ein Name aufhorchen.

„Will ist nicht mehr der Freund, der er mal war", beschwert sich Theo bei Amy.

„Er hat jetzt eine Freundin. Es ist frisch. Lass den beiden doch ihre Zeit. Du warst auch dauernd bei mir, als es mit uns angefangen hat", hält Amy dagegen und ich höre Pfannen aneinander klirren.

„Das war was anderes. Ich kann es dir nicht sagen, weil... Ach, ich denke, die beiden passen einfach nicht zusammen." Bitte was? Ich weiß ja, dass Theo kein Fan von mir ist, aber das hätte ich niemals erwartet. Ich rede mit Will auch nicht über seine Beziehung zu Amy.

„Wieso denn das? Die beiden sind süß zusammen. Er hat ihr seine Liebe heute gestanden. Mach es ihm nicht kaputt", beharrt sie und ich kann mir den dumpfen Blick von Theo nur zu gut vorstellen.

„Ich habe nie verstanden, wieso du darauf versessen warst, die beiden einander vorzustellen. Was hast du davon...?"

„Jetzt hör doch mal auf. Wenn du nicht merkst, wie gut die beiden einander tun, dann musst du wirklich erblindet sein oder sogar ein eiskalter Gefühlsblock. Was stört dich denn nur daran?", fragt Amy Theo konkreter und ich weiß, es ist unhöflich Gespräche zu belauschen, aber es geht irgendwie auch um mich. Also ist mir das gerade sehr egal.

„Will ist kein Beziehungstyp, Amy. Er hat vorher mit zig Frauen geschlafen und mit keiner etwas ernstes angefangen und für diese Jungfrau wartet er erstmal hundert Jahre? Sie verbiegt ihn von vorne bis hinten..."

„Was soll das denn jetzt heißen?", unterbricht Amy ihn und in mir sticht etwas mitten in die Brust. Nicht, weil Will vorher zig Frauen hatte... Das war mir irgendwie klar. Was hat denn die Tatsache, dass ich noch keinen Mann vor Will hatte, mit unserer Beziehungstauglichkeit zu tun? „Du redest gerade über meine beste Freundin und einen besseren Fang hätte er nicht machen können, okay? Rede mit mir, wenn du wieder zur Vernunft gekommen bist." Ich schüttle meinen Kopf und ziehe meine Schuhe wieder an. Gerade gibt es wichtigeres, als Pflichten zu erfüllen.

-

Weil ich nicht will, dass das Kind vielleicht geweckt wird, durch mein klingeln, rufe ich Will an. Er geht auch sofort ran. „Hey, was ist los?", fragt er und ich muss etwas lachen. Irgendwie süß, dass er direkt vom schlimmsten ausgeht.

„Nichts. Aber ich dachte, vielleicht kannst du dich zehn Minuten deiner Pflichten entbinden", teile ich ihm meine Gedanken sehr leise mit, aber Will hört alles. Ob er sich das antrainiert hat? Irgendwann? Lange sagt er nichts, bis ich dann doch was höre.

„Ich bin sofort da", erfüllt er mir meinen Wunsch und legt auf. Es dauert tatsächlich auch nicht einmal eine Minute und ich sehe ihn lässig gekleidet aus der Tür kommen. Ich gehe auf ihn zu und er nimmt mich direkt in den Arm. „Du bist unglaublich", flüstert er und das Lächeln kommt wie von alleine.

„Ich musste dich sehen", murmle ich und kurz darauf löst Will sich von mir, aber nur insoweit, dass er mich ansehen kann. Sein Daumen streicht über meine Wange und sein Blick geht über mein ganzes Gesicht. Ein wenig wie ein Check, ob noch alles dran ist.

„Was ist passiert?", fragt er mich und ich schaue auf den Boden.

„Ach nichts. Ist nur nicht mein Tag und damit er besser wird, weil es ja auch mit dir angefangen hat, dachte ich, komme ich zu dir, wenn auch nur für eine kurze Zeit", weiche ich der Frage eher aus, als sie zufriedenstellend zu beantworten. Will lächelt und hebt mein Kinn an.

„Du willst mir aber nicht erzählen, wer den Tag nicht zu deinem gemacht hat?" Ich nicke und sehe dabei in seine Augen, die so dunkel sind. Ich könnte mich immer wieder darin verlieren.

„Na gut. Hauptsache du bist jetzt hier", haucht er und küsst mich. Na endlich. Ich kralle meine Finger an sein Shirt. All die Verzweiflung steckt darin, die Theo mit seinen Worten in mein Gehirn geballert hat. Wieso sagt er sowas? Aus seinem Mund klingt Jungfrau wie eine Beleidigung. Selbst wenn Will davor nur Frauen für eine Nacht hatte, was spricht denn dagegen jetzt eine feste Beziehung zu haben?

Seine Argumentationen waren absoluter Müll. Außerdem bin ich mehr als glücklich mich für den Richtigen aufzusparen. Nicht jeder X-Beliebige sollte mich so sehen oder diese Erfahrung mit mir teilen. Ja so sehe ich das.

Ich löse mich leicht von Will und wir sehen uns an. ,,Oh man, ich..." Ich sehe auf den Boden. „...ich glaube, ich liebe dich viel zu sehr", flüstere ich und spüre Wills Lippen auf meiner Stirn.

„Ich dachte schon, du sagst es nie", haucht er und ich muss lächelnd zu ihm hochschauen.

„Wieso?", frage ich und sehe seine Augen leuchten.

„Na, du hattest die perfekte Gelegenheit dazu und hast geweint. Da dachte ich, Oje, da muss ich wohl was falsch gemacht haben. Aber du bist halt sehr speziell, Lina. Um deine Zweifel allerdings etwas einzudämmen, ich denke nicht, dass du viel zu sehr liebst. Es ist genau richtig, denn Liebe ist alles andere als etwas, dass man falsch portionieren kann, solange man alle Sinne beisammen hat und ich vermute stark, dass du sie noch hast." Ich muss etwas lachen.

„Danke. Immerhin du hältst noch etwas von mir", meine ich und Will küsst meine Nasenspitze.

„Wer denn sonst, wenn nicht ich?"

I See You.Where stories live. Discover now