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Zwei Tage nach Narutos Tod trafen die Trauergäste zu Narutos Beerdigung in Konoha ein. Es waren unzählige. Sie kamen von überall her, um ihre Trauer über den Verlust eines einzigartigen Menschen zu bekunden. Vielen Dorfbewohnern wurde durch die unglaubliche Menge an Anreisenden erst bewusst, wie viele Freunde sich Naruto in den letzten Jahren gemacht hatte.

Unter den Gästen befand sich natürlich auch der Kazekage Gaara, welcher seine Pflichten vernachlässigte, um der Beerdigung seines besten Freundes beizuwohnen. Er konnte es nicht fassen und hatte ewig gebraucht um die Einladung, die er erhalten hatte zu lesen, bevor er sie in seiner verzweifelten Wut zerrissen hatte. Das Papier war um ihn herumgesegelt, während er in die Knie ging und versuchte seine Tränen zurückzuhalten. Er, Gaara, weinte doch nie! Tränen waren ein Zeichen von Schwäche! Aber er hatte sie nicht zurückhalten können. Sie waren ihm einzeln in dicken Tropfen über die Wangen gerollt und er war froh gewesen, dass die ersten, die sein Büro betraten, seine älteren Geschwister waren. Diese fragten ihn zwar zuerst hektisch, was passiert sei, doch sobald sie halbwegs schlau aus seinen Schluchzern geworden waren, hatten sie ihn einfach in den Arm genommen. Er hatte sich schon lange nicht mehr so macht- und hilflos gefühlt wie in diesem Moment, aber auch schon lange nicht mehr so geborgen. Dass seine Geschwister seine Trauer mit ihm teilten, hatte ihm eine unglaubliche Sicherheit verliehen. Er wusste nicht, ob er es ohne sie überhaupt auf die Beerdigung geschafft hätte, oder auf halbem Weg umgedreht wäre. Auch jetzt, wo er mit möglichst emotionslosen Gesicht durch die Menge schritt, wichen sie ihm nicht von der Seite und ermöglichten ihn stark zu scheinen.

Seine trübsinnigen und doch irgendwie schönen Gedanken wurden jäh von einem Anbu unterbrochen: „Naruto hat Ihnen allen einen Brief hinterlassen, wenn Sie mir kurz folgen würden." Die drei schauten ihn mit völlig entrückten Gesichtern an. Naruto hatte Briefe hinterlassen? Gaara konnte es nicht fassen. Warum hatte das ihm keiner gesagt? Offensichtlich ging von ihm mal wieder eine gewisse Killeraura aus, denn der ihm gegenüberstehende Anbu zuckte kurz zusammen, als er seinen Kopf hob und seine roten Haare so zur Seite fielen, dass sie seine Augen und die Kanjis auf seiner linken Stirnhälfte freigaben. Schnell drehte er sich um und lief los in Richtung Shizune. Bloß nicht länger als möglich in ihrer Anwesenheit bleiben, schien er sich zu denken. Als sie die schwarzhaarige Frau erreichten, verschwand der Anbu so plötzlich, wie er vorhin aus der Menge aufgetaucht war. Ohne dass Gaara oder einer seiner beiden Begleiter ein Wort sagen konnten, reichte ihnen Shizune schon der Briefe. „Tut mir leid dass es so plötzlich kommt, aber die Planung war recht kurzfristig.", entschuldigte sie sich, aber unter den Killerblick der drei Geschwister erstarrte sie in ihrer Bewegung, fast so wie, wenn Tsunade entdeckte, dass sie etwas hinter ihrem Rücken getan hatte.

Der erstarrte Kunoichi nahm seinen Brief schweigend aus der Hand der erstarrten Ninja und drehte sich um. Als sie das Gebäude, in das sie der Anbu vorher geführt hatte verließen, trieb sie der Strom von schwarz gekleideten Menschen ganz automatisch in Richtung des Friedhofs. Gaara stellte sich etwas abseits von der Menge. Er konnte es nicht leiden eingequetscht zu werden, außerdem konnte er sich, wenn er dauernd angerempelt wurde, nicht in Ruhe mit dem Brief beschäftigen.

Er nahm den Brief aus seiner Tasche und betrachtete ihn: unbeflecktes, weißes Papier. Irgendwie so untypisch und trotzdem passend für Naruto. Etwas Sand wirbelte um ihn herum, als er Sandkorn für Sandkorn seinen Brief öffnete. Es ging schleppend vonstatten, was aber daran lag, dass es Gaara so vorkam, als würde er mit jeden weiteren Sandkorn Narutos Tod endgültig akzeptieren müssen und dies wollte er nicht und doch bliebe ihm nichts anderes übrig. Als diese Prozedur endlich beendet war, blieb der Briefumschlag bis auf einen schmalen Spalt, aus dem Gaara den Zettel fischte, unversehrt. Gaara entfaltete den Brief genauso langsam wie er den Briefumschlag geöffnet hatte. Und doch kam auch diese Tätigkeit zu einem Ende und vor seinen Augen breitete sich ein beschriebenes Blatt Papier aus, welches Gaara mit ausdrucksloser Mimik betrachtete, bevor er einmal schlucken musste und schließlich sich doch dazu entschloss dieses zu lesen.

Lieber Gaara,

vielleicht wunderst du dich über diesen Brief, weil ich ja eigentlich gar nicht wissen kann, dass du lebst.

