15. Kapitel

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Am liebsten wäre sie jetzt einfach los gerannt und Legolas um den Hals gefallen, aber plötzlich überkamen Lona Zweifel. Würde Legolas sich genauso über das Wiedersehen freuen wie sie? Die Elbe durfte nicht mehr in den Düsterwald kommen, doch ihm stand es frei sich überall in Mittelerde zu bewegen. Warum hatte er sie dann nie hier aufgesucht? Mit einem Schlag war die Vorfreude wie weggeblasen und Zweifel traten an ihre Stelle. Wie angewurzelt blieb Lona am Rand des Hofes stehen und biss sich auf die Lippe. Sie traute sich nicht aus dem Schatten zu treten und sich somit auf dem Präsentierteller zu zeigen. Zu groß war die, für Lona so untypische, Angst vor einer Zurückweisung. Normalerweise war sie diejenige, die, egal in welcher Situation, mit dem Kopf durch die Wand ging.

Es schien ihr wie in Zeitlupe, als sich der Elb vom Pferd schwang und sich umdrehte. Sofort viel sein Blick auf Lona. Sein Gesicht entglitt Legolas für einen Moment und Unglaube breitete sich auf seinen Zügen aus. Er sah aus als hätte er einen Geist gesehen. Erst nach einigen Sekunden sickerte die Wahrheit zu ihm durch, es war wirklich Lona, die da vor ihm stand, und ein strahlendes Lächeln breitete sich auf seinem Gesicht aus.

Lona hatte sich bis dahin nicht gerührt. Wie erstarrt stand sie an Ort und Stelle und erwiderte Legolas' Blick. Erst als sie ihn lächeln sah, entspannte sie sich und auf ihr Gesicht stahl sich ebenfalls ein strahlendes Lächeln in ihr Gesicht. Dann, als wäre ein Schalter in ihrem Kopf umgelegt worden, stürmte sie los und fiel ihrem besten Freund um den Hals. Sie vergrub ihr Gesicht in seiner Halsbeuge und Tränen liefen ihr über die Wangen und sie konnte nichts dagegen tun.

„Du bist es tatsächlich, du bist wieder zurück!", flüsterte Legolas und vergrub sein Gesicht in Lonas Haaren.

„Ich war niemals weg", erwiderte Lona mit erstickter Stimme.

„Doch warst du. Du warst nicht du selbst und ich hätte es nicht ertragen dich so zu sehen."

„Hey, was ist mit mir?", fragte Lorion und zerstörte so den Moment der Isolation, der für einen Augenblick zwischen den beiden Freunden stattgefunden hatte.

„Bin ich inzwischen so nebensächlich geworden, dass ich einfach ignoriert werde?" Lorian sah seine Schwester empört an, doch das glitzern in seinen Augen strafte seine Worte Lügen. Lachend löste sich Lona von Legolas, um nun ihren Bruder zu begrüßen.

Wenig später saßen die drei Freunde zusammen im Schatten eines großen Baumes im Dickicht am Rande der Gärten von Bruchtal und redeten. Lorion hatte Legolas anscheinend seine Geschichte bereits erzählt, denn sie wurde mit keinem Wort erwähnt. Stattdessen redeten sie über alles und nichts und erinnerten sich an die alten Zeiten, als sie alle zusammen Mittelerde unsicher gemacht hatten. Irgendwann wandte Legolas sich schließlich an Lona und fragte:

"Und was hast du in den letzten Jahrzehnten gemacht?" Die Elbe zuckte bloß mit den Schultern und erwiderte.

„Nichts sonderlich spannendes. Als ich mich endlich mit Hilfe von Arwen, Elladan und Elrohir wieder gefangen hatte", dabei warf sie ihrem Bruder einen raschen Blick zu, „bin ich mit Arwen durch die Gärten geschlendert oder habe mich von Elrond unterrichten lassen, habe mit den Zwillingen alle in den Wahnsinn getrieben oder habe mit Bilbo zusammengesessen und mich mit ihm unterhalten. Mit einem Hobbit Gespräche zu führen ist wirklich interessant, auch wenn man es anfangs nicht glauben möchte. Sie haben einen ganz anderen Blick auf die Welt als wir."

„Vergiss nicht deine Liaison mit dem Zwergenkönig", warf Lorion spitzbübisch Grinsend ein. Für einen Augenblick sah Lona, wie sich Legolas' Gesicht verdunkelte, ehe er mit fragendem Gesichtsausdruck an sie wandte.

„Was war denn zwischen dir und Thorin Eichenschild?" Lona zuckte wieder bloß mit den Schultern.

„Da war nichts großartiges", erwiderte sie, „Er kam um mit Elrond zu verhandeln nach Imaldris und dabei lernte ich ihn kennen. Wir verbrachten einige Zeit miteinander und ich war begeistert von ihm. Er gestand mir, dass er sich in mich verliebt hatte und somit begannen ein paar schöne Wochen, in denen wir diese Beziehung, obwohl man sich wohl kaum so nennen konnte, heimlich auslebten. Arwen half uns dabei, indem sie uns immer wieder eine kleine Zeit alleine in den Gärten ermöglichte. Als er wieder abreiste, war ich tieftraurig und als ein Diplomat für Verhandlungen im Erebor gesucht wurde, habe ich mich sofort freiwillig gemeldet. Adar hatte natürlich keine Einwände dagegen und so brach ich zum Erebor auf. Dort merkte ich schnell, dass seine Liebe einer anderen Frau gehörte, auch wenn er es selbst zu diesem Zeitpunkt noch nicht erkannt hatte. Als Lorion mir Adars Ring gab, klärten sich meine Gefühle und das, was ich fälschlicherweise für Liebe oder Verliebtheit gehalten hatte, stellte sich einfach bloß als tiefe Freundschaft heraus."

Gwathwen - Schattenmädchen (HdR)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt