1. Kapitel

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»Ist das dein Ernst?«
Mit einem mulmigen Gefühl im Bauch sah Light die Handschellen an, dessen eine Schelle ihm L entgegenstreckte; der Detektiv wollte ihn gerade an sich Ketten, wie verrückt war das denn?! Ein seltsames Kribbeln machte sich in dem Studenten breit als er L fragend ansah.
»Ja, mein vollkommener Ernst. Es besteht weiterhin die Möglichkeit, dass du Kira bist. Ich muss dich im Auge behalten, rund um die Uhr, Light-kun. Das hier wird sich nicht vermeiden lassen.«
Ohne noch etwas zu sagen, steckte L Lights Hand in die Schelle und ließ sie zuschnappen; jener fühlte sich sogleich etwas unwohl. Wie sollte er das bitte durchstehen und was würde das für sein Leben bedeuten? Nervös biss er sich auf die Lippe und starrte beklommen auf die Handschellen, die ihn und den Detektiv jetzt verbanden. Misa, die neben ihm stand, quitschte unterdessen unglücklich auf.
»Waaaas?! Mein Light ist nicht Kira! Und... Und wie stellst du dir das vor, Ryuzaki?! Rund um die Uhr....«
Misa tat, als würde ihr bei der Vorstellung ein kalter Schauer den Rücken herunter laufen, um ihre Abneigung zu verdeutlichen. Ja, sie schien ebenfalls überhaupt  nicht begeistert von der Sache zu sein.
»Ich meine es so, wie ich es gesagt habe, Miss Amane.«
Die Handschellen klapperten, als L sich ungerührt eine Haarsträhne aus dem Gesicht strich, die gleich wieder zurück fiel; anscheinend ließ in diese schon äußerst komplizierte Situation völlig kalt. Light fand sich mit der Situation nicht so leicht ab. Es gab hunderte von Boys-Love-Manga, in denen es unter diesen Umständen richtig zur Sache ging; das war doch nicht auch in Echt so, oder? Natürlich besaß Light nur eine kleine Sammlung besagter Manga, wie es sich für jeden Jungen in seinem Alter gehörte. (Naja, es kommt wohl darauf an, wie man ›kleine Sammlung‹ definiert.) Doch lernte er daraus, dass zwei mit Handschellen an einander gekettete Männer, wenn man so will, ganz sicher nicht ›brav‹ sein würden. Und das machte ihn schlussendlich nur noch nervöser.
»Aber ist das wirklich eine gute Idee? Gibt es keine andere Möglichkeit?«, fragte er etwas ängstlich, wenn auch wenig hoffnungsvoll.
»Das ist die einfachste Lösung. Hast du denn eine andere?«
»Nein.«
Etwas beschämt sah Light zu Boden. Okay, sagte er sich, L würde sich auf keinen Fall an ihn rann machen und wenn doch, sagte er ihm einfach klipp und klar, dass er das auf keinen Fall wollte. Punkt. Es war ja sowieso mehr als unwahrscheinlich, dass das passierte und außerdem konnte der Student ihn doch nicht mal wirklich leiden. Es würde  schon gut gehen, redete er sich ein.
»Aber das kannst du doch nicht machen, Ryuzaki«,
nörgelte Misa wieder und funkelte den Detektiv böse an.
»Doch, anscheinend schon.«
Schulterzuckend wandte sich jener zu Light.
»Du hast doch keine weiteren Einwände, oder?«
Light schüttelte den Kopf.
»Nein. Ist, denke ich, in Ordnung.«
Misa schniefte und tat zu tiefst beleidigt.
»Misa, das wird schon gehen. Ist ja nicht für allzu lange Zeit«, versuchte Light sie zu trösten, obwohl ihm ihre Gefühle und ihr Befinden eigentlich egal waren. Er hatte keine Ahnung mehr, warum er anscheinend mit ihr zusammen war. Da wäre eine Beziehung mit L ja wahrscheinlicher, als dass er in Misa verliebt war. Obwohl, er und L? Nein, das war dann doch noch unmöglicher.  Warum kam er überhaupt auf diesen seltsamen Vergleich? Ee tat es damit ab, dass er wegen der letzten verrückten Wochen etwas durch den Wind war.
»Wechseln wir in Zukunft auch jede Woche das Hotel?«, fragte Matsuda inzwischen wenig begeistert.
»Nein, ich habe mich da um etwas gekümmert...«