Gaara stockte: stimmt, darüber hatte er sich noch gar keine Gedanken gemacht, denn er wusste natürlich, dass er noch am Leben war, aber für Naruto... Neugierig las er weiter.

Wenn nicht, ist es auch nicht schlimm. Denn verraten darf ich dir dieses kleine Geheimnis nicht, aber vielleicht sage ich es dir, wenn ich dich wiedersehe.

Ich sehe jetzt schon deinen enttäuschten Blick vor mir, wie einem kleinen Kind, dem man sagt, dass es seine Geschenke erst zu seinem Geburtstag sehen darf und nein ich sehe das nicht als Geburtstagsgeschenk, aber es war der schnellste und irgendwie auch treffendste Vergleich, der mir bezüglich deiner wohl aktuellen Mimik eingefallen ist. Auch wenn jetzt bist du entweder verwirrt, amüsiert, oder genervt.

Naja, genug über deine Mimik spekuliert, auch wenn es gerade ziemlich Spaß gemacht hat, doch wenn ich deinen Brief nur diesem Thema widme, wäre irgendwie doch ziemlich sinnlos, auch wenn, wann ist schon etwas sinnvoll, was ich tue?

Gaara, ich möchte dir danken, danken dafür, dass du mir vor Augen geführt hast, wie gut ich es habe und ja vielleicht klingt das egoistisch, aber ich hoffe du weißt, wie ich es meine. Ich zähle dich nicht nur zu meinen besten Freunden, sondern in gewisser Weise als Seelenverwandter. Du bist unglaublich stark und hast es laut den Erzählungen meiner Freunde bis zum Kazekage geschafft. Ich finde das mega cool und sehe dich jetzt wohl in gewisser Weise als Vorbild an.

Oh man, jetzt überschütte ich dich mit meinen Gedanken und weiß gar nicht, was du von mir denkst. Aber ich hoffe jetzt einfach mal, dass du mich nicht als Idiot abgestempelt hast und meine Nachricht dich erreicht hat. Auch wenn, sonst wärst du ja kaum Kazekage geworden, oder? 

Außerdem möchte ich mich bei dir entschuldigen, Gaara, dass ich dir nicht auch zu Hilfe geeilt bin. Vielleicht wäre ich wirklich keine große Hilfe gewesen, aber dass ich es nicht einmal versucht habe, finde ich mehr als enttäuschend. Umso glücklicher bin ich, dass es dir gut geht.

Was ich mich gerade frage ist, wann du diesen Brief wohl bekommst: per Posttaube, per Boten, oder sogar auf meiner Beerdigung?

Weißt du Gaara, ich vertraue auch dir meine Idee des Friedens an. Wir beide wissen, wie schwer es ist zu vergeben, du wahrscheinlich besser als ich. Wir wurden verachtet und mussten uns beweisen. Hätten wir unserem Hass, unserer Wut, unserer Enttäuschung freien Lauf gelassen, wären unsere Dörfer inzwischen wahrscheinlich längst Ruinen und wir währen verhasst statt akzeptiert und vielleicht schon von irgendeinem Überlebenden umgebracht worden. Du siehst wohl, dass Hass nie der Weg zum Frieden ist, den du momentan in deinem Dorf bewahrst. Deswegen hoffe ich, dass du auch zukünftig meinen Weg des Friedens geht und vergibst. Du schaffst das ganz sicher, da vertraue ich dir bedingungslos! Und falls du mal die Hoffnung verlieren solltest oder den Weg nicht mehr siehst, hoffe ich, dass du durch die Kanji auf deiner Stirn wieder zurückfindest. Schließlich ist der Schlüssel zum wahren Frieden die Liebe.

Gaara, mit diesen Worten komme ich zum Ende meines Briefes. Dies ist einer der letzten, die ich verfasse, da es mir unglaublich schwer fällt dich zu verlassen. Ich hätte dich so gerne noch einmal gesehen, so stark wie du jetzt sein musst, noch einmal gegen dich gekämpft, aber als Freund aus Spaß, und dir die Hand geschüttelt. So bleibt es wohl nur bei einem geschriebenen Lebewohl.

Naruto

Zum zweiten Mal innerhalb der letzten Tage liefen Gaara Tränen über die Wangen. Zum Glück waren alle so mit sich selbst beschäftigt, sogar seine Geschwister, dass es eigentlich keiner bemerkte. Aber selbst, wenn dies der Fall gewesen wäre, wäre es niemanden aufgefallen, denn es gab keinen, den nicht ein paar Tränen über die Wangen liefen. „Ich werde deinen Frieden finden, Naruto, das schwöre ich", sagte Gaara, während er gedankenverloren die Kanjis auf seiner Stirn mit den Fingern nachfuhr. Doch dieser Schwur an seinen Freund ging in der Menge unter. Viele murmelten etwas vor sich hin, während einer der Alten eine völlig unpersönliche Grabrede hielt. Schließlich war Gaara nicht der einzige, der einen Brief erhalten hatte.

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Nächstes Kapitel fertig 😊
Und was meint ihr, ist Gaaras Handeln realistisch?
Ich muss sagen, dass mir der Abschiedsbrief am Schwersten gefallen ist, da er am Anfang von Naruto Shippuden Gaaras Ja seit Jahren nicht mehr gesehen hat...
Was meinst ihr, geht er so?
Ich hoffe wieder auf eure Kommentare!!!
Einen schönen Pfingstmontag
Maggie ^^

Amnesia ReturnWhere stories live. Discover now