Einladung

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„Wie lange hast du denn noch Urlaub?", fragte mich Jensen auffällig unauffällig und schob sich ein Stück des Schokoladenkuchens in den Mund.
Während wir so bei Tisch saßen und Kaffee tranken und Kuchen aßen, hatte der scheinbar reiche Schauspieler von seinem Vorhaben – dieses Haus zu kaufen – erzählt und berichtet, dass er von Dallas nach North Bay ziehen würde. Er erklärte, dass es mit dem Fliegen glücklicher wäre, wenn er hier wohnen würde, da North Bay – so altmodisch diese Stadt auch sein mochte – über eine kleine Landebahn verfügte und er Flüge nach Vancouver buchen konnte, um zu seinem Arbeitsplatz zu gelangen, an dem er jedes Jahr mehrere Monate wohnte. Außerdem erklärte er, dass er – sobald er wieder in Dallas wäre – den Vertrag für seine Mietwohnung kündigen würde und schon ein paar seiner Sachen holen würde, um möglichst schnell in Dustins ehemaliges Haus einzuziehen.
„Noch knappe zwei Monate.", erklärte ich und grinste belustigt, als er vor Überraschung große Augen machte. „Ich habe einige Überstunden gesammelt.", fügte ich hinzu. „Und außerdem hatte ich mir dieses Jahr noch keinen Urlaub genommen.".
„Fleißig, fleißig.", kommentierte Großonkel Rolf und kippte den Rest seines Kaffees mit einem Satz hinunter. Dann griff er nach der Kaffeekanne und goss sich noch eine Tasse ein.
„Warum fragst du?", stellte ich Jensen eine Gegenfrage.
„Ähm-.", machte er, während sich seine Wangen rosig färbten. „Ich hatte gedacht, du könntest mir vielleicht beim Renovieren helfen, wenn du Lust hast. Du könntest hier so lange wohnen und hier den Rest deines Urlaubs verbringen. Immerhin könntest du so noch ein bisschen deine alte Heimat genießen.".
Ich schmunzelte und nickte dann zustimmig. Ein kurzer Blick in die Runde sagte mir, dass Großonkel Rolf wie auch Alec wussten, dass dies bloß eine billige Ausrede des Schauspielers war. Sagen taten sie aber nichts. Wahrscheinlich waren sie froh, dass ich endlich einmal mit einem anständigen Mann etwas anfangen würde. Nach den ganzen Nieten musste ja auch ich einmal Glück haben!
„Phie ist eine begnadete Künstlerin.", meinte Alec kauend.
„Wirklich?", fragte Jensen interessiert.
„Alec.", mahnte ich ihn schmunzelnd.
„Stimmt doch, Phie.", meinte er zu mir und wandte sich dann wieder Jensen zu. „Sie hat auf unserer Ranch die Wände des Gemeinschaftsraums gestaltet. Mit Sonnenuntergängen und lebensecht-wirkenden Pferden. Unglaublich schön.".
„Hm.", machte Jensen nachdenklich und fuhr sich einmal über den stoppeligen Bart. „Also Pferdemotive würde ich nicht sonderlich gerne an meinen Wänden haben.", gestand er. „Aber vielleicht eine schöne Landschaft.". Dann blickte er zu mir. „Würdest du das für mich tun?".
Wie kann man bloß zu diesen Augen "nein" sagen, fragte ich mich und nickte stumm. Innerlich verfluchte ich seinen unschuldigen, bittenden Blick. Man war Wachs in seinen Händen.
„Die Sachen, die du brauchst besorge ich, du musst mir nur sagen, was du brauchst.", meinte er.
Dich, dachte ich. „Also Wandfarben, je nachdem welche Landschaft du willst. Pinsel. Und vielleicht auch eine Plane.", antwortete ich aber.
„Okay. Kaufe ich.", bestätigte Jensen und nahm sich noch ein Stück Kuchen. „Brauchst du eigentlich noch etwas aus Dallas?".
Ich überlegte kurz. „Na ja, ein paar Sachen könnte ich schon gebrauchen. Ich habe ja nur das Notdürftigste eingepackt, weil ich nicht geplant hatte, so lange zu bleiben.".
Jensen wollte etwas antworten, als Alec ihm zuvor kam: „Vielleicht kriegen wir noch einen Last-Minute-Flug?".
„Ja.", entgegnete ich knapp, während Jensen zustimmig nickte und begann sein drittes Stück Kuchen zu essen – scheinbar schmeckte er ihm.
„Was ist mit den Möbeln, Jensen?", fragte Großonkel Rolf und legte den Kopf schief.
Bevor der Schauspieler antwortete, schluckte er schnell den Bissen hinunter. „Ich denke, ich werde die Möbel zum größten Teil behalten.", erklärte er. „Einiges werde ich von Dallas schicken lassen. Ansonsten werde ich die Möbel in meiner Wohnung spenden, dann hat wenigstens jemand etwas davon.".
Hübsch, humorvoll, intelligent und sozial-engagiert – gab es etwas, was diesen Mann nicht rundum perfekt machte?
Während Rolf, Jensen und ich uns weiter unterhielten, surfte Alec im Internet herum und buchte schließlich nach wenigen Minuten den Rückflug nach  Dallas, sowie meinen Hinflug nach North Bay. Triumphierend verkündete er, dass unser Rückflug in den frühen Morgenstunden wäre. Wir wären also über Weihnachten bei der Familie – zumindest die, die noch übrig waren. Mit meinem Bruder, seiner Frau und dem ungeborenen Baby, würde ich also Weihnachten verbringen und dann am 29. Dezember wieder nach North Bay fliegen, wo mich Jensen erwarten würde. Besser hätte es wahrscheinlich nicht laufen können. Ich freute mich auf das Happy End in diesem Jahr!

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