Ein ganzes Hochhaus. Sie hatten jetzt ein ganzes Hochhaus zur Verfügung. In einer Woche war es bezugsfertig. Light konnte nicht glauben, wie schnell L das organisiert hatte. War L eigentlich reich? Es sah zwar schon vorher danach aus, aber jetzt nahm Light es erst richtig war. Aber warum arbeitete L dann als Detektiv? Oder war er grade deswegen so reich? Nahm er denn überhaupt Geld, für seine Fälle? Light wurde klar, er wusste so gut wie nichts über L. Ihn brauchte es auch nicht zu interessieren, aber es war ihm unerklärlich wichtig. Sollte er ihn einfach fragen, oder war das unhöflich? L würde bestimmt nicht gerne etwas von seinem Privatleben preisgeben, oder? Aber wie sollte er sich L gegenüber jetzt verhalten? Zumal sie jetzt in einer komplizierten Situation waren, die sich eine Weile nicht ändern würde. Sie scheiterten ja jetzt schon an einer normalen Unterhaltung. Beide saßen auf dem roten Samtsofa, der Hotelsuit und tranken gemeinsam eine Tasse Tee, wobei gemeinsam so viel hieß, dass Light versuchte, L möglichst zu ignorieren und sich dennoch Gedanken über diesen machte und dass L seinen Verdächtigen nicht eine Sekunde aus den Augen ließ, also ihn pausenlos anstarrte. Keiner der beiden brach das unbehagliche Schweigen, bis Watari dann um Mitternacht die lehr getrunkenen Tassen wegstellte und in seiner Suit zu Bett ging. Light wäre elf mal schon fast weg genickt und landete jedes dieser Male mit seinem Kopf fast auf Ls Schulter. Er war sich nicht sicher ob L es bemerkte, aber da dieser ihn ja die ganze Zeit ansah, vermutete er es. Irgendwann hielt er es dann nicht mehr aus.
»Ryuzaki, ich bin müde. Können wir nicht ins Bett gehen?»
»Meinetwegen, aber ich schlafe eigentlich nicht.«
Wie jetzt? Wollte er Light jetzt erzählen, dass er nicht mal richtig ins Bett gingen? Obwohl das wohl seine tiefen Augenringe erklären wurde, durch die er etwas aussah wie ein süßer Panda. Nein, nicht wirklich süß, sondern einfach süß. Okay, diese Beschreibung tat ihren Sinn ja jetzt nicht wirklich, Light schob es darauf, dass er zu müde zum richtigen denken war.
»Ich denke damit kann ich leben, Hauptsache ich kann ins Bett...«
Er stand auf und zog L mit sich ins Bad. Wie es schien, hatte L schon vorgesorgt, und für Light schon eine Zahnbürste, Seife und Handtücher organisiert. Stumm putzten sie beide Zähne, und da L die Bürste nur mit zwei Fingern hielt, brauchten sie dafür auch so zwanzig Minuten. Light beschloss, das Duschen gar nicht erst zur Sprache zu bringen, das könnten sie auch morgen früh noch, oder würden es wahrscheinlich ganz weg lassen. Endlich ging L mit ihm ins Schlafzimmer und er ließ sich noch in voller Montur auf das blaue Himmelbett fallen und wäre am liebsten sofort eingeschlafen, nur wies L ihn bedauerlicher Weise noch auf einen äußerst wichtigen Punkt hin:
»Ziehst du dich denn gar nicht um, Light-kun? Ich habe deinen Vater Wechselsachen für sich bringen lassen.«
L hatte wirklich an alles gedacht. Doch Light wollte doch einfach nur schlafen. Mühsam rappelte er sich wieder auf und ging mit L zu dem geräumigen Wandschrank. Dieser öffnete mit einem Schlüssel die Handschellen und legte sie für's erste auf den Boden. Dann nahm er sich ein weißes T-Shirt heraus, entledigte sich dem Langarmshirt, das er zerknautscht in den Schrank knüllte und zog sich das neue Shirt an. Light musste sich eingestehen, dass er diesen Vorgang in aller Einzelheit beobachtet hatte und ihm fiel zum ersten mal auf, dass L noch dünner war, als er gedacht hatte. Seine schlanke Taille und die knochigen Arme, dazu diese schneeweiße Haut. Er erinnerte Light an eine Märchenfigur, aus einem Disneyfilm, Schneewittchen um genau zu sein. Aber war L für ihn denn etwa eine Märchenprinzessin? Nein, er war doch einfach nur er, oder? Nervös beobachtete Light wie L seine Hose auszog, und wie es aussah, hatte er schwarze Pantys an, die an ihm wirkten, als wären sie das edelste Produkt der Welt. So in der Richtung, aber für Light doch nicht sonderlich interessant, oder? Schnell begann er auch sich auszuziehen, L mochte es bestimmt nicht, wenn er ihn beim umziehen zu sah. Er selbst behielt einfach nur seine Unterhose an, er hatte einfach keine Lust, sich noch mal richtig umzuziehen. Sie waren hier ja eh unter Männern. Halt stopp, das klang schon wieder, wie in einem Klieschee-Boyslovemanga, und das sollte es nicht werden auf keinen Fall. L legte ihm die Handschellen wieder an, was beim schlafen jetzt wohl ziemlich kompliziert werden würde. Light machte den Schrank zu und zerrte L an den Handschellen ins Bett. Ohne Rücksicht machte er das Licht aus und deckte sie beide zu.
»Du musst ja müde sein.«
L klappert mit den Handschellen, als er sich in die entgegengesetzte Richtung von Light drehte.
»Ich bin einfach nur müde. Und wenn... Wenn dir kalt wird, dann komm ruhig noch näher. Ist ja nicht's bei«, murmelte Light, der nun schon im Halbschlaf war und damit die Szene eines Boyslovemanga zitierte.
»Du weißt nicht was du sagst, Light-kun. Ich weiß, wie wenig du möchtest, dass ich genau das tue«, hörte er L flüstern und schlief ein. Im inneren hoffte er jedoch, dass L doch genau das tat; er sollte ja nicht frieren. Auf keinen Fall.

Liebe in KettenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt