5. Kapitel

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Zum großen Erstaunen Light's war es gar keine so üble Angelegenheit, einen exzentrischen Detektiv zu küssen, an den er mit Handschellen gekettet war; Im Gegenteil. Auch wenn er sich ganz berauscht und schwummrig fühlte, registrierte er auch, dass der Kuss so verführerisch süß schmeckte und L's Lippen angenehm kühl waren, während sich alles trotzdem irgendwie heiß anfühlte. Das Wort ›wundervoll‹ beschrieb nicht mal annährend, wie gut er sich fühlte. Sanft fuhr er mit der Hand durch L's Haare, die so schön weich und verstrubbelt waren und legte sie dann unter L's Kinn, alles ganz instinktiv, ohne darüber überhaupt nachdenken zu müssen. Instinktiv wusste er einfach, was er tun musste, oder besser, was er tun wollte, mit diesem süßen Kerl da vor sich. Sein Herz klopfte unglaublich wild und er selbst merkte praktisch, wie ihm die Röte ins Gesicht schoss, doch es kümmerte ihn im Moment einfach nicht.
Es war einfach nur magisch, wie sie da eng umschlungen auf der unbequemen Hotelzimmercouch saßen und einfach ihrer Begierde nachgaben; ja, Begierde, auch, wenn Light das in diesem Moment nicht wirklich klar war - denn das wurde ihm nämlich erst, als er vernahm, dass die Tür des Hotelzimmers sich öffnete und er den Detektiv erschrocken von sich weg stieß. Einen kurzen Moment trafen sich ihre Blicke; voller Verlangen, Enttäuschung und in Light's lag nun die nackte Angst. Sein Herz klopfte immer noch so dermaßen schnell und er spürte diese Beule in seiner Hose, während sich ihm vor Schreck buchstäblich der Magen umdrehte. Angst. Verwirrung. Was hatte er getan? Darüber konnte er nicht mehr nachdenken, denn genau sein Vater kam in diesem Moment herein und wünschte vorsichtig einen guten Morgen.
»Morgen«, keuchte Light unf bemühte sich nach Selbstkontrolle, was nicht so recht klappen mochte.
Er hatte einen Jungen geküsst. Und nicht irgendwen - L! Der eiskalte Detektiv, der ihn des Mordes bezichtigte und der ihn wochenlang eingesperrt hatte! Light war verrückt, eine andere Erklärung konnte es dafür nicht geben.
»Light? Ryuzaki …? Ist etwas passiert? Sie sehen so gehetzt aus.«
Light's Vater runzelte misstrauisch die Stirn und Light wurde unweigerlich wieder übel; ja, es war etwas passiert. Aber das konnte er SEINEM VATER ja wohl kaum sagen. Der würde glatt einen Herzinfakt bekommen, wurde Light klar. Immerhin starb er ja gerade selbst schon fast, bei dem bloßen Gedanken an diese Aktion.
»Na ja … Ryuzaki und ich haben uns mit den Handschellen … verheddert und uns halbwegs zu befreien, hat schon Kraft gekostet; es war wirklich sehr kompliziert.«
Light lächelte so freundlich und unschuldig, wie er das jetzt noch konnte und betete praktisch dafür, dass sein Vater ihm das noch glaubte.
»Ähm, okay …? Nun das klingt schon … kompliziert. Aber es scheint sich ja alles wieder entwirrt zu haben.«
»So sieht's aus«, pflichtete L plötzlich mit rauer Stimme bei, so dass Light sich dermaßen sehr erschrack, dass er Mühe hatte, sich wieder unter Kontrolle zu kriegen; jetzt L's Stimme zu hören, ganz nah bei ihm zu sein, das machte ihn plötzlich richtig nervös und ängstlich. Denn es war etwas zwischen ihnen passiert. Etwas, dass keiner der beiden so schnell vergessen würde.

