Erst die Arbeit und dann das Vergnügen

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In Dustins Haus angekommen, machte ich mich sogleich an die Arbeit. Sorgfältig klebte ich die Stellen ab, die ich nicht übermalen durfte und zeichnete die Landschaft innerhalb einer halben Stunde auf die weiße Wand, während Jensen in seinem Schlafzimmer eine kleine Kommode zusammenbaute, die er aus seiner alten Wohnung übernommen hatte. Ich hatte gerade begonnen den See mit hellblauer- und dunkelblauer Farbe zu gestalten, als ich hörte, wie Jensen mit langsamen Schritten den Raum betrat.
Ich drehte mich zu ihm um. Er hatte seine Hände in die Taschen seiner hellen Jeanshose gesteckt und betrachtete mit großen Augen die Wand, die so langsam zu einem richtigen Kunstwerk wurde. Mit einem beeindruckten Nicken ließ er einen Pfiff erklingen. „Wow.", meinte er und brachte mich so zum schmunzeln. „Das sieht super aus.".
„Ich bin doch noch gar nicht fertig.", entgegnete ich. „Vielleicht enttäusche ich dich ja.".
Jensen löste seinen Blick von der Wand und sah mich stattdessen an. Seine Lippen umspielte ein wunderschönes Lächeln. „Das bezweifle ich.", meinte er dann nur. Dann ließ er seinen Blick an mir hoch und runter gleiten. „Übrigens nettes Outfit.". Er deutete mit dem Finger auf mein verwaschenes T-Shirt mit einem Teddymotiv auf der Vorderseite, den man aber vor lauter Farbkleckse fast nicht mehr identifizieren konnte.
„Das sind meine Malsachen.", nuschelte ich grinsend und wandte mich dann wieder der Wand zu. Mit flinken Strichen ließ ich die Oberfläche des Wassers weicher erscheinen.
„Tschuldige.", hörte ich den Schauspieler hinter mir nuscheln. Kurz war es still. „Ich will einkaufen fahren und schon mal Sachen für das Abendessen holen.", meinte Jensen. „Brauchst du noch etwas?".
Indem wandte ich mich von meiner Arbeit ab und blickte in die grünen, fragenden Augen, die mich jedes Mal in ihren Bann zogen. „Ähm, nein. Momentan nicht. Was gibt es denn schönes?".
Ein Mundwinkel des Mannes zog sich nach oben. „Das verrate ich dir nicht. Ist eine Überraschung.". Daraufhin wandte er sich ab und verließ mit gespielter Arroganz den Raum. Kaum hatte ich mich wieder der Landschaft zugewandt, hörte ich auch schon Jensens "Bis gleich" und gleich darauf die Tür, die ins Schloss fiel.

Gerade war ich fertig geworden und begann die Pinsel im Waschbecken des riesigen Badezimmers auszuwaschen, als ich hörte, wie Jensen keuchend die schweren Einkaufstüten in die Küche schleppte. Neugierig ließ ich die Malsachen im Bad und folgte dem Schauspieler, der gerade dabei war die Tüten auszupacken.
„Du warst ganz schön lange weg. Deine Landschaft ist schon fertig.", meinte ich und lehnte mich in den Türrahmen, während ich meine Arme vor der Brust verschränkte.
„Ich habe Rolf im Laden getroffen.", offenbarte er und stellte zwei Flaschen Milch in den Kühlschrank und gleich darauf geriebenen Käse sowie Salami, Schinken und eine Flasche BBQ-Sauce. „Und wir haben uns so unterhalten und völlig die Zeit vergessen.".
Verwirrt sah ich mit an, wie Jensen Mehl und eine Dose Mais im Vorratsschrank verstaute und sich dann zufrieden zu mir umdrehte. Was gab es wohl zum Abendessen?
Er knetete seine Hände, sodass er die Muskeln unter seinem dünnen, dunkelgrauen Pullover spielen ließ. Keine Zeit blieb mir, um mich an diesen erregenden Anblick zu gewöhnen. Der Schauspieler schob sich sanft an mir vorbei und ging geradewegs in das Wohnzimmer, um seine bemalte Wand zu betrachten. Wie ein braves Hündchen folgte ich ihm und beobachtete mit zufriedener Miene seinen erstaunten Blick, als er die Landschaft mit großen Augen bewunderte.
„Das sieht wirklich unglaublich aus, Ophelia.", lobte er mich ohne seinen Blick von dem Kunstwerk zu lösen.
„Danke.", murmelte ich verlegen und spürte, wie sich erneut diese sanfte Hitze in mir ausbreitete.
„Wie hast du gelernt so zu malen?". Jensen konnte sich von der Landschaft lösen und sah mich nun interessiert an.
„Das kommt vom frühen Üben in Höhlenwänden.", witzelte ich und entlockte Jensen ein belustigtes Lachen. Ich redete erst wieder, als sein engelsgleiches Lachen verschwand. „Ich weiß nicht.", entgegnete ich. „Ich schätze, das ist einfach angeboren. Ich habe schon immer gerne gemalt und gezeichnet.".
„Hm.", machte er. „Also ich kann beim besten Willen nicht zeichnen oder malen.".
Ich zuckte mit den Schultern. „Na ja, entweder man kann es oder man kann es nicht. Ich kann zum Beispiel keine Möbel aufbauen.".
„Dafür hast du ja mich.", rutschte es ihm heraus. Kurz war es still. Es war ein unangenehmes Schweigen. Eigentlich wollte ich etwas erwidern, doch ich wusste nicht was. Plötzlich räusperte sich Jensen und rettete die Situation. „Soll ich Abendessen machen? Hast du Hunger?".
„Ich hab immer Hunger.", entgegnete ich schmunzelnd. „Soll ich dir helfen?".
Jensen schüttelte den Kopf und ging an mir vorbei, sodass sein Geruch in die Luft gewirbelt wurde. „Du bist der Gast, da musst du nicht helfen.".

Wie Rome und JuliaOnde histórias criam vida. Descubra agora