Zu Light's großem Glück war der restliche Tag recht normal verlaufen und niemand hatte sie weiter mit Fragen gelöchert oder schien was zu ahnen. Trotzdem war Light ziemlich angespannt gewesen und hatte sich die ganze Zeit über unwohl gefühlt; er fragte sich unweigerlich, was L jetzt wohl von ihm hielt. Immerhin hatte Light ja eine bescheuerte Freundin und es war außerdem auch noch seine eigene Idee gewesen, das mit der körperlichen Nähe wirklich auszuprobieren. Im Nachhinein würde er sich für diese dumme Idee, dessen Folgen ihm jetzt noch die Röte ins Gesicht trieben, am liebsten schlagen; wie hatte er nur so töricht sein können? Und wie sollte er jetzt weiterhin normal mit L reden können? War das überhaupt möglich? Es war zum verzweifeln, musste er sich eingestehen, während er sich nervös von seinem Vater verabschiedete - der einzige Ermittler, der noch bei ihnen war; bald wären sie wohl wirklich wieder allein.
Light versuchte angestrengt, das Gefühl von Beklemmung herunter zuschlucken und vor seinem Vater so normal wie möglich rüber zu kommen. Niemand durfte etwas merken, sonst stand plötzlich Light's Welt vollkommen Kopf, das war ihm klar. Erleichtert, aber auch ziemlich ängstlich, beobachtete er schließlich, wie sein Vater hinter sich die Tür schloss - allein das erinnerte ihn schon wieder an heute morgen. Light schluckte, bevor er sich langsam, ja, fast wie in Zeitlupe, zu dem Detektiv hindrehte; allein das leise Klappern der Handschellen störte dieses unbehagliche Schweigen. Plötzlich kam Light sich vor wie in einem seiner BL-Manga; der unsichere und von seinen Gefühlen verwirrte Hauptprotagonist, schoss es ihm schließlich ein und es machte das hier nicht gerade besser. Er war nicht in L verliebt, das durfte einfach nicht sein; es würde ihm die letzte Sicherheit ins seinem durcheinander geratenen Leben nehmen.
»Also«, stotterte Light mit brüchiger Stimme, um die eiserne Stille zu beenden und strich sich durch die nunmehr schweißnassen Haare.
»Ich … Also, wollen wir vielleicht zu Abend essen? Hab schon ganz schönen Hunger.«
»Hm, in Ordnung. «
L nickte nochmal zur Bestätigung und sie bestellten sich etwas beim Zimmerservice; Schnitzel mit Gemüse und Bratkartoffeln für Light und ein Teller Macarons und Kuchen für das Schleckermaul neben dem Studenten, dass - genauso wie Light - ihren gemeinsamen Kuss nicht eingestehen und darüber sprechen wollte.
Dann saßen beide unschlüssig, was sie tun sollten, bis das Essen kam, auf der Couch, wobei Light peinlichst versuchte, großen Abstand zu L zu wahren; wenn schon einmal etwas passiert war, sollte es schließlich nicht auch ein zweites Mal passieren und den Brünetten damit zutiefst zu verwirren. Obwohl Light nicht ganz klar war, wie er den Abstand denn bitteschön wahren sollte, wenn sie zusammen duschen und schlafen mussten - war das überhaupt möglich?
Er seufzte in sich hinein und bereute gerade sein ganzes Leben, als der Detektiv dann doch etwas sagte:
»Willst du die ganze Sache also einfach tot schweigen?«
Es hallte in den Raum und ein nervöses Kribbeln machte sich in Light's Körper breit, während er hibbelig auf den Sofapolstern hin und her rutschte. Er schwieg; seine Kehle war wie zugeschnürrt.
»Verstehe … Dann eben nicht.«
In der Stimme des Detektivs schwang - soweit Light das hören konnte - kein Hauch von Melancholie, keine Traurigkeit, rein gar nichts mit - es war, als wäre es ihm plötzlich gleichgültig. Das versetzte Light einen Stich ins Herz, es tat regelrecht weh. Er hatte einfach mehr erwartet, auch wenn ihm nicht klar war, wieso.
»Ich … L, also, bitte vergiss, was passiert ist. Es war die blödeste Idee, die ich jemals hatte und was geschehen ist, tut mir leid.«
Der Student schluckte und wagte einen Blick hinüber zum Detektiv; seine Augen schauten ihm ausdruckslos und kühl an und Light fühlte sich unwohl. Was sollte hierraus nur werden?

Liebe in KettenